Die Hermetische Garage
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Die Hermetische Garage

Rezension von Ingo Gatzer

 

Der französische Comic-Künstler Jean Giraud, besser bekannt als “Moebius“, ist einer der facettenreichsten, interessantesten und erfolgreichsten Vertreter des Genres. Lange Zeit war er für seine Fans eine Art Comic-Papst, hat aber auch gleichzeitig an cineastischen Meilensteinen wie “Tron“, “Alien“ oder “Das fünfte Element“ mitgearbeitet. Der Verlag Cross Cult hat nun seinen 70. Geburtstag im Mai zum Anlass genommen, einige seiner klassischen Werke in ansprechender Aufmachung - schwarz eingebunden im Format DIN A 4 und im hochwertigem Druck - neu herauszubringen. Dazu gehört auch “Die Hermetische Garage“, die in Frankreich im legendären Magazin “Métal Hurlant“ ab 1976 und in Deutschland vier Jahre später in der Zeitschrift “Schwermetall 2“ unter dem Titel “Die luftdichte Garage“ jeweils als Serie veröffentlicht wurde. Im gleichen Jahr brachte der Volksverlag eine Hardcover-Ausgabe aller Folgen heraus. Als Boni enthält der Band von Cross Cult Vorworte von Moebius und Martin Jugeit.

 

“Die Hermetische Garage“ ist im Bereich der Science Fiction angesiedelt und weist eine ganze Reihe von Erzählsträngen auf, die sich teilweise im Verlauf der Handlung durchdringen. Da ist etwa Houm Jakin, der nach der verlassenen Stadt Boldzedura sucht, um mit Hilfe von Major Grubert gegen die Widerstände der Bakaiten den ´Verbinder` zu finden und sich gegen den Wegelagerer Boaz - einen Killer Cyd´Berg - in einem Rededuell beweisen muss. Oder der Ingenieur Bernier der den Kabelverleger von Jerry Cornelius versehentlich zerstört und deshalb in die Singenden Höhlen flieht und hier auf den geheimnisvollen Bogenschützen trifft. Oder Major Grubert, der erfahren muss, dass seine geheime Basis gestürmt wurde und zur Sondierung zunächst einen Spion per Push-Pull-Welle schickt, sich dann aber selbst auf die Suche nach seinem Gegner Jerry Cornelius macht. Dieser fährt mit seinem Fahrzeug “Betrav 2000“ in Richtung Hauptstadt Armjourth. Doch am Ende müssen sich die Feinde gemeinsam einer Bedrohung stellen.

 

So verwirrend, wie diese kurze Inhaltsbeschreibung anmutet, wirkt auch der Comic “Die Hermetische Garage“ auf den Leser. Das hat im wesentlichen drei Ursachen. Da ist erstens die von Jean Giraud verwendete Arbeitstechnik anzuführen. Analog zum Verfahren des “automatischen Schreibens“, bei dem der Schriftsteller ohne Entwurf seine Geschichte niederschreibt, um so direkten Zugang zu seiner Phantasie zu bekommen und eine innere Selbstzensur zu umgehen, bedient sich Moebius einer Praktik, die als „automatisches Zeichnen und Texten“ - Moebius selbst nennt dieses Arbeiten von Panel zu Panel “dessin automatique“ - beschrieben werden kann.

Zweitens liegt es an zwei Bewegungen, die für den französischen Comic-Künstler stilbildend sind. Da ist einerseits der Surrealismus, der das Traumhafte, Unbewusste und Unwirkliche thematisiert und darstellt, um zu einer Art höheren Realität zu gelangen und andererseits die Nouvelle Vague, die sich unter anderem bemüht konventionelle Regeln, beispielsweise standardisierte Erzähltechniken, zu missachten.

Drittens liegt es in der Entstehungsgeschichte der “Hermetischen Garage“ begründet. Moebius befand sich zu dieser Zeit “häufig in etwas euphorischen Umständen“, kehrte spät in der Nacht nach Hause zurück und zeichnete, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach. Die interessantesten Blätter entwickelte er dann weiter.

 

Größter Pluspunkt der “Hermetischen Garage“ ist sicherlich das komische Element. Moebius nimmt sich und sein Werk nicht unbedingt Ernst, sondern nähert sich dem Ganzen spielerisch. Da ist es nicht überraschend, dass die Rückseite des Comicbandes die chaotisch-witzigen Spielregeln für das fiktive Gesellschaftsspiel “Die Hermetische Garage“ enthält. Teile der Handlung und Dialoge von Moebius´ Werk - etwa die exzessive Benutzung von fremdartigen ´sci-fi-esquen` Bezeichnungen - lesen sich als Persiflage und ironische Brechung der (Superhelden-) Comics der 60er- und 70er Jahre, die Jean Giraud zwar einerseits schätzt, weil sie menschliche Sehnsüchte ausdrücken, andererseits aber auch als infantil erkennt. Die Figur des Majors Grubert erreicht dabei eine besondere ironisch-komische Fallhöhe. Einmal wird sie als Halbgott dargestellt, ein anderes Mal erhält sie aber in bester Slapstick-Tradition - auf einem albernen Tier reitend - eine Farbdusche.

 

In bester postmoderner Manier reflektiert Jean Giraud die Künstlichkeit seines Werkes, etwa wenn er eine seiner Figuren erklären lässt: “Moebius liebt den Skandal“ oder auf einen abgebildeten Sessel schreibt: “Dieser Sessel ist für den Statisten auf Seite 27 reserviert.“ Da ist es nur konsequent, wenn am - gelungenen und modern wirkenden - Ende des Buches die Grenzen zwischen der Realität der “Hermetischen Garage“ und unserer Wirklichkeit endgültig verschwimmen. Deshalb ist “ Le garage hermétique“ bestenfalls ironisch mit “Die luftdichte Garage“ zu übersetzen, denn wie Moebius selbst schreibt ist sein Werk nämlich gerade nicht geschlossen, sondern offen nach allen Seiten. Passender ist die zweite Bedeutungsebene des Adjektivs “hermetisch“: geheimnisvoll, rätselhaft, vieldeutig.

 

Die zeichnerische Umsetzung schwankt erheblich. Mal beeindruckt der französische Comic-Künstler seine Leser durch die detaillierte Darstellung eines seiner Protagonisten und gibt sich dabei Mühe etwa Falten und einzelne Barthaare genau herauszuarbeiten. Wenige Seiten später ist die gleiche Figur dann wieder nur skizzenhaft dargestellt. Ähnliches gilt auch für die Gegenstände. Hier finden sich an einigen Stellen aufwendige Raster und Schraffuren, was für Realismus und Plastizität sorgt. Dann findet der Leser aber auch wieder lieblos wirkende Zeichnungen. Dass das ganze Comic nur in Schwarz-Weiß vorliegt, wird womöglich einige Leser stören. Zwar gab es eine - nicht von allen Fans geschätzte - kolorierte Version der “Hermetischen Garage“ im Magazin “Heavy Metal“, aber Cross Cult hat sich dafür entschieden, nicht diese, sondern das Original zu verwenden.

 

Die Vorworte von Moebius und Martin Jugeit sind dazu geeignet besonders unerfahrenen Lesern einige Informationen und Hintergrundinformationen über den französischen Künstler und “Die Hermetische Garage“ zu vermitteln, aber auch für Kenner von Jean Giraud lesenswert.

 

“Die Hermetische Garage“ ist sicherlich ein Werk, das seine Leserschaft polarisiert. Die Einen werden die Komik, die postmodernen Verweise und die unkonventionellen Techniken - eben den eigenen und unverwechselbaren Stil von Moebius - loben. Andere werden sich an der chaotischen, episodenhaften Erzähltechnik, den nicht immer überzeugenden Zeichnungen und den fehlenden Farben stören. Auf jeden Fall wirkt “Die Hermetische Garage“ auch nach über drei Jahrzehnten kaum angestaubt und gehört sicherlich zu den Meilensteinen der französischen Comic-Literatur.

 

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20241013212245be89abce
Platzhalter

Die Hermetische Garage

Originaltitel: Le garage hermétique

Autor: Jean Giraud (“Moebius“)

Verlag: Cross Cult

Format: DIN A4, gebunden, 120 Seiten

Sprache: Deutsch

Erscheinungsdatum: Mai 2008

ISBN-10: 3936480699

ISBN-13: 978-3936480696

Erhältlich bei: Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 04.07.2008, zuletzt aktualisiert: 21.09.2024 17:02, 6846