Die Ruhe vor dem Sturm (Autor: Robert Kirkman; The Walking Dead 7)
 
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Die Ruhe vor dem Sturm

Reihe: The Walking Dead Band 7

 

Rezension von Olaf Kieser

 

Wie viele Stunden hat ein Tag, wenn man nicht die Hälfte davon vor dem Fernseher verbringt? Wie lange ist es her, dass wir uns wirklich anstrengen mussten, um etwas zu bekommen, das wir wollten? Wie lange ist es her, dass wir etwas wollten, das wir wirklich brauchten? Die Welt, die wir kannten, ist Vergangenheit. Die Welt des Kommerzes und der Dekadenz ist einer Welt der Verantwortung und des Überlebens gewichen.

Eine Epidemie apokalyptischen Ausmaßes lässt rund um den Globus die Toten auferstehen, um sich an den Lebenden schadlos zu halten. Nach ein paar Wochen ist die Gesellschaft am Ende. Es gibt keine Regierung mehr. Keinen Supermarkt. Kein Internet. Keine Kabelfernsehen. In einer Welt, die von den Toten regiert wird, sind wir gezwungen, endlich unser Leben selbst in die Hand zu nehmen.

 

Um den ehemaligen Polizisten Rick Grimes hat sich eine Gruppe von Überlebenden in einem Gefängniskomplex eingerichtet. Doch eine neue Bedrohung treibt die Überlebenden der Zombie- Apokalypse zu verzweifelten Schritten: Die barbarischen Einwohner des benachbarten Ortes Woodbury, denen Rick und ein paar seiner Freunde vor einiger Zeit entkommen sind, sinnen auf Rache, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie die Zuflucht finden. Rick Grimes ist krank vor Sorge um seine hochschwangere Frau und ihr ungeborenes Kind. Und auch die anhaltende Belagerung durch die Untoten ist eine ständige tödliche Bedrohung für die kleine Gruppe.

 

Robert Kirkman ist einer der gerfragtesten US Comic Autoren im Indie Bereich. Zusammen mit Tony Moore schuf er mit der Serie THE WALKING DEAD einen der erfolgreichsten Titel des Image Verlages. Außer für Image ist er auch für Marvel als Autor tätig ( MARVEL TEAM-UPS, THE ULTIMATE X-MEN und MARVEL ZOMBIES).

Der britische Zeichner Charlie Adlard ist für die visuelle Umsetzung der Geschichte verantwortlich. Wie es für britische Zeichner üblich zu sein scheint, hat er zuvor einige Zeit für 2000 AD die Serie Judge Dreed gezeichnet. In den USA hat er für alle großen Verlage Serien gezeichnet. Er ist der reguläre Zeichner von The Walking Dead.

 

Das Szenario, das Kirkman und Adlard entwerfen, entspricht weitgehend den Genreregeln. Untote erheben sich und fegen die Zivilisation hinweg. Eine Erklärung wird nicht angeboten, doch das wird sie auch nicht in den Film-Klassikern des Genres. Die Zombies schlurfen durch die Gegend und können nicht rennen, wie sie es in moderneren Versionen tun. Somit sind Kirkman und Adlard näher an Romeros Dawn Of The Dead als an Boyles 28 Day Later.

Der vorliegende Band ist bereits der siebte in der Reihe. Das merkt man beim Lesen schnell, denn es gibt Verweise auf Ereignisse und Personen, die in früheren Bänden vorgekommen sind. Dennoch findet man recht schnell einen Zugang in die Geschichte. Die informative Who is Who zu den Hauptpersonen am Anfang des Comics bieten eine gute Einführung in die einzelnen Charaktere und deren Beziehungen zueinander. Überhaupt muss positiv hervorgehoben werden, dass es das Kreativ-Team schafft, differenzierte und unterschiedliche Figuren zu gestalten. Die Überlebenden um Rick Grimes sind ein zusammengewürfelter Haufen. Um ihr Überleben zu sichern, müssen sie sich gegenseitig unterstützen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen. Das ausgerechnet ein Gefängnis als sicheres Quartier dient, ist eine ironischer Umkehr der Regeln. Die Überlebenden werden durch die gleichen Zäune geschützt, die früher Verbrecher von der Welt fernhalten sollten. In „Vor dem Sturm“ geht es insgesamt ruhig zu. Der Fokus der Geschichte liegt auf den einzelnen Figuren und dem Sichern des Überlebens. Dazu werden beispielsweise Gemüsebeete angelegt. Der Schritt zum Selbstversorger ist eine logischer. Denn woher sollen neue Nahrungsmittel kommen? Zwar gibt es Konserven, doch diese werden irgendwann aufgegessen sein. Gerade die Gestaltung von alltäglichen Situationen hilft dabei, ein glaubwürdiges Szenario zu entwerfen. Es geht Kirknman nicht darum, möglichst viele Zombie-Attacken stattfinden zu lassen. Der harte Überlebenskampf liefert Spannung genug. Eine Atmosphäre latenter Bedrohung bleibt allein schon dadurch bestehen, dass die Zombies für die Überlebenden jederzeit durch die Sicherheitszäune zu sehen sind. Auch die Entdeckung durch die Einwohner Woodburys lässt die Gruppe um Grimes nicht zur Ruhe kommen.

Die anspruchvolleren Werke des Genres hatten schon immer eine konsum- oder zivilisationskritische Ausrichtung. Auch Kirkman folgt dieser Haltung. Eine gewisse Nähe zu Danny Boyles 28 Days Later ist hier unübersehbar. Das Chaos nach dem Zusammenbruch der Zivilisation führt zu unterschiedlichen Gesellschaftsformen bei den wenigen Überlebenden. Grimes und seine Freunde versuchen so viel Menschlichkeit zu behalten, wie es unter diesen Umständen möglich ist. Die Einwohner Woodburys scheinen hingegen eine autoritäre und archaische Gesellschaftsform entwickelt zu haben. Der Mensch ist also des Menschen größter Feind.

 

Action spielt eine untergeordnete Rolle in diesem Band. Dennoch gibt es einige wohldosierte Schock- und Actionszenen. Beispielsweise macht sich eine kleine Gruppe aus dem Gefängsnis auf den Weg zu einem Militärstützpunkt, um sich mit Waffen zu versorgen. Unterwegs treffen sie auf vereinzelte Zombies, die noch relativ leicht beseitigt werden können. Dann trifft die Gruppe aber auf einen Spähtrupp aus Woodbury, was zu einem Kampf führt. Bei jedem Gang, der die Überlebenden aus den schützenden Zäunen des Gefängnisses herausführt, sind sie durch die umherstreifenden Untoten bedroht. Das Besorgen von Benzin aus verlassenen Autos auf dem Gefängnisparkplatz wird so fast zu einem Himmelfahrtskommando.

 

Kirkmans um Glaubwürdigkeit bemühte Geschichte wird durch die atmosphärischen Zeichnungen Zeichnungen Adlards gut unterstützt. Der Comic ist in schwarz-weiß gehalten. Adlard, dessen Stil an den von Sean Phillips erinnert, zeichnet detailreich. Die farbliche Reduzierung passt sehr gut zu der Geschichte. So wird die Aufmerksamkeit des Lesers auf das Wesentliche gelenkt. Adlard fängt in seinen Bildern die Stimmungen und Emotionen der Figuren gut ein.

 

Die Aufmachung des Comics ist Cross Cult wieder einmal gut gelungen. Der Comic erscheint in einem DIN-A5 Format und als Hardcover-Ausgabe. Das macht was her und man kann den Band wieder gut in sein Bücher- bzw. Comicregal stellen. Neben dem bereits erwähnten „Who Is Who“ gibt es noch einen Bericht über sogenannte „Zombie Walks“.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass „The Walking Dead: Vor dem Sturm“ ein gelungener Horrorcomic ist, der inhaltlich und zeichnerisch überzeugt. Auch als Neueinsteiger findet man sich schnell in die Geschichte ein. Die Aufmachung des Bandes ist in der üblichen Qualität, die man von Cross Cult gewohnt ist. Der Band ist für Fans ein Muss, aber auch für Neueinsteiger geeignet. Man kann dann ja seine Lücken nach und nach schließen.

 

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Comic:

Die Ruhe vor dem Sturm

Originaltitel: The Walking Dead, Vol. 7: The Calm Before, 2008

Autor: Robert Kirkman

Zeichner: Charlie Adlard

Übersetzung: Marc-Oliver Frisch

Gebundene Ausgabe, 142 Seiten

Cross Cul, November 2008

 

ISBN: 978-3-936480-37-5

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 24.11.2008, zuletzt aktualisiert: 11.04.2024 08:09, 7824