Die Schamanin (Autorin: R. F. Kuang; Im Zeichen der Mohnblume 1)
 
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Die Schamanin von R. F. Kuang

Reihe: Im Zeichen der Mohnblume Band 1

 

Rezension von Matthias Hofmann

 

Hört, hört! »Dieses Buch ist sehr heftig, düster und explizit. Es ist nicht jedermanns Sache. Nehmt euch in Acht«, sagte die Autorin selbst, in einem Interview mit der Webseite fantasy-faction.com nach dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 2018.

 

Die chinesisch-amerikanische Fantasy-Autorin Rebecca F. Kuang klassifiziert den ersten Band der Poppy-War-Trilogie, die hierzulande unter dem weniger martialischen Namen Im Zeichen der Mohnblume läuft, als »Fantasy für Erwachsene«. Die US-Kritik bemühte dafür das Label »GrimDark Fantasy«, was Kuang nicht so gefällt, obwohl es durchaus passen mag. Darunter versteht man in der Regel Romane, deren Ton, Stil oder Handlungsrahmen besonders gewalttätig, dystopisch oder unmoralisch sind. Die in ihrem Romanerstling vorherrschende Düsternis ist laut Kuang nicht aus ästhetischen Gründen präsent, sondern aufgrund der historischen Richtigkeit bewusst gewählt. Darüber hinaus könnte man den Roman auch als »Military-Fantasy« etikettieren und läge nicht falsch.

 

Eine passgenaue Einordnung des Buchs ist aber nicht möglich. Das liegt daran, dass es beginnt wie ein klassischer Young-Adult-Roman und nach dem ersten Teil von mehr oder weniger ausgetretenen, gradlinigen Handlungspfaden bei der ersten großen Kreuzung unvermittelt scharf abbiegt, um ab Teil 2 rasselnd durchs dunkelste Unterholz zu kesseln.

 

Zunächst beginnt es aber mehr oder weniger vorhersehbar. Wir haben das arme, weibliche Waisenkind Rin, welches von seinen Zieheltern verheiratet (sprich: verraten und verkauft) werden soll. Um ihrem Schicksal zu entgehen, büffelt sie heimlich für eine große Prüfung, um für die elitäre Militärakademie der Hauptstadt Sinegard zugelassen zu werden. Das gelingt ihr natürlich. Und ebenso natürlich ist sie als Landei aus dem Süden während der Ausbildung die totale Außenseiterin in einer Ansammlung von gebildeten, elitären, hochnäsigen Nachkommen großer Regierungsfamilien. Sie ist eine von nur drei Mädchen, wobei die anderen beiden so tun als wären sie Jungen.

 

Die Handlung spielt in einem Alternativwelt-Setting, welches atmosphärische Anleihen bei der alten Song-Dynastie macht und ansonsten dem vom China des 20. Jahrhunderts ähnlich ist. Nur heißt das Kaiserreich Nikan und ist in zwölf Provinzen aufgeteilt. Manche Menschen können magische Kräfte entwickeln, die sie durch kurzzeitige Symbiose mit Göttern erlangen. In der Regel aber nur, wenn sie gewisse Drogen nehmen. Der große Gegenspieler, wenn man so will, ist die Föderation Mugen, ein Inselstaat. Und die sind so richtig hinterhältig böse.

 

Während ihre Mitschüler den mehr oder weniger vorgezeichneten Weg der Soldatenausbildung beschreiten, ist Rin dabei, etwas Besonderes, eine Schamanin, zu werden. Sie ordnet alles ihrem Ziel, dem Land und der Kaiserin zu dienen, unter. Ihre Entscheidungen und Methoden sind mitunter fragwürdig. Außerdem ist sie nicht zimperlich, denn als gegen Ende ihrer Ausbildung ein Krieg ausbricht, zögert sie nicht, sich gewaltsam zu verteidigen oder zu töten.

 

Den Krieg führt das Reich Nikara gegen die Föderation Mugen. Deren Vertreter werden von Kuang eher als anonyme, namenlose Masse dargestellt. Die Soldaten der Armee des Gegners werden niedergemetzelt wie in einem Computerspiel. Während in der Ausbildung schon mal eine Nasse gebrochen, aber niemand getötet wurde, geht es im Krieg heftig und deutlich brutal zur Sache. Da Rin nach dem Motto »Auge um Auge, Zahn um Zahn« denkt und handelt, findet sie es auch nicht problematisch, wenn auf einen Genozid gleichwertig reagiert wird. Diese Denkart ist natürlich mehr als problematisch, wenn man es auf ein reales Szenario anwenden würde. Kuang hat durch ihr Sinologie-Studium tiefere Einblicke gewonnen, wo sie sich auch mit Themen wie »Chinesische Militärstrategien« oder »Kollektive Traumata« beschäftigte.

 

So findet sich in diesem Fantasy-Schmöker für Erwachsene eine gehörige Portion Gewalt, aber keinerlei Sex. Auch keine Liebesgeschichte. Nicht einmal ansatzweise. Danach gefragt, begründet Kuang diesen Mangel damit, dass sie keine Liebesszenen schreiben könne. Sie fände es zudem seltsam, wenn ihre Charaktere, die schließlich irgendwie ihre Kinder seien, miteinander Liebe machen würden. Und außerdem würden ihre eigenen Eltern immer mitlesen …

 

»Im Zeichen der Mohnblume – Die Schamanin« wurde in den USA in der Kategorie »Bester Roman« für den Nebula und den World Fantasy Award und weitere Preise nominiert. Und das ist insgesamt berechtigt, denn Rebecca F. Kuang hat mit dem Werk ein sehr solides, gut geschriebenes und flott zu lesenden Debüt vorgelegt. Durch ihre chinesische Herkunft und ihr Studium besitzt ihre Fantasywelt eine gewisse Authentizität.

 

Die Moral der meisten handelnden Personen, die Vergeltung als völlig normal ansehen, ist jedoch dubios. Deshalb kann selbst Hauptperson Rin, trotz des Charaktermäntelchens der »starken jungen Frau«, keine richtige Identifikationsfigur sein. Rins Welt, in der Tausende Menschen sterben, ist weder schwarzweiß, noch grau. Sie ist eigentlich nur schwarz. Wer solche Art von düsteren Fantasy-Visionen mag, für den ist der Roman von R.F. Kuang genau das Richtige.

 

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Buch:

Die Schamanin

Reihe: Im Zeichen der Mohnblume Band 1

Original: The Poppy War, 2018

Autorin: R. F. Kuang

Übersetzung: Michaela Link

Titelillustration: Isabelle Hirtz (Inkcraft)

Taschenbuch, 672 Seiten

blanvalet, 20. Januar 2020

 

ISBN-10: 373416222X

ISBN-13: 978-3734162220

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B07Q5ZDLQB

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 15.06.2020, zuletzt aktualisiert: 25.03.2024 16:30, 18701