Die Ultimativen 1: Übermenschlich
 
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Die Ultimativen 1: Übermenschlich

Rezension von Christian Endres

 

Marvels Ultimatives Universum versteht sich als Versuch, den klassischen Helden des nicht minder klassischen Marvel-Universums (die zumeist ein Pensum an bis zu vierzig Jahren Kontinuität mit sich herumschleppen und den Einstieg nicht immer besonders attraktiv oder einfach gestalten) nicht nur eine radikale Frischzellenkur (und damit verbundene Attraktivität für neue Leser) zu verpassen, sondern auch als Weg, Comics im Allgemeinen einen viel stärkeren Bezug zur Realität zu geben. Neben Spider-Man, den X-Men und neuerdings auch den Fantastischen Vier sind es vor allem die Ultimativen – das ultimative Pendant zu den einstigen Rächern des klassischen Marvel Universums –, die unter den Marvel-Fans von Beginn an für Furore sorgten, und deren erste sechs Abenteuer es nun endlich auch gesammelt im Tradepaperback gibt ...

 

Nick Fury erhält von der Regierung Busch den Auftrag, ein Superheldenteam zur Verteidigung und zum Schutz des Landes zu gründen, da auch die Bedrohungen immer öfter Geschütze mit der Superlative super auffahren: Superschurken, Superterrorismus. Kern des neuen Teams, das sich diesen Dingen entgegenwerfen wird, soll am besten ein neuer Captain America sein – also ein Soldat, der dank eines Serums einst schon den Sieg gegen die Nazis perfekt gemacht hat. Des weiteren wird auch Milliardär und Playboy Tony Stark – besser bekannt als Ironman – zu den Ultimativen gehören, ebenso wie Jan »Wasp« Pym und Ehemann Hank, der Giantman, der seinen Körper auf knapp zwanzig Meter ausdehnen kann. Hightech, Kraft und Wissenschaft finden also zusammen – und müssen in ihrer Feuertaufe nicht nur kritische Stimmen aus der Presse, der Politik und damit der gesamten Nation zum verstummen bringen, sondern auch zu einer gut funktionierenden Einheit zusammenfinden. Denn anders können sie den Hulk, der in New York wütet und auf persönliche Rache für das verkorkste Liebesleben seines Alter Ego Bruce Banner aus ist, nicht aufhalten. Es sei denn natürlich, ein weiterer Kandidat auf Nick Furys Liste für die Besetzung des Teams greift doch noch mit all seiner göttlichen Kraft in den Kampf ein: Der Donnergott und Umweltaktivist Thor ...

 

Mark Millar ist völlig zu Recht ein umstrittener Autor, der gerade dann, wenn er sein eigenes Universum verlässt, gerne einmal mit seinen Ideen oder Umsetzungen aneckt und den Hass der Szene auf sich zieht. Wenn Millar, der mit »Wanted« einen der in meinen Augen besten Comics der letzten fünf Jahre hingelegt hat, sich aber für ein Thema begeistern kann und behutsam genug vorgeht, dann kann er auch abseits seiner eigenen Spielwiese etwas großes schaffen – so geschehen im vorliegenden Band, der in Marvels noch recht unverbrauchtem Ultimativen Universum spielt und die Rächer neu interpretiert und vor allem auch neu definiert und ihren moralischen und medienwirksamen status quo in unser Jahrhundert verschiebt. Von Vorteil für die Geschichte ist dabei vor allem Millars Talent, sowohl intelligente Geschichten, als auch actionreiche Scripts zu schreiben, die gerade im Sammelband eine grandiose Mischung ergeben und mit stets genau dem richtigen Tempo und den richtigen Szenen aufwarten können, so dass der Lesefluss nie unterbrochen wird und ein stetiger, auf verschiedenen Eben angesiedelter Spannungsbogen vorhanden ist.

 

Neben der Gründung und (Selbs-)Findung des Teams und dessen ersten gemeinsamen Kampf unter den Argusaugen der Öffentlichkeit stehen im ersten Sammelband vor allem viele kleinere, um nicht zu sagen persönliche Schicksale der Protagonisten im Vordergrund: Bruce Banner und sein Kampf gegen sich selbst und den Hulk (und Freddie Prince jr. ...); Hank Pym und sein Kampf gegen den Schatten von Bruce Banner; Tony Stark und sein Kampf gegen seine Lebenssucht; Steve Rogers und sein Kampf gegen ein Leben, das nach fünfzig Jahren für ihn einfach weitergehen soll, das aber natürlich nicht tut; Thor und sein Kampf gegen die Dekadenz und den Verderb der Menschheit. All diese Elemente bringt Millar auf 164 Seiten (bzw. in sechs Einzelheften) unter und lässt sich dabei auch noch Raum für ausreichend Action, Witz und spritzige Situationskomik sowie viele Bezüge zur Realität (seien es die Namen von Schauspielern oder ein Auftritt von President George W. Bush und Freddie Prince jr., oder aber eben einfach ein generell neuzeitliches, aktuelles Setting, was Mode und Ausdruck oder allgemein den Zeitgeist anbelangt) und einen packenden, fast schon fiesen Cliffhanger, der erst im nächsten Sammelband (oder der regulären Heftserie, die schon deutlich weiter und längst über das siebte Einzelheft hinaus gekommen ist) geklärt werden wird ...

 

Auch wenn ich mich an dem übertrieben-realistischen Detailwahnsinn-Zeichenstil der letzten Jahren mittlerweile ein wenig satt gesehen habe, so ist Hitch immerhin ein überzeugender und konstant guter Vertreter seiner Gattung, der immer noch angenehm aus all den Deodatos und Finchs heraussticht, da er einen recht vielseitigen Strich hat, der sowohl etwas schmutziger, als auch äußerst klar sein kann. Einzig seine Darstellung des Hulks überzeugt mich nicht ganz – ansonsten punktet er aber auf voller Linie: Eine gelungene, den Leser führende Aufteilung seiner Seiten und Panels, abwechslungsreiche und ansprechende Perspektiven und Hintergründe und natürlich äußerst gelungene Darstellungen unserer Helden und aller anderen Menschen und Dinge machen die Abenteuer der Ultimativen zu einem optischen Leckerbissen, dessen grafische Aussagekraft Millars vielschichtigem Plott in nichts nachsteht.

 

Das Tradepaperback aus dem Hause Panini besticht durch eine zwar schlichte, aber tadellose Aufmachung und Verarbeitung, und selbst der Einband der Ultimativen ist ultimativ – »ungewohnt« hart und stabil und, da in keine der gängigen Marvel-Reihen eingebunden, erfrischend schlicht gestaltet, was gut zum »erwachsenen« Image von Millars und Hitch’ viel gerühmter Serie passt.

 

Fazit: Millars Die Ultimativen sind auf den ersten Blick vor allem rasant und schnell, auf den zweiten Blick aber auch intelligent inszeniert und von Hitch zudem optisch sehr schön in Szene gesetzt. Eine gelungene Aufmachung und ein fairer Preis für 164 Seiten erfrischende moderner und »pseudorealistischer« Comicunterhaltung machen aus einer der ohnehin schon gefeiertesten Marvel-Serien der letzten Jahre in vorliegender, gesammelter Form einen echten Hit, der mit einer großen Portion ultimativer Power des Weges daher kommt und eigentlich in keiner Comicsammlung fehlen sollte. Wer her nicht zugreift, der verpasst etwas richtig Großes.

 

Vielleicht sogar den Beginn eines neuen Comiczeitalters ...

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042006023625648aac
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Comic:

Die Ultimativen 1: Übermenschlich

Autor: Mark Millar, Zeichner: Bryan Hitch

Panini – 14, 95 – 164 Seiten

ISBN: 3866071566 – März 2006

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 30.03.2006, zuletzt aktualisiert: 07.04.2024 09:00, 2051