Rezension von Wiebke
Rezension:
Was passiert, wenn ein vierzig Jahre alter, wohl situierter Familienvater mit dem Fahrrad stürzt und sich den Kopf anschlägt? Ihm wächst eine Beule und er bekommt Kopfschmerzen könnte man meinen. Aber nicht Andreas Doppler. Sein Fahrradsturz im Wald führt dazu, dass der erfolgreiche Geschäftsmann aus seinem perfekt geordneten Leben aussteigt, seine Ehefrau und die Kinder im eigenen Haus zurücklässt und in den Wald zieht. In einem Zelt lebend, ist er von nun ab pingelig darauf bedacht, nichts zu tun. Aber dieser Zustand währt nicht lange, denn schon bald übermannt ihn der Hunger und so macht Doppler sich daran, eine Elchkuh zu erlegen. Ein Unterfangen, das nicht gerade einfach ist, aber glücklicherweise gelingt. Doch kurz darauf steht das dazugehörige, durch Dopplers Schuld nun zum Waisen gewordene, Elchkalb vor seinem Lager und lässt ihm keine Ruhe mehr. Nicht einmal pinkeln kann er gehen, ohne dass dieses ihm dabei zuschaut und so bleibt dem neuen Waldbewohner nichts weiter übrig, als zu kapitulieren und das Kalb zu sich zu nehmen. Von nun ab schläft es in seinem Zelt, isst und kuschelt mit ihm und lässt sich geduldig die Welt erklären. Alles könnte so friedlich und völlig ohne die überaus tüchtigen Menschen vonstatten gehen, wenn Doppler nicht hin und wieder Milch und Zucker benötigen würde. Und so tritt er gemeinsam mit dem Elchkalb den Weg aus dem Wald an, um im Supermarkt seinen Tauschgeschäften nachzugehen oder aus einem Keller Marmelade zu entwenden. Während einer ihrer Stadtgänge allerdings geschieht es, dass Doppler seiner Frau über den Weg läuft, die wieder schwanger ist und ihm ein Ultimatum stellt. Spätestens bis zur Geburt des dritten Kindes muss er den Wald wieder verlassen und seinen Pflichten als Familienvater nachkommen. Doch will Doppler das überhaupt noch?
„Doppler“ ist eine überaus ironische Geschichte, die gekonnt die menschlichen Tugenden auf´s Korn nimmt. Angefangen von der Tüchtigkeit, die Doppler in seinen umfangreichen, philosophisch anmutenden Ausführungen gegenüber dem Elchkalb regelmäßig verpönt, bis hin zu geregelten Abläufen, findet er immer wieder Angriffspunkte, um die Lebensführung der Menschen in Frage zu stellen. Ja er geht sogar soweit zu behaupten, dass sie ihm zuwider sind. In der Realität allerdings, weicht er selber von seinen Grundsätzen ab. Er freundet sich mit einem Bastler an, nimmt seinen Sohn mit zu sich in den Wald, wo er von nun an leben soll und wundert sich eines Tages darüber, dass es bei weitem nicht mehr so ruhig zugeht, wie zu Beginn seiner ungewöhnlichen Mission. Nach und nach gesellen sich andere Menschen zu ihnen und anstatt sie zu ignorieren, führt er Gespräche mit diesen oder spielt Tiermemory. Und so wandelt sich der einst so stille und friedliche Wald in eine Stätte reger Konversation und Doppler steht am Ende letztendlich genau vor der gleichen Situation, wie zu Beginn seiner Reise.
Gelesen wird der witzige Roman eines Aussteigers von Andreas Fröhlich, der sich überaus wohl in seiner Rolle als norwegischer Doppler fühlt. Schon nach kurzem Zuhören könnte man meinen, er lebt seine Sprecherrolle und erzählt eine Geschichte, die ihm selbst widerfahren ist. So merkt man ihm den Spaß regelrecht an, wenn er als Doppler über den Sinn des Lebens philosophiert, sich über die unterschwellige Aufdringlichkeit gängiger Kinderlieder auslässt oder über die unsinnig vergeudete Zeit die man benötigt, um aus einen Wust von Katalogen, die richtige Mischbatterie zu wählen. Kurzerhand kommt er zu dem Schluss, große Teile seines Lebens mit Unwesentlichem vertan zu haben und möchte diesen Zustand umgehend ändern und die Menschheit vor sich selbst retten. Ein wahrhaft heroisches Ziel, das ihm da vorschwebt, dessen Umsetzung zum Ende des Hörbuches hin allerdings erheblich schwächelt. Da nutzt auch die wirklich glaubwürdige Interpretation des Sprechers nichts, denn gerade am Ende wirkt die Geschichte schon ein wenig gekünstelt und konstruiert. Trotz allem aber wird man beim Hören sein Vergnügen haben und an der einen oder anderen Stelle sich selbst wieder entdecken.
Fazit:
„Doppler“ ist eine witzig anmutende Parodie auf menschliche Tugenden, die unter dem Deckmantel eines Aussteigers erzählt wird. Ein Hörvergnügen, das nicht nur schmunzeln lässt, sondern auch zum Nachdenken anregt.