Drachenbrut von Naomi Novik
Reihe: Die Feuerreiter seiner Majestät Band 1
Rezension von Carsten Kuhr
Wir befinden uns mitten im Französisch-Englischen Krieg. Bonaparte und seine Armeen haben fast ganz Kontinentaleuropa und Ägypten eingenommen, nur England kann sich dank seiner Flotte unter Admiral Nelson noch seiner Freiheit erfreuen. Als die »Reliant« unter Kapitän Lawrence eine französische Fregatte aufbringt, ahnt noch keiner der Seefahrer, was an Bord der Prise auf sie wartet. Tief im Laderaum des französischen Seglers befindet sich ein Drachenei, und kaum ist der Drache geschlüpft wählt er sich auch schon seinen Reiter. Ausgerechnet den Kapitän trifft es, und der weiss, dass sein bisheriges Leben damit vorbei ist. Künftig wird er sich ausschliesslich um den Drachen kümmern, keine Prisen mehr, keine Segelromatik, keine Seeschlachten, und keine Hochzeit - jetzt ist er einer der Feuerreiter die das Englische Reich aus der Luft vor den Drachen der Franzosen schützen.
Temeraire gehört keiner der üblichen Drachenfamilien an, er ist ein Chinesischer Kaiserdrache der zur Krönung Bonapartes dem Kaiser von dem Chinesischen Herrscher als Präsent überreicht worden war. Es beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft und eine Zeit des Lernens für Beide. Hoch im Norden Schottlands müssen Drache wie Reiter unter der Anleitung erfahrener Lehrer lernen, zusammen mit anderen Drachen zu agieren, zu kämpfen, aber auch sich ihren Platz in der rauen, letztlich aber herzlichen Gemeinschaft der Drachen und ihrer Reiter zu sichern. Es gilt Formationsflüge und Manöver einzuüben, Angriffsformationen und Verteidigungsvarianten zu trainieren. Dabei darf aber das Miteinander der beiden Spezies nie ausser Acht gelassen werden. Nur wenn die Hinwendung zueinander stimmt, wenn die Seelenverwandtschaft ungetrübt ist, können Reiter und Drache so harmonieren, dass ein machtvolles, gleichzeitig erhebendes Gespann daraus entsteht. Dazu trägt die enorme Intelligenz der geflügelten Echsen ebenso bei, wie das Einfühlungsvermögen ihrer Reiter und deren Besatzungen. Dass hier die Grenzen zwischen Befehlsgeber und Befehlsempfänger nur zu oft verwischen, dass aufopfernde Freundschaft, ja Liebe an ihre Stelle tritt bereichert beide Parteien. Doch nur zu Bald ist die Zeit des gemeinsamen Lernens, des Vorlesens von Büchern und der Diskussion über den Inhalt der Abhandlungen vorbei, und der Krieg erhebt sein grausig Haupt. Verrat, Kämpfe und Verwundungen an Leib und Seele warten auf unser Gespann, doch zusammen werden sie jeder Gefahr, auch der Invasion ihres Heimatlandes durch die eflügelten Truppen des Korsen trotzen können ..
Naomi Novik hat ein ungewöhnliches Buch vorgelegt. Intelligente Lindwürmer, das kennt man nicht zuletzt aus den »Pern-Chroniken« Anne McCaffreys. Doch die Kombination zwischen intelligenten Drachen und einer auch in Details glaubwürdigen Handlung im viktorianischen England ist in dieser Ausprägung ein Novum.
Mit Gespür vermittelt die Autorin uns die Werte der damaligen Gesellschaft, in der das Ehrgefühl und die Etikette gerade im täglichen Umgang der Menschen miteinander dominierten. Die fast schon verknöcherte Art und Weise, wie erwachsene Menschen miteinander umgingen, die verklemmte Aussparung menschlicher Gefühle und Sexualität wird sorgsam eingebettet in die Handlung thematisiert. Gerade im Vergleich zu der Hinwendung, die Drache und Reiter miteinander verbindet, gar nicht zu reden von den unschuldigen Frage der geflügelten Reptilien nach den Konventionen der Menschen, nach den Paarungsritualen wird die verklemmte Lebensweise der damaligen Zeit schlaglichtartig beleuchtet.
Dazu kommt, dass sie Lawrence als Kind seiner Zeit schildert. Er, der distinguierte, ehrhafte Kapitän hat seine Probleme sich in die Gesellschaft der Himmelsreiter einzufügen, die im Umgang miteinander laxe Umgangsformen nicht nur toleriert, sondern fast schon fordert. Hier werden Menschen nach ihren Fähigkeiten, nicht nach ihrer Herkunft beurteilt, existiert Gleichberechtigung und relative Chancengleichheit.
Das Umdenken, das diese Tatsache von Lawrence fordert, und ihn so manches Mal verstört zurücklässt ist sehr anschaulich und überzeugend aufbereitet.
Darüber hinaus gelingt es der Autorin aber auch, uns mit ihrer Handlung betroffen zu machen. Die Darstellung der Kampfhandlungen ist ungeschönt, Verletzungen, Schmerz und Verlust werden realitätsnah thematisiert. Dabei entwirft die Autorin ein überzeugendes Bild einer Welt, in der Drachen nicht nur existieren, sondern ins Leben eingebunden sind. Angriffs- und Verteidigungspläne sind auf die »Luftwaffe der anderen Art« abgestellt, ja der ganze Invasionsplan Bonapartes ist ohne die Luftunterstützung nicht denkbar. Novik konzentriert sich hier auf die Handlung rund um ihre Protagonisten, das grössere Bild eines umfassenden Schlachtengemäldes bleibt zunächst aussen vor.
Insgesamt gesehen legt die Autorin einen spannend und flüssig zu lesenden Roman vor, der für den Leser eine ganze Reihe ungewöhnlicher und damit interessanter Anknüpfungspunkte bereit hält. Eine Geschichte, die obgleich manch mal sentimental, dann wieder überbrodelnd vor Action mich an ihre Seiten fesselte. Zu erwähnen noch, dass Blanvalet sich mit dem Buch deutlich Mühe gegeben hat. Klappbroschur, geprägtes Titelbild in Glanzoptik und Eckvignetten heben das Buch aus der Masse der Veröffentlichungen hervor. Nachdem Peter Jackson angekündigt hat, die Trilogie zu verfilmen, wird der Erfolg in den Buchhandlungen – zurecht – nicht auf sich warten lassen.
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