Drachenwacht von Naomi Novik

Die Feuerreiter Seiner Majestät 5

 

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

Mit "Drachenwacht" geht Naomi Noviks fantastischer Erfolgszyklus um die Abenteuer des Drachen Temeraire und seines Kapitäns Will Laurence in die fünfte Runde. Der englische Offizier Laurence wurde - nachdem er nicht nur den heimischen Drachen, sondern auch denen im verfeindeten Frankreich - das Heilmittel für eine grassierende Krankheit zur Verfügung gestellt hat, des Hochverrats für schuldig befunden. Vor den Tod durch den Strick rettet ihn bisher nur sein Drache Temeraire, der offensichtlich nur bereit ist zu kooperieren, solange sein Freund Laurence lebt. Während der von einem Gefängnis zum nächsten verlegt wird, fristet Temeraire ein tristes Dasein im Zuchtgehege. Jedenfalls solange bis Napoleon die Invasion Englands beginnt und jeder kampffähige Drache und Kapitän gebraucht wird.

 

Naomi Novik gelingt es ein weiteres Mal, geschickt die Genres Fantasy und historischer Roman ansprechend zu verflechten. Als Basis verwendet sie die geschichtlich verbrieften Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dabei imaginiert sie hinsichtlich der realen Ereignisse - ohne bereits zu viel verraten zu wollen - dieses Mal allerdings freier als in den früheren Bänden. Dadurch entsteht jedoch sogar ein größeres Maß an Spannung, da sich Leser nicht auf ihre Geschichtskenntnisse verlassen können. Dieses realistische Setting würzt sie - in bester "what-if"-Tradition - mit der innerfiktionalen Existenz von Drachen. Dabei werden die geflügelten Echsen so überzeugend und detailreich in die Handlung eingebaut, dass ihre Existenz und ihr Verhalten vollkommen realistisch wirken.

 

Gegen Ende des Buches beeindruckt die Autorin mit einer (weiteren) epischen Schlacht. Diese gefällt nicht nur durch die spannende und temporeiche Schilderung, sondern auch durch taktische Finessen und einige Überraschungen. Angesichts des tollen Finales kann man Regisseur Peter Jackson nur zustimmen, der bereits zuvor den Stoff der Reihe als Quelle seiner Kinoträume bezeichnet hat. Im fünften Band werden aber auch - deutlicher als bei den Vorgängern - einmal die dunklen Seiten des Krieges näher thematisiert.

 

Eine weitere Stärke von "Drachenwacht" sind die ausdifferenzierten Charaktere. So ist vor allem der junge Drache Teremaire weit davon entfernt, ein seelenloses Ungeheuer zu sein. Naomi Novik stellt ihn hochintelligent und freigeistig, gleichzeitig aber auch (noch) etwas naiv in Bezug auf menschliche Konventionen und politische Erfordernisse dar. Gegenüber den ersten Bänden des Zyklus´ ist aber eine Entwicklung unübersehbar. Auch die anderen Drachen haben eigene Persönlichkeiten, was für eine weitere interessante Facette bei der Lektüre sorgt. Die menschliche Hauptfigur Will Laurence zerfleischt sich ob der Ereignisse allerdings etwas zu sehr und scheint sich beinahe für das ganze Ungemach der Welt verantwortlich zu fühlen.

 

Es ist etwas bedauerlich, dass Naomi Novik sich auf die Perspektive von Will Laurence und Teremaire beschränkt. Denn gerade bei der Invasion Englands und den Schlachten wäre eine Schilderung aus der Sichtweise von Napoleon hochinteressant - und wirklich ganz großes Kino - gewesen. Aus unerfindlichen Gründen plätschert die Story nach der Endschlacht noch etwas dahin, ohne dabei die zuvor erreichte Intensität wieder zu gewinnen. Die dort geschilderten Ereignisse hätten sich als Auftakt zum nächsten Band deutlich besser geeignet.

 

Fazit:

Mit "Drachenwacht" hält Naomi Novik spielend das hohe Niveau ihres Zyklus "Die Feuerreiter Seiner Majestät", zeigt, dass ihr keineswegs die Ideen ausgehen, und bietet allen Drachen-Fans ein filmreifes (Halb-)Finale am Ende des Buches, das große Lust auf den sechsten Band der Reihe macht.

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