Durst – Thirst (DVD; Horror; FSK 16)
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit, bis das gegenwärtig grassierende Vampir-Virus auch nach dem asiatischen Kontinent greifen würde. Und verständlich, wenn man bedenkt, dass der Rubel – meistens – rollt, sobald die Blutsauger ins Spiel kommen. Allerdings war und ist das asiatische Kino mitunter alles andere als ein Tummelfeld für jene, die es den großen Hochglanzproduktionen gleichtun wollen. Nein, hier geht man noch eigene Wege, und so verwundert es keineswegs, dass auch Durst – Thirst unbeirrbar die gleiche Marschroute einschlägt und ein eigentlich x-mal durchgespieltes Sujet um weitere Nuancen bereichert.
Dreh- und Angelpunkt stellt der Priester Sang-hyun (hervorragend portraitiert von Song Kang-ho) dar, den man im Grunde ziemlich knapp beschreiben kann, nämlich als guten Menschen. Womöglich sogar zu gut. Im Grunde besteht der Tagesablauf des zutiefst gläubigen Mannes darin, Todkranken die letzte Ölung zu verpassen oder vom Weg abgekommene Sünder wieder in die richtige Spur zu lenken. Äußerlich mag der Priester als resolut und unerschütterlich in seinem Glauben angesehen werden, doch innerlich hat die stoische Fassade aus Berufung, Glauben und Abstinenz erste Risse bekommen. Verständlich, wenn man tagein, tagaus mit dem Elend dieser Welt konfrontiert wird, letztlich aber nur gute Ratschläge und unsichere Prognosen geben kann. Bevor er sich jedoch immer weiter von seinen Mitmenschen distanziert, entschließt sich Sang-hyun für ein zutiefst gefährliches Vorhaben: als freiwilliger Proband nimmt er an einem äußerst umstrittenen, von der katholischen Kirche unterstützten Forschungsprojekt teil, dessen Zweck darin besteht, ein Heilmittel für eine bislang tödlich verlaufende Krankheit zu finden. Auf diese Weise möchte der Priester nicht nur seinen Teil beitragen, sondern zugleich eine Bestätigung für seinen ins Wanken geratenen Glauben erhalten.
Letzteres erhält er in der Tat, da ihn der Virus zwar dahinrafft, er aber auf wundersame Art und Weise zurück ins Leben gerufen wird. Doch die Wiederauferstehung hat ihren Preis: Fortan ist Sang-hyun dazu verdammt, ein verschleiertes Dasein in Bandagen zu verbringen und gleichzeitig den aufdringlichen Scharen zu entkommen, die in seiner Person den neuen Heiland sehen. Doch das wahre Gesicht seines zweiten Lebens offenbart sich ihm erst kurze Zeit später. Denn unvermittelt besitzt Sang-hyun übernatürliche Kräfte. So kann er selbst kleinste Geräusche hören und besser sehen als andere. Doch diese neu erworbenen Kräfte haben ihren Preis: Blut. Ohne das kostbare Elixier ist der Priester verloren. Doch mit dem unstillbaren Durst nach Lebenssaft erwachen zudem andere, fatale Sehnsüchte in ihm – wie beispielsweise die Fleischeslust. Und das just, als ihm sein Klassenkamerad von einst, Kang-woo (Shin Ha-kyun) über den Weg läuft. Dieser mag zwar noch immer so vorlaut und herrisch sein wie einst, doch physisch ist er ein kranker, gebrochener Mann, der aber dennoch seine schüchterne und äußerst attraktive Ehefrau Tae-joo (Kim Ok-vin) im Zaum halten kann. Findet Sang-hyun zunächst nur stilles Mitleid in der jungen Frau, regen sich schon bald andere, fatalere Gefühle: Er verliebt sich. Und erhält Erwiderung von Tae-joo. Nicht lange, und die beiden geben sich ihren Sehnsüchten und Lüsten hin – und schmieden schließlich einen ebenso perfiden, wie verhängnisvollen Plan …
Wie schon bereits angedeutet, ist der Vampirmythos in „Durst – Thirst“ nichts anderes als ein Sprungbrett; ein Ausgangspunkt, den Kult-Regisseur Chan-wook Park (Oldboy, 2003) dazu verwendet, um über tiefer gehende, bisweilen sogar existentielle Fragen zu sinnieren: Liebe, Tod, Religion, Sünde … mit den der Lächerlichkeit preisgegebenen Vampire vom Schlage Twilight hat dies glücklicherweise nur noch sehr rudimentär etwas zu tun. „Intensiv“ lautet das passende Schlagwort. Doch ist es ebendiese Intensität, welche es Park ermöglichen, den kontinuierlichen Fall seines Protagonisten zu illustrieren; gleichgültig, ob bei der verzweifelten Suche nach frischem Blut oder dem Liebesakt mit Tae-joo. Nicht selten gelingen Park dabei Aufnahmen, die mit geradezu schmerzhafter Fulminanz auf den Zuschauer einpreschen, letztlich aber nur verdeutlichen, dass auch ein frommer Mann wie Sang-hyun nichts anderes ist als ein menschliches Wesen mit Emotionen und Bedürfnissen und dass, wenn man ihm beides entreißt oder entsagt, umso dringender danach lechzt.
Doch leider gerät Parks bisweilen außergewöhnlicher Diskurs mit geistlichen Fragen sehr oft ins Schlingern. Er will einfach zu viel; ist zu sehr gefangen in der Materie und vergisst infolgedessen leider auch die Kontinuität der Geschichte. Dadurch entstehen Leerlauf und bisweilen mehr als ärgerliche Passagen, die stellenweise den Verdacht erregen, Teile eines anderen Films zu sein. Diese Unachtsamkeit ist ganz klar das größte Manko von „Durst – Thirst“ und wird wohl auch gestandenen Asia-Filmfans, die mit den zuweilen doch arg eigensinnigen Erzählstrukturen vertraut sind, die Laune gehörig vermiesen. Selbst das großartige Zusammenspiel zwischen Song Kang-ho und Kim Ok-vin sowie ein eigentlich furioses und nachhallendes Ende erliegen letztlich dem Sog der fehlenden Stringenz.
Fazit:
Mit „Durst – Thirst“ hätte Regisseur Chan-wook Park das nächste Meisterwerk nach „Oldboy“ gelingen können. Die Ansätze waren vorhanden. Doch leider zerschellt das Vorhaben viel zu früh an der wirren und aus dem Kontext gerissenen Geschichte. Sehr schade!