Ein Lord zu Tulivar van den Boom
Rezension von Christel Scheja
Dirk van den Boom dürfte den meisten Lesern wohl vor allem durch seine Romane zur Science Fiction – Serie „Rettungkreuzer Ikarus“ bekannt sein. Nach weiteren Romanen, die sich oft der Military-SF zuordnen lassen, wendet er sich nun der Fantasy zu. „Ein Lord zu Tulivar“ scheint der Auftakt zu einer ganzen Serie zu werden.
In den Augen des alteingesessenen Adels ist Hauptmann Geradus Kathain nichts weiter als ein machthungriger Emporkömmling. So verhindern die mächtigen Familien unter ihnen nach Ende des Krieges, dass er vom Imperator die Belohnung erhält, die ihm eigentlich aufgrund seiner Verdienste zusteht.
Da er aber auch weiß, dass es nichts nutzt, aufzubegehren nimmt er stattdessen den angebotenen Baronstitel an und macht sich auf, um sein Lehen in Besitz zu nehmen. Doch schon auf der Reise wird ihm klar, dass dies vielleicht ein Fehler war. Tulivar liegt am Rande des Reiches, in einer von den Göttern verlassenen Gegend, also weitab vom Schuss. Wenn man hier weiter gegen ihn intrigieren will, hat man leichtes Spiel.
Die Baronie ist heruntergekommen, die Einheimischen sind störrisch und werden zudem immer wieder von wilden Stämmen aus dem Norden bedroht.
Doch Gerardus krempelt mit seinen Männern die Ärmel hoch und beweist, dass man mit ein wenig Geschick und Diplomatie auch aus dem Nichts eine Menge machen kann. Er hat genug über Menschenführung gelernt, um zu wissen, wie er seine Untertanen behandeln muss, um sich im entscheidenden Moment auf sie verlassen zu können. Denn scheinbar reicht es seinen Feinden noch nicht aus, ihn so weit abgeschoben zu haben...
In „Ein Lord zu Tulivar“ geht es weniger um große Bedrohungen und epische Schlachten als um die Auswirkungen, die der Krieg auf ein Land hat und die nur allzu menschlichen Intrigen, die selbst einem gerechten Mann Schwierigkeiten machen.
Obwohl er ein Krieger ist, erweist sich Geradus Katahin schon früh als wahrer Held, der seine Menschlichkeit trotz vieler Kämpfe nicht vergessen hat. Auch wenn Adlige und Fürsten ihm viel zu verdanken haben, so ist er in seinem Herzen doch ein einfacher Mann geblieben. Das hilft ihm in Tulivar, das Notwendige zu tun und die Menschen dort nach und nach für sich zu gewinnen.
Spannung bezieht die Geschichte so vor allem aus den kleinen Entwicklungen, den lebendigen manchmal amüsant kauzigen Figuren und den kleinen aber feinen Intrigen, die erst nach und nach sichtbar werden. Action ist auch vorhanden, die Kämpfe erfüllen aber bewusst einen Zweck in der Geschichte und stehen nicht nur sinnfrei für sich.
Es macht Spaß, seinen ersten Schritten in der heruntergekommenen Baronie zu folgen und mitzuerleben, wie der Held und seine Weggefährten nach und nach heimisch werden, um dann zu erkennen, dass man es ihnen auch in diesem entlegenen Teil der Welt nicht einfach machen will.
Alles in allem ist „Ein Lord zu Tulivar“ sehr bodenständige Fantasy, die nicht unbedingt exotische Wesen, Landschaften oder Magie braucht, um eine so spannende wie sympathische Geschichte jenseits von epischem Pathos und Kitsch zu erzählen.
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