Ein verlorener Traum (Autor: Angerer der Ältere; Genre: Fantasy)
 
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Leseprobe: Ein verlorener Traum

Ein verlorener Traum

Autor: Angerer der Ältere

Homepage: www.ein-verlorener-traum.de

 

 

 

 

 

 

 

Das Buch ist in zwei Ausführungen erhältlich:

- gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag,

19 farbige Gemälde zum Herausnehmen, ca. 55 s/w-Abbildungen,

ISBN 3-934291-34-1, Preis: 39,80 Euro

gebundene Ausgabe bei Amazon

 

- broschierte Ausgabe,

ca. 55 s/w-Abbildungen,

ISBN 3-934291-43-0, Preis: 19,80 Euro

broschierte Ausgabe bei Amazon

 

Disclaimer:

Freigabe zur Weiterveröffentlichung der Leseprobe besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.

 

Leseprobe:

 

Aus Kapitel 2

 

Bald ging sie jedoch wieder an ihren Lieblingsplatz, den Brunnen. Unterhalb der Stufen fiel ihr ein Mann auf, dessen merkwürdige Kopfbedeckung einem Ritterhelm oder einem bizarren Kuppelbau glich. Hinter den umlaufenden Säulenreihen des Helmes lächelte ihr ein geheimnisvolles Gesicht zu. Der Mann trug, wie Trödler es zu tun pflegen, einen Bauchladen vor sich her. Dieser Bauchladen war nicht wie üblich mit allerlei Krimskrams vollgestopft, sondern es war das Modell einer kleinen Landschaft. Das interessierte Sunaj, sie stieg die wenigen Stufen zu dem Mann hinunter, um sich den Bauchladen genauer anzusehen. Verzückt betrachtete sie eine kleine, kunstvoll ausgearbeitete Landschaft mit Bergen, Meer und einer Stadt. Alles sah so echt aus! Doch irgendwie wirkte die Landschaft wie verzaubert, ja unwirklich.

»Gefällt es dir?«, fragte plötzlich die sanfte Stimme des Besitzers. Überrascht blickte sie auf, dann nickte sie begeistert. Der Mann fragte weiter: »Könntest du dir vorstellen, da drinnen zu leben?«

»Es ist wunderschön!«, sagte Sunaj nur.

Sie sah sich nun den Trödler genauer an. Er hatte ein freundliches, wenn auch irgendwie geheimnisvolles Lächeln, das ihr gefiel. Doch er verunsicherte sie auch ein wenig. Sie wußte nicht, wie sie ihn einschätzen sollte. Sie konnte nicht einmal beurteilen, ob der Mann jung oder alt war. Seine Augen sagten jedoch, daß er schon viel gesehen hatte.

Nun begann seine ruhige Stimme von neuem: »Was du hier siehst, ist meine Traumwelt.«

Dabei deutete er mit seinem Finger in die Miniaturlandschaft. Da fiel Sunaj der große goldene Siegelring auf. Sonderbar, dort wo sonst in solchen Ringen das Siegel oder der Stein gefaßt war, war es schwarz, so schwarz wie die Nacht. Es war, als ob die Füllung des Ringes keine feste Oberfläche hätte, sondern da ein tiefes Loch wäre, als ob tiefe, pechschwarze Dunkelheit in diesem Ring gefaßt wäre. Merkwürdig berührt wandte sie sich wieder der reizvollen kleinen Landschaft zu. Wieso trug der Mann diese wertvolle Miniaturarbeit einfach so mit sich herum?

Sie fragte ihn neugierig: »Wollen Sie dieses Modell verkaufen?«

»Träume kann man nicht verkaufen«, antwortete der Mann und schüttelte lächelnd seinen Kopf.

Diese Antwort gefiel Sunaj natürlich, jetzt wollte sie noch mehr erfahren. So fragte sie: »Aber wenn dies Ihre Traumwelt ist und wenn Sie sie nicht verkaufen wollen, warum tragen Sie diese schöne wertvolle Arbeit mit sich herum?«

 

Aus Kapitel 5

 

Janus träumte von einer riesigen, ja turmhohen Welle, viel größer, als er sie sich jemals hätte vorstellen können. Diese Wasserwand näherte sich bedrohlich einem uralten Wasserschloß, das inmitten eines stillen, grünschimmernden Teiches stand. Im nächsten Moment würden die Wassermassen das Schloß begraben. Doch eigenartigerweise erstarrte die Welle genau im Augenblick höchster Gefahr, anstatt über dem Schloß zu brechen. Sie verharrte über dem idyllischen Schloß und dem Teich, auf dem die Schwäne schwammen, wie um ein Bild vollkommener Harmonie vorzutäuschen. Janus saß am Teich und schaute diesem Schauspiel fasziniert zu.

Allmählich gewöhnte sich der Junge an den Anblick der erstarrten Welle. Zugleich war auch seine Neugierde geweckt. Ungeachtet der drohenden Gefahr wünschte er sich sehnlichst zum Schloß hinüber.

 

* * * * *

War der König, der jenes Schloß erbaut hatte, damals nicht ertrunken? Beziehungsweise hieß es nicht, er sei ertränkt worden, weil er mit seiner Phantasiewelt der allzu nahen Wirklichkeit im Wege stand? Schlug nicht damals über den Märchenkönig die Welle der Gewalt zusammen, während sie hier innehielt?

 

* * * * *

 

Der König hatte die Hand auf Janus Schulter gelegt und in die Stille der gemeinsamen Betrachtung hinein sagte er: "Als ich noch unter euch lebte, sagten die Leute, ich sei ein Märchenkönig. Aber es wäre weit gefehlt anzunehmen, ich wäre der König, der die Märchen beherrscht. Nein, die Märchen und Träume beherrschen mich. Sie kommen und gehen, wie immer sie wollen, denn sie sind frei. Und es kommen immer neue dazu."

 

* * * * *

 

"Wichtig ist, daß Träume immer da sind, man muß nur lernen, sie zu erkennen. Wenn du nicht an deine Träume glaubst, wirst du sie nur insofern spüren, als sie dir Schmerzen bereiten. Es ist, als wenn du nachts im Wald an jedem Baum anstößt, weil du ihn nicht siehst, während ein anderer, der ein Licht mit sich trägt, den Weg hindurch findet."

 

aus Kapitel 10

 

So vergingen die Tage. In dieser Zeit ereignete sich etwas, das Janus merkwürdig anrührte: Der verletzte Junge lag unter einer Palme im Schatten. Janus und sein Freund, das Einhorn, standen am See und kühlten ihre fast geheilten Knöchel. Da war ihm, als hörte er ein Rauschen wie von Tausenden von Flügelschlägen. Prüfend sah Janus zum Himmel und suchte den Horizont ab. Er konnte nichts entdecken, das Rauschen wurde aber immer lauter. Nun sah er einen Schatten am Horizont aufsteigen. Janus flüchtete unter die Palme, während sich allmählich Dunkelheit ausbreitete. Diese Dunkelheit senkte sich auf die Oase herab – es war ein unglaublicher Riesenvogel. Die Ausmaße waren so groß, daß ein weiter Teil des Himmels verdeckt wurde und die Erde verfinsterte. Janus und sein Schicksalsgenosse mußten sich die Ohren zuhalten, so betäubend war das Dröhnen und Schwirren. Jetzt setzte ein Sturm ein, und mit weit aufgerissenen Augen sahen sie, wie sich der Umriß des Vogels auflöste. Der Riesenvogel war aus vielen tausend kleinen Vögeln zusammengesetzt, die sich jetzt im See niederließen. Das Wasser fing sogleich an zu brodeln, als ob es kochen würde. Der Sturm legte sich, an seiner Stelle wehte nun eine kühle Brise vom Wasser her. Dafür war der Lärm von dem tausendfachen Piepsen, Zwitschern und Flügelschlagen fast unerträglich. Für die Vögel hingegen war das Bad offensichtlich ein Riesenspaß. Plötzlich, wie auf ein Kommando, flogen sie alle auf, bildeten wieder die Vogelgroßform und erhoben sich in die Lüfte.

Das Einhorn machte Janus darauf aufmerksam, daß ein kleines Vögelchen zurückgeblieben war und hilflos umherflatterte, bis es sich endlich erschöpft und zitternd in der Nähe des Ufers niederließ. Janus hatte Mitleid mit dem kleinen Flieger. Vielleicht war er zu entkräftet, um mit den anderen mitzufliegen? Vorsichtig pirschte er sich an das zitternde Tierchen heran und fütterte es mit einer süßen Dattel. Zaghaft pickte der kleine Piepmatz die Dattelstückchen auf, die Janus ihm hingelegt hatte, auch Wasser trank er aus Janus’ hohler Hand.

Währenddessen drehte in der Höhe der Riesenvogel, vielmehr der Schwarm kleiner Vögel, eine Runde nach der anderen, als wenn er wüßte, daß noch jemand fehlte. Doch so schnell Vögel entkräftet sind, so schnell erholen sie sich auch wieder, so auch der Piepmatz. Es dauerte nicht lange, da flog er wieder auf, dem Riesenvogel entgegen. Janus hatte ihn bald aus den Augen verloren, doch es sollte noch ein Weilchen dauern, bis der Schwarm abdrehte und am Horizont verschwand. Erst nachdem sich also dieses eine winzige Pünktchen eingeordnet hatte, konnte weitergeflogen werden. ›Ein guter Vogel-Geist muß das sein, der auf das eine winzige Vögelchen wartet, bis es wieder in die Vogelgemeinschaft zurückfindet‹, dachte Janus.

In die wieder eingekehrte Stille hinein sagte eine Stimme neben ihm: »Auf mich . . . wartet . . . niemand!«

Janus sah, daß der Junge neben ihm weinte. Mitleidig bückte er sich über den Verletzten, war aber froh, ihn endlich reden zu hören. Dies wollte er dem Jungen auch mitteilen, um ihn aus seiner Traurigkeit zu lösen.

»Ich bin Janus. Ich bin froh, daß ich dich gefunden habe. Wie heißt du?«

»Denkwart«, kam es undeutlich aus dem von Krusten und Pusteln übersäten Mund. Gequält fuhr er fort: »Denkwart, so nenne ich mich selber. Meinen früheren Namen habe ich vergessen.«

›Merkwürdiger Name‹, dachte Janus.

Da fragte ihn Denkwart: »Wohin gehst du?«

Janus deutete auf den nicht mehr allzu weit entfernten Kristallberg und sagte: »Dort will ich hin.«

»Ach so, da komme ich ja her«, antwortete Denkwart traurig und enttäuscht.

Janus hätte sich gern mehr mit dem Jungen unterhalten, doch der war bereits wieder eingeschlafen.

Denkwart erholte sich jetzt sehr schnell, wenngleich er wenig Lust am Sprechen zu haben schien, sobald Janus ihn nach seinen Erlebnissen und seiner Herkunft fragte. Daher begann Janus, von sich, Sunaj, dem Großvater und dem weißen Einhorn zu erzählen. Vom schwarzen Einhorn aber sprach er kein Wort, zu tief war seine Trauer um den Freund. Er stellte aber verwundert fest, daß den sonderbaren Jungen Einhörner überhaupt nicht zu überraschen schienen.

Als Janus mit seiner Erzählung fertig war, drängte er Denkwart, er möge ihm jetzt auch seine Geschichte preisgeben. Doch der Junge blickte traurig in eine andere Richtung. Janus fragte aber weiter und seine Hartnäckigkeit hatte schließlich ein gewissen Erfolg.

»Janus, es wäre besser gewesen, du hättest mich liegen gelassen«, begann Denkwart stockend. »Ich werde dir schon alles erzählen, aber heute kann ich noch nicht.«

›Dem Jungen muß Schlimmes widerfahren sein‹, dachte Janus bei sich.

Nach einer Weile stellte sich heraus, daß Denkwarts Bein doch nicht gebrochen, sondern wohl nur arg verstaucht war. Bald schon war er wieder soweit bei Kräften, daß sie den Weg zum Kristallberg antreten konnten. Auch das Einhorn war wieder gesund.

»Sag mir, Denkwart, wenn wir uns morgen in aller Frühe auf den Weg machen, glaubst du, daß wir nachts beim Kristallberg sind?«, fragte Janus.

Es verging einige Zeit, bis Denkwart widerwillig antwortete: »Ja, aber das spielt jetzt auch keine Rolle.«

»Wieso das denn?«, fragte Janus, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen und auch, weil er endlich hören wollte, was Denkwart zu berichten hatte.

»Bei uns ist immer Tag, nur hier draußen wird es Nacht.«

»Ja aber wenn . . .?«

Weiter kam Janus nicht, denn der Junge unterbrach ihn mit einer abwinkenden Geste.

»Du wirst schon sehen. Mehr will ich dir jetzt noch nicht sagen. Warte es ab.«

Nachdenklich betrachtete Janus sein Gegenüber und fragte behutsam: »Aber eines möchte ich doch noch wissen. Wieso wartet auf dich niemand und warum gehst du so ungern in deine Heimat zurück?«

»Das kann ich dir jetzt nicht gut erklären, du wirst es schon sehen. Vielleicht gefällt dir ja alles, was mir so mißfällt.«

»Aber du sagtest mir, du wirst mir alles erzählen!«, bohrte Janus weiter.

»Das werde ich auch, wenn du mich dort noch fragen willst.«

Janus seufzte resigniert und sah ein, daß er bei aller Neugier geduldig sein mußte.

Am darauffolgenden Tag machten sie sich auf den Weg. Janus konnte inzwischen schmerzfrei gehen, Denkwart humpelte noch ein wenig, weswegen ihn das Einhorn auf seinem Rücken sitzen ließ. Die Jungen hatten sich reichlich mit Datteln eingedeckt und vorher sehr viel getrunken. Da Denkwart ihm versprochen hatte, daß sie abends ein gutes Essen erwartet, aß Janus nicht viel von dem Reiseproviant, denn Datteln konnte er inzwischen nicht mehr sehen.

Ohne nennenswerte Unterbrechungen erreichten sie schließlich am Abend den Kristallberg. Janus erkannte nun, daß es sich eigentlich nicht um einen Kristallberg handelte, sondern um ein kristallines, sicher tausend Meter hohes Gebilde aus Glas. Ungeduldig war er schon etwas vorausgeeilt und konnte von einem Hügel aus ins Innere schauen. Da lag lichtüberflutet eine üppige grüne Landschaft mit Bergen und Seen. Janus fühlte sich an die Landschaft im Zelt erinnert, doch hier war es offensichtlich keine Fata Morgana. Dieses Land war sicher so groß, daß man wahrscheinlich Tage gehen konnte, ohne das Ende zu erreichen. Am Rand dieses Kristallgebäudes wirkte noch die Nacht, doch zur Mitte hin wurde es immer heller. Im Vordergrund führte aus der Wüste eine ansteigende Brücke zu einem Stadttor und von dort weiter über einen See hin zu einer mittelalterlichen Stadt mit Burgen und Türmen. Dahinter waren Täler und Berge zu sehen. Die Freude, die Janus bei diesem Anblick überkam, war riesig. Endlich würde er wieder unter Menschen sein! Die drei durchschritten, jeder auf seine Weise erregt, das Stadttor, dann überquerten sie den See. Nirgends stand eine Wache. Janus blickte hoch; unendlich, so schien es ihm, stieg die Kristallwand in die Nacht empor. Nun passierten sie ein weiteres Stadttor, dieses war die Grenze zwischen außen und innen.

Was war das für eine bunte Menschenmenge, die plötzlich zu sehen war? Was war hier los? Überall herrschte fröhliches Treiben, das Janus an Fasching erinnerte. In der Tat war hier jeder gekleidet, wie er wollte. Janus sah einen Chinesen mit seiner typischen Kopfbedeckung sowie einen Schwarzen mit Lendenschurz. Eine schöne Kreolin in weiter Renaissancekleidung schritt mit einem feinen schwarzgekleideten Herrn mit Frack und Zylinder lachend und scherzend an ihnen vorüber. Ein weiterer steckte in einem engen, metallisch glänzenden Anzug, der eher futuristisch anmutete. Nun verstand Janus, weshalb für Denkwart auch ein Einhorn selbstverständlich war.

Janus hatte riesigen Hunger; er wollte erst essen und trinken und sich danach in Ruhe alles genauer ansehen. Denkwart und er beschlossen, in die nächste Gaststätte einzukehren, die auf ihrem Weg lag. Das Einhorn meinte zu den beiden, es fände auch geeignetes Futter und wäre rechtzeitig wieder da und trabte los. Doch womit sollte Janus bezahlen? Fragend wandte er sich an seinen Begleiter.

»Mach dir keine Sorgen, Janus, hier bezahlt man nicht, es ist alles umsonst«, meinte Denkwart müde lächelnd. »Bei wem willst du auch bezahlen, wenn die Nahrungsmittel einfach da sind? Weißt du, ich kenne das Wort bezahlen auch nur aus Späßen oder Büchern. Wir haben hier eine riesige Bibliothek mit Büchern in allen Sprachen. Kein Buch, das je geschrieben wurde, fehlt hier. Leider geht keiner hin.«

»Wieso nicht?«, wollte Janus nun neugierig geworden wissen. ›Dieser Denkwart‹, dachte er bei sich, ›ist eben ein Pessimist.‹

»Die Menschen haben hier alles, was das Herz begehrt, alle sind zufrieden. Sie wollen sich mit den in den Büchern beschriebenen Geschichten und vor allem mit den Problemen nicht beschäftigen. Wozu auch? Sie haben ja keine.«

»Ja, aber du liest doch auch«, wandte Janus ein.

»Ach ich . . . ich glaube, ich war hier der einzige, der das tat. Die wenigen, die auch gelesen haben, sind alle weggegangen, so wie ich es auch wollte. Und keinem fällt es auf«, antwortete Denkwart traurig.

Jetzt betraten sie die Gaststätte. Hier stand alles zur Auswahl, was der Gaumen begehrte, von deftigen Speisen bis hin zu raffinierten exotischen Gerichten. Janus aß mit großem Appetit die dargereichten Speisen. Satt und zufrieden lehnte er sich zurück und wurde sehr müde. Wo aber würde er schlafen können?

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Erstellt: 28.04.2005, zuletzt aktualisiert: 01.02.2015 14:35, 109