Rezension von Christel Scheja
„Flesh and Bone“ entstand erst im letzten Jahr als achtteilige Miniserie für den amerikanischen Bezahlsender Starz, der es sich wie HBO auch erlauben kann, Filme und Serien mit heikler und ernster Thematik zu produzieren. Die Folgen erzählen die Geschichte einer jungen Tänzerin, die wie alle, die nach New York kommen, von Ruhm und Karrieren träumen.
Claire Robbins verlässt Familie und Heimat, denn in dem kleinen Kaff in der Provinz hat sie in Armut und Perspektivlosigkeit gelebt, Demütigungen und sexuellen Missbrauch erleben müssen. In New York hofft sie das hinter sich lassen und ein neues Leben beginnen zu können.
Und so ist sie zunächst glücklich, dass sie schon nach dem ersten Vortanzen von der „American Ballet Company“ aufgenommen wird, die sich nur die Creme de la Creme an Tänzern und Tänzerinnen heraus pickt.
Der künstlerische Leider Paul Grayson erkennt gleich ihr Talent und will sie groß herausbringen, dafür fasst er sie nun aber um so grober an und lässt sie durch eine harte Schule gehen, an der Claire fast zerbricht.
Denn ihre Hoffnungen und Träume zersplittern in tausend Scherben, als sie feststellen muss, dass sie in ein noch schlimmeres Haifischbecken als zu Hause geraten ist. Denn vertrauen kann sie keinem. Weder den Kollegen noch den bereits fest angestellten Stars der Truppe, die Aufsteiger beharken, wo sie nur können. Nicht einmal Paul, der sie fanatisch zu Höchstleistungen treibt und mit anderen Forderungen die verdrängten Ängste wieder zum Vorschein bringt.
Und als dann noch auch noch jemand aus ihrer Vergangenheit auftaucht, der sie zusätzlich bedrängt. Das schürt ihre innere Zerrissenheit und den Drang sich selbst zu zerstören. Kann sie es dennoch schaffen, die Dämonen hinter sich zu lassen, und ihr Talent auch dem großen Publikum zu offenbaren? Der Weg dahin ist jedenfalls steiniger als je zuvor.
Dass die Welt des Showbusiness hinter den Kulissen längst nicht so schillernd ist wie auf die Bühne, dass die leichtfüßigen Bewegungen einer Balletttänzerin mit viel Schweiß Blut und Tränen in hartem Training erworben wurden, ist auch nicht so unbekannt, aber beides zusammen hat man wohl noch nie in einer Fernsehserie gesehen.
Da ist auf der einen Seite die Heldin. Sie ist eine ausgezeichnete Tänzerin, ein Ausnahmetalent, aber sie hat dafür auch einen hohen Preis bezahlt und muss ihn auch auf dem Weg auf die Bühne weiter bezahlen.
Hassliebe verbindet sie mit Paul, der sie fördert und fordert, aber niemals lobt, der von ihrem Talent zwar ziemlich begeistert ist, auf der anderen Seite auch danach giert, das beste für die Company herauszuschlagen, auf Kosten anderer Tänzerinnen, die bereits länger da sind.
Um das ganze noch ein wenig dramatischer zu machen, hat die junge Frau natürlich auch noch eine düstere Vergangenheit, die es nicht lassen kann, einen Schatten über ihr jetziges Leben zu werfen und sie fast an allem zerbrechen zu lassen.
Die Zutaten sind denkbar einfach – die Serie dramatisiert sie noch ein wenig, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Denn es geht nicht allein um Claire, sondern auch um Erhalt und Überleben der Company, die natürlich Rivalen zu fürchten hat.
Dafür muss jedes Mitglied Opfer bringen, auch wenn es ihm oder ihr nicht passt, vom Podest herunter zu steigen und nicht mehr die erste Geige zu spielen, oder sich und ihren Körper zu verkaufen, wenn es darum geht, Geld für den Erhalt des Theaters heran zu schaffen.
Und auch Claire muss sich damit auseinandersetzen … was sie immer wieder zurückwirft und erschüttert, auch wenn sie weiß, dass sie gerade jetzt nicht aufgeben darf.
Die Umsetzung ist durchaus realistisch – in grauen und eher kalten Farben gehalten – lernt man die Welt hinter der Bühne kennen, in der jeder sich selbst der nächste ist und mit allen Bandagen kämpfen muss, um nicht unterzugehen.
Es fällt leicht mit Claire zu fühlen, ihre Verzweiflung und Angst nachzuvollziehen, denn sie ist hat eine mitleiderregende Kindheit und Jugend hinter sich – weckt Mitgefühl und Wünsche – während viele der Zuschauer den skrupellosen Paul anfangs hassen werden. Wie sich beide dennoch mit der Zeit aufeinander zu entwickeln … das ist ein weiterer Teil der Geschichte.
Spannung ist durch den Kampf hinter den Kulissen gewährleistet, denn die Stars der Truppe, vor allem eine – ist nicht bereit dazu, sich so einfach in die zweite Reihe zurückstellen zu lassen. Geldprobleme und Schwierigkeiten mit der Technik machen ebenfalls zu schaffen.
Ursprünglich war die Serie auf mehrere Staffeln angelegt – durch die Kompression auf eine Miniserie ist das Geschehen aber um so intensiver dargestellt und sorgt dafür, dass man mittendrin bleibt, auch wenn das natürlich auf Kosten einiger Charaktere und ihrer Entwicklung geht. Die Schauspieler holen aber das was sie können aus ihren Figuren.
Bild und Ton sind auch auf der Höhe der Zeit, Extras gibt es leider keine.
Fazit:
„Flesh and Bone“ ist eine beeindruckende und sehr intensive Serie in der Macht und Leidenschaft hinter den Kulissen einer Ballett-Company in einer dramatischen Story unter die Lupe genommen werden. Intrigen rund um, und die Selbstzweifel der Heldin sind das Salz in der Suppe, dass die Geschichte noch intensiver wirken lässt.
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