Gallien in Gefahr (Asterix Bd. 33)
 
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Gallien in Gefahr

Reihe: Asterix Bd. 33

Rezension von Christian Endres

 

Wer kennt ihn nicht, den pfiffigen Gallier namens Asterix mit seinen schrulligen Freunden aus dem widerspenstigen kleinen Dorf an der Küste, die sich tapfer gegen die Römer auflehnen und dank eines Zaubertranks stets erfolgreich gegen Cäsars Schergen und alle anderen Gefahren bestehen? Zum 33. Mal schon schickt Albert Uderzo, der seit dem Tod seines Freundes und Kollegen René Goscinny die Serie alleine gestaltet und nebst der Zeichnungen seit dem auch für Handlung und Texte sorgt, die Bewohner des gallischen Dorfes in den Kampf – diesmal jedoch nicht gegen Römerpatrouillen, Piraten oder dreiste Seher, sondern gegen Außerirdische, geklonte Superhelden und blecherne Kampfroboter ...

 

Die mutigen Gallier fürchten sich, wie jedermann weiß, nur vor einer Sache: Dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Dies scheint auch zu geschehen, als eine riesige goldene Kugel über dem Dorf auftaucht und alles Leben zum Erstarren bringt. Alles Leben? Nein! Vier Bewohner des kleinen Dorfes hören nicht auf, munter in der Weltgeschichte vor ungefähr zweitausend Jahren spazieren zu gehen: Asterix, Obelix, Miraculix und Idefix, alle vier dank des Zaubertranks – egal ob durch ein Schlückchen vor der Wildschweinjagd, ein unfreiwilliges Bad als Kind, eine Schöpfkelle zum Probieren während der Zubereitung oder einen heimlichen Tropfen von Herrchen – gestählt. Diese vier in Bewegung gebliebenen Einwohner des ansonsten restlos erstarrten Dorfes treffen auf Tuun, einen Außerirdischen vom Volk der Tadsylwine (man schüttle die Buchstaben dieses mehr oder minder kreativen Anagramms kurz durch und ordne sie in anderer Reihenfolge an, um den Ursprung des Namens zu erkennen), dessen Raumschiff die seltsame goldene Kugel am gallischen Himmel über dem Dorf und ferner Schuld am Stillstand allen Lebens im Dorf und der näheren Umgebung ist. Der kleine Fremde aus dem Weltall warnt die Gallier, nachdem er die Starre aufgehoben hat, vor einer anderen Rasse Außerirdischer, den Nagmas (das selbe Spielchen wie zuvor: Buchstaben einmal kräftig durchschütteln). Diese wollen den magischen Trank der Gallier für ihre kriegerischen Zwecke nutzen und dazu hinter das Geheimnis der gallischen Superwaffe kommen – was die Tadsylwine um jeden Preis verhindern wollen. Schnell kommt es zum Kampf zwischen den beiden intergalaktischen Parteien, in dessen Verlauf Tuut (vom Aussehen her übrigens eine Mischung aus Kellys Pogo und Disneys Micky) sich auf geklonte Superhelden im Superman-Look verlegt, während sein Gegenüber vom Volk der Nagma (optisch eine Mischung zwischen Videospieligel Sonic und einem Samurai) sich mit blechernen Kampfrobotern gegen den Feind und dessen muskelbepackte Klone stellt. So wird das gallische Dorf schließlich zum Schlachtfeld zweier hochtechnisierter und -entwickelter Rassen außerirdischen Lebens, die beide hinter das Geheimnis der gallischen Superwaffe kommen wollen und sich letztlich mit einem Waffenstillstand abfinden und aus ihrer Pattsituation befreien, um beide zu gleichem Teil in Besitz der Wunderwaffe des Dorfes zu kommen – für die sie im Übrigen nicht einmal vor Druiden-Entführung zurückschrecken ...

 

Klingt das nach einem gängigen Asterix-Szenario? Oder auch nur nach einem klassischen Motiv für eine Asterix-Geschichte mit einigen Innovationen und behutsamen Neuerungen? Kaum. Der Band ist – und das wird schon beim ersten Lesen klar – ein Stilbruch, mehr als eine blose Neuerung und vor allem auch mehr als eine Hommage an Walt Disney. Dementsprechend kritisch geht man auch nach beendeter Lektüre mit dem Band um, so dass es teilweise doch recht schwer erscheint, ihm positive Seiten abzugewinnen, da diese nur minimal vorhanden sind. War es in anderen Bänden Erbsenzählerei, die negativen Aspekte herauszukehren, ist es nun schwierig genug, keinen Verriss zu schreiben. Hinzu kommt, dass der Band durch den Wirbel und die Geheimhaltung, mit der er von Autor und Verlegern behandelt und angekündigt wurde, große Erwartungen geschürt, davon aber kaum eine erfüllt hat.

 

Die Story nun ist, falls überhaupt existent und einmal ohne Berücksichtung der bisherigen Abenteuer und deren Kontinuität, eher als dürftig und ziemlich mau zu bezeichnen, gerade wenn man sie mit früheren Bänden (auch solchen, die Uderzo alleine verfasst hat) vergleicht. Mit dieser an den Haaren herbeigezogenen, unpassenden Geschichte ist letztlich auch niemandem gedient: Nicht Uderzo, nicht Goscinnys Andenken, nicht den Fans und schon dreimal nicht dem Asterix-Mythos, der durch diesen Band erheblich Schaden nehmen könnte, wenn beispielsweise ein Neuleser Asterix und dessen Qualität ausschließlich anhand dieser traurigen Episode fest machen sollte. Diesmal stimmt das gesamte Setting einfach nicht und wirkt grob verzerrt und fahrlässig verschoben, ja fast schon vernachlässigt und regelrecht verbannt, so als hätte Uderzo einfach keine Lust und keinen Esprit während der Arbeit gehabt. Die älteren Asterix-Bände zeichneten sich trotz ihres historischen Kontextes zwar stets durch pointierte Anspielungen auf die Moderne aus, doch passen Raumschiffe, Außerirdische und Superhelden einfach nicht ins Bild, Anspruch auf Moderne oder Zeitgeschehen und Wandel im Medium Comic hin oder her – dieser Schritt ist einfach zu gewagt. Uderzo bringt zudem viel zu selten einen wortgewandten, ausgereiften Witz oder eine geistreiche Anspielung an den Mann und versteht es leider auch viel zu selten, den über die Jahrzehnte (!) aufgebauten Charme der liebevollen Charaktere aus Gallien zu nutzen. Statt dessen missbraucht er sie – ähnlich der hölzernen Protagonisten in einem mittelmäßigen Action-Film voller Spezialeffekte, die über die Schwächen in der Handlung hinweg täuschen sollen – dazu, um eine Spielwiese zu haben, auf der er die möglichst bunten und möglichst großen Panels mit den Außerirdischen und ihrer Technik zeigen kann. Asterix und Außerirdische – das funktioniert einfach nicht und hindert die Entfaltung des sonst typischen Charmes der Abenteuer des kleinen Galliers und seiner liebenswerten Freunde, und mit jeder Rakete, jedem Roboter und jedem außerirdischem Superheldenklon verliert der 33. Band der Reihe immer mehr von seiner Substanz ...

 

Wenn man vorliegenden Story und Uderzo etwas zu Gute halten möchte, dann sicherlich, dass er sich mit halbwegs aktuellen Situationen, Einflüssen und Entwicklungen der Comicbranche auseinandersetzt (dass er auf eine ältere Manga-Reihe anspielt, die in Deutschland nicht gelaufen, dafür im französischen Sprachraum aber recht populär ist, kann er ja nichts) und diese in seiner Geschichte verarbeitet. Ebenso wie die Wortspiele aber hat er davon zu viel eingeflochten und zuviel Innovation in die Story einfließen lassen, so dass es am Ende weit von jedweder Asterix-Mentalität früherer Bände entfernt ist.

 

Einige der Zeichnungen lassen im vorliegenden Band ebenso wie die dürftige Handlung oftmals zu wünschen übrig und können nicht an frühere Arbeiten Uderzos anknüpfen. Man vermisst vor allem den liebevollen Detailreichtum, der seine früheren Arbeiten an der Serie einstmals stets ausgezeichnet hat, und ärgert sich nicht selten über die nur ungenügend ausgearbeiteten Hintergründe, die in vielen der Panels zu sehen sind. Gallien in Gefahr ist daher auch optisch irgendwie kein echter Asterix-Band, wie ihn der Traditionalist, der mit Asterix und seinen klassischen Abenteuern gewissermaßen aufgewachsen ist, sehen möchte, sondern eher ein durchschnittlicher Comic mit ein paar guten Szenen, Einstellungen und Panels, der alles in allem aber niemanden so recht vom Hocker Haut und ebenfalls meilenweit von seiner früheren Form entfernt ist. Um so erschreckender, dass die Zeichnungen dann aber trotzdem noch das beste und bewährteste an diesem Abenteuer sind.

 

Selbst die Verarbeitung des Bandes weist einige Mängel auf, fängt es hier doch schon mit dem Cover an, dessen Motiv ja eigentlich noch ganz ansehnlich ist und gar nicht so Übles vom Inhalt her erahnen lässt. Aber ich mag diese verwackelte Schrift, die man leider auch im Innenteil oftmals für Betonungen verwendet hat, überhaupt nicht. Hinzu kommt, dass man die an sich nette Idee, die obere Schnittkante des Buchblocks blau zu färben, so gut umgesetzt hat, dass sich einige der Seiten – die sich im übrigen viel zu stark wellen für ein gebundenes, an sich hochwertiges Album zu stolzem Preis – auch am oberen Rand über ein paar kleine blaue Flecken und Schmierer freuen. Das der eigentlichen Geschichte voran gestellte Vorwort nun ist zwar recht informativ und deshalb wahrscheinlich gerade für Neueinsteiger interessant, leidet jedoch stark darunter, dass der letzte Teil in Werbung für das Asterix-Lexikon des Verfassers dieser Seiten herhalten muss.

 

Fazit: Ich respektiere es, dass Albert Uderzo in seinem Alter noch an der Serie arbeitet, die ihm fast sein ganzes Leben lang begleitet hat, und ich verstehe es unter gewissen Aspekten auch, dass man einen Verkaufsschlager und Bestsellergaranten wie Asterix nicht gänzlich vom Markt verschwinden lassen möchte (was damals letztlich ausschlaggebend dafür war, dass Uderzo nach dem Tod Goscinnys weiter gemacht und nicht, wie eigentlich vorgehabt, aufgehört hat). Gerade die letzten Bände aber, die seit Goscinnys viel zu frühem Tod (1977) veröffentlicht wurden und ohne Einwirken des genialen Texters der ersten rund fünfundzwanzig Episoden entstanden sind, zeigen jedoch nur allzu deutlich, dass sich Asterix in die falsche Richtung entwickelt. Gallien in Gefahr ist lediglich der vorläufige Höhepunkt – oder besser, Tiefpunkt – dieser Entwicklung.

 

Glaubte Uderzo, dass Comics von Walt Disney und Mangas aus Fernost seinem frankobelgischen Helden, jetzt schon ein Klassiker der Comicliteratur, den Rang ablaufen und eventuell sogar einmal verdrängen mögen? Vermutete er hinter den Disneycomics und den Mangas aus Japan eine Bedrohung, ja eine Gefahr für Gallien und dessen Helden? Hatte er das Gefühl, seine gestandenen Helden durch futuristische Einflüsse aufpeppen und mit einem gnadenlosen Gewaltruck ins 21. Jahrhundert katapultieren zu müssen? Ich weiß es nicht. Dafür weiß ich, dass ich diesen Band ins Regal stellen und so schnell nicht mehr hervor holen werde. Um den Schock zu überwinden, habe ich mir meinen Lieblings-Asterix-Band gegönnt: Die goldene Sichel. Nostalgisch grüßt jährlich das Wildschwein: Das waren noch Zeiten ...

 

Es tut mir in der Seele weh, das zu schreiben, doch muss man der Wahrheit ins Auge sehen: Der 33. Asterix-Band ist annähernd ein Totalausfall und leidet – um mich dem Tenor des fürchterlichen Abenteuers aus dem gallischen Dorf anzupassen – auf jeder Seite unter einem Triebwerkschaden und lässt im Großen und Ganzen weder Witz, noch Charme raketengleich zünden. Selbst die Wortspiele, sonst immer der große Pluspunkt eines einmal schwächeren Abenteuers, wirken schwerfällig und ohne den für diese Serie typischen Scharfsinn eingesetzt.

 

Alteingesessene Asterix-Liebhaber spricht man mit diesem Band sicher nicht an, und ob jugendliche Leser, die sonst mit Disney und Mangas Vorlieb nehmen, zu Asterix bekehrt werden können, wenn sie diesen Band lesen, sei einfach einmal dahin gestellt. Die Verkaufszahlen werden dank der vielen Fans – häufig Komplettsammler – und des Medienrummels, der um den zeitgleich in fast dreißig Ländern aufgelegten Band gemacht wurde, wohl trotzdem zufriedenstellend sein und damit von dieser Warte aus kein Signal abfeuern, dass etwas mächtig schief läuft und faul im idyllischen Gallien ist.

 

Uderzo hat bereits angekündigt, an weiteren Bänden arbeiten zu wollen und sich weiterhin mit Asterix, Obelix und den anderen zu beschäftigen. Das freut mich ungeachtet dieses Bandes ungemein, da so wenigstens die Chance zu Besinnung und Rehabilitation gegeben ist und man den Bruch mit den gängigen Asterix-Motiven und -Konventionen so in einem Folgeband (in vier, fünf Jahren) möglicherweise wieder neutralisieren und die Gemüter besänftigen kann. Sollte Uderzo dieser aufgekommenen Linie jedoch trotz aller Kritik treu bleiben, steht für mich bereits jetzt fest: Gallien ist auch ohne das Wirken kosmischer Mächte ernsthaft in Gefahr.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425195919c9948bb3
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Comic:

Gallien in Gefahr

Reihe: Asterix Bd. 33

Autor: Albert Uderzo

Verlag: Ehapa

Format: Hardcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3770400321

Anzahl Seiten: 48

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 15.10.2005, zuletzt aktualisiert: 18.02.2021 18:53, 1378