Gildenbrief 53
 
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Gildenbrief 53

Rezension von Karl-Georg Müller

 

Mit der vorliegenden Ausgabe hat Hans-Joachim Maier die Chefredaktion des Gildenbriefs übernommen, der zuvor 20 Ausgabe lang von Alexander Huiskes betreut wurde. Ich habe den Eindruck, dass der Übergang ohne einen Qualitätsverlust gemeistert wurde, was nicht so sehr verwundert, wenn man bedenkt, dass die „üblichen Verdächtigen“ der letzten Jahre das MIDGARD-Magazin auch weiterhin inhaltlich (sprich also: mit Beiträgen) stützen.

 

68 Seiten verbergen sich hinter einem elfisch angehauchten Circe-Cover von Larry Elmore; nach den jüngsten Publikationen rund um MIDGARD lässt sich der Eindruck gewinnen, dass Elmore in Deutschland einen eifrigen Abnehmer gefunden hat – und dem will sich mein Auge nicht unbedingt verschließen.

 

Den Schwerpunkt dieser Ausgabe im beachtlichen 20. Jahrgang bildet der 1. Teil eines Abenteuers, das im Norden Midgards, in Waeland, stationiert ist: „Durch Eis und Schnee.“ Der Titel ist Programm, was bei dem klimatischen Einfluss des EISes nicht verwundert, dessen Auswirkungen weite Teile der nördlichen Hemisphäre in seinen Klauen hält. Das Abenteuer für eine mittelstufige Gruppe der Grade 5 – 8 geeignet. Es profitiert davon, dass die Charaktere auf der nötigen Reise (ein Artefakt ist herbeizuschaffen) so ganz nebenbei Land und Leute kennen lernen und mit den Eigenheiten des unterkühlten Volkes konfrontiert werden. „Durch Eis und Schnee“ präsentiert zwar kein durch unerhört spektakuläre Einfälle überraschendes Geschehen, aber eine gut ausgearbeitete, stilvolle Geschichte, die in der Spielleitung ohne große Schwierigkeiten umzusetzen sein sollte.

 

Das Erscheinen des Küstenstaaten-Quellenbuchs wurde verschoben, liest man im Vorwort des Gildenbriefs. Warum das wichtig ist – weil nun wieder Materialien zu den Küstenstaaten und Valian im Gildenbrief veröffentlicht wird. Gleich zwei Beiträge wenden sich thematisch dem zu. „Das Fürstentum Vigales“ betrachtet das im Süden gelegene Gebiet auf fünf Seiten, einige eingeschobene Themenschnipsel wie „Die Klöster der Himmelsmutter“ vertiefen das Ganze. Trotzdem bleibt es natürlich in dem eingeschränkten Rahmen bei der Weitergabe von Stichworten, also beispielsweise Städtenamen und einer wichtigen Facette, die mit der Örtlichkeit verbunden ist.

 

„Orsamanca“ beansprucht ähnlich viel Platz im Heft und widmet sich der mit 65.000 Bewohnern sehr ansehnlichen Stadt am Meer der Fünf Winde. Dazu erhält der Leser einen anschaulichen Stadtplan, doch müssen die Beschreibungen auf einige markante Dinge reduziert bleiben: Glaube und Kult, Politik und Gesellschaft oder Wirtschaft und Handel – alles Themenangebote, über die ich gerne sehr viel mehr erfahren möchte.

 

Um einiges anwenderfreundlicher (und somit einsetzbar in einem Abenteuer) ist die Beschreibung „Ruaris Einkehr – ein albisches Gasthaus.“ Zwar ist auch dies nicht ausufernd im Umfang, aber das muss es nicht sein, wenn wie in diesem Falle alles Relevante im Beitrag enthalten ist. Hier passt es ganz gut, um ein solches Gasthaus einmal ohne viel Aufhebens als Zwischenstation einzubauen, der Spielleiter muss nicht allzu viele Akteure steuern: den jungen Wirt Ruari, sein Ehegespons Haldis und deren flügge Tochter Rowane. Das ist leicht zu handhaben, und wenn mit der Sippschaft noch eine etwas dunkle, aber durchaus humorvoll dargelegte Hintergrund-Geschichte verbunden ist, kann für einen knappen Abend nette Kurzweil auftauchen. Die Detailkarte dagegen enttäuscht ein wenig.

 

„Das Anwesen des Parfümhändlers Dion Senodidenes – Beschreibung eines palabrischen Anwesens und seiner Bewohner“ ist keineswegs so sperrig wie der Titel, sondern ein leicht lesbarer Rundgang des wohlhabenden Parfümhändlers. Vier kurze Abenteuervorschläge runden diese sehr ausführliche Arbeit ab, die bis in kleine Details geht und im Grunde spielfertig auf eine Einladung dorthin wartet. Genau dies sind kompetente Vorlagen für den Spielleiter, die er bei Bedarf ohne große eigene Zeitinvestition einsetzen kann.

 

Kleinere Beiträge wie „Der letzte Zeuge – Sitten und Gebräuche in Alba“ (ein sehr eigenwilliger Brauch, den jüngst Verstorbenen noch einmal zur Rede zu stellen ...), „Tegarische Fertigkeiten“ (wozu natürlich der Säbeltanz zählt) oder die regelmäßige Rubrik „Merkwürdig magisch“ (mit einer echten Heildecke, wie man sie hierzulande von Butterfahrten kennt – aber diese Decke wirkt wirklich Wunder!) vervollständigen beinahe den Gildenbrief.

 

Beinahe, denn für mich siedelt der Höhepunkt im Beitrag „Die Eogansfayre zu Deorstead – ein albischer Jahrmarkt“ von Bethina Maier. 11 Seiten wurden dafür reserviert, und keine Zeile davon ist vergeudet. Die interessanten Händler werden mit ausnahmslos ansprechenden, beinahe immer mit einem Augenzwinkern versehenen Darstellungen charakterisiert, jedem wird eine kleine Geschichte beigegeben, die ihn (oder sie) für den Jahrmarktsbesucher lebensecht werden lässt. Einer Beschreibung des Gegenübers, die vom Spielleiter im Grunde ohne weitere Ergänzung weitergegeben werden kann, folgen die markanten Attribute. Da sind natürlich freundliche Herrschaften dabei, die innerlich brodeln und gar nicht nett sind. Oder junges Weibsvolk, das gerne mit Diesem und Jenem schäkert.

 

Wer also bisher den Einkauf vor der Abreise als Frage-Antwort-Spiel gestaltete („Ihr brecht morgen auf, wollt ihr noch was einkaufen?“ „Ja, ich brauch noch ein Dutzend Picksepfeile und vierzig Pfund Pferdeleber.“ „Okay, hast du.”), sollte dafür doch einmal etwas mehr Zeit veranschlagen und den Gang über den Markt von Deorstead einplanen (okay, der Markt ist spezifisch für diese albische Stadt konzipiert, aber irgendwann verschlägt es jede Abenteurerbande nach Alba, und warum nicht den Markt ganz einfach zu einem anderen Termin statt Herbst in eine andere Stadt statt Deorstead verlegen?) Der Beitrag ist einfach toll geschrieben!

 

Gildenbrief 53 erfüllt die Erwartungen vollständig, die an ein Hausmagazin gestellt werden – eine Fülle in der Mehrzahl gut zu gebrauchender, nützlicher Beiträge, bei denen etliche ohne viel Eigenarbeit (Stichworte „Abenteuer, Gasthaus, Anwesen, Jahrmarkt“) in die eigenen Abenteuerepisoden eingebunden werden können. Es ist naturgemäß zwar so, dass nicht ad hoc ein jeder Text umgesetzt werden kann, doch der regelmäßige Gildenbrief-Leser (und welcher MIDGARD-Spieler ist das nicht?) sollte sich im Laufe der Zeit auf einen Fundus an guten, einsetzbaren Beiträgen zurückgreifen können, die zum einen zur Ergänzung vorhandener Quellenbücher dienen (hierzu gehört Alba), zum anderen aber gerade den Appetit auf noch fehlende Quellenbücher anregen (und dazu gehören die Küstenstaaten).

 

Der Standard-Satz zum Schluß: Für MIDGARD-Spieler und –Spielleiter ist der Gildenbrief immer empfehlenswert (ich würde lieber sogar sagen: unabdingbar), Gildenbrief 53 stellt keine Ausnahme dar.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240426122128ad0a0f55
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Gildenbrief 53

Herausgeber: Elsa Franke, Verlag für F&SF-Spiele

Euro: 3,95

Softcover

Erhältlich bei: Verlag für F&SF-Spiele, Stelzenberg

Erhältlich bei: Pegasus

 


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Erstellt: 11.07.2005, zuletzt aktualisiert: 27.01.2015 19:52, 543