Happy Valley – in einer kleinen Stadt, Staffel 1
Rezension von Christel Scheja
Wenn die Briten eines beherrschen, dann ist es die Kunst dem Krimi-Genre immer neue Facetten zu verleihen und trotz ähnlicher Fälle nicht langweilig zu werden. Mehr denn je setzen die Macher deshalb nicht nur auf kauzige Figuren, sondern auch ein ungewöhnliches Setting. Das merkt man auch der preisgekrönten Serie „Happy Valley – in einer kleinen Stadt“ an, die hierzulande in den dritten Programmen lief.
Die Kleinstadt in West Yorkshire, in der Catherine Cawood ihren Dienst bei der Polizei tut, ist wirklich kein harmloses und verschlafenes Örtchen. Die Zeit als Kommune der Hippie-Bewegung haben ihre Spuren hinterlassen. Noch immer sind die unter Alkohol- und Drogeneinfluss begangenen Delikte in der Überzahl sind und schon Kinder in der Schule davon abhängig sind oder gar ein Kind erwarten.
Die Polizistin hat selbst gerade erst einen Schicksalsschlag überwunden, musste sie doch vor ein paar Jahren miterleben, dass ihre Tochter nach einer brutalen Vergewaltigung, durch die sie schwanger wurde, Selbstmord beging, nachdem sie ihren Sohn auf die Welt gebracht hatte – Ryan, um den sich die Großmutter seitdem kümmert.
Dementsprechend reagiert sie auch, als ausgerechnet der Mann frei kommt, den sie dafür verantwortlich macht. Tommy Lee Royce wird vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen und das macht sie rasend. Sie beschließt, ihn wiederzufinden und mit allen vorhandenen Mitteln seine Schuld zu beweisen, auch wenn sie Kollegen und Polizeipsychologe davor warnen, zu viele Grenzen zu überschreiten.
Und sie scheint irgendwie recht zu behalten, denn schon bald taucht sein Name im Zusammenhang mit einem Entführungsfall auf, der deutliche Parallelen zu dem Schicksalsschlag aufweist, den sie selbst durchmachen musste. Und das treibt sie noch tiefer in ein Geflecht aus Lügen und Intrigen, Schmerz und Gewalt, aus dem nur schwer zu entkommen ist.
Der Titel mag über den wahren Inhalt der Serie hinweg täuschen, denn „Happy Valley“ ist kein Ort, in dem jeder nett zueinander ist, eher im Gegenteil. Das weit Catherine nur zu genau, deshalb sieht sie dem Treiben der Drogensüchtigen und Alkoholabhängigen mit nüchternem Pragmatismus zu, beschönigt nichts und benutzt genau die Sprache, die schon die Jugendlichen am Besten verstehen, Zynismus und manchmal auch Gewalt.
Denn sie selbst hat jegliche Träume und Hoffnungen verloren, seit ihre Tochter sich umgebracht hat, das andere Kind seit Jahren nicht mehr mit ihr spricht und ihr Enkel der lebende Beweis für die Tat ist, die ihre Familie zerstört hat. Ihr Hass aber richtet sich gegen jemand anderen – deshalb beginnt sie mit verbissenem Fanatismus zu handeln, als ein Mädchen entführt wird und diesem unter Umständen das gleiche passieren könnte, wie einst ihrer Tochter.
Die Serie mag zwar schon früh offen legen, wer in diesem Fall Täter und Opfer sind, verliert aber trotzdem nicht die Spannung, da sie sich mehr auf das Gefühlsleben der Figuren konzentriert. Vor allem die Polizistin steht im Mittelpunkt. Eigentlich kennt sie die Regeln und sollte Vorbild sein, aber das ist nun einmal nicht leicht.
Die Serie ist in dunklen und schmutzigen Farben gehalten, nur selten durchbricht Licht das triste Grau, das über allem liegt. Die Macher scheuen sich auch nicht, die Dinge beim Namen zu nennen, auch Gewalt wird immer dann eingesetzt, wenn alles andere unglaubwürdig wäre.
Ermittler und Täter sind durchweg gebrochene Menschen, teilweise am Ende ihrer Kraft, die nur mühsam die Maskerade aufrecht erhalten, die sie gegenüber ihrer Umwelt zeigen müssen, was sie unberechenbar macht. Und da man so nie weiß, was sie als nächstes tun werden, weiß die Serie zu fesseln. Und sie endet mit einem runden, glaubwürdigen Abschluss, den man den Figuren wirklich wünscht.
Bild und Ton sind auf der Höhe der Zeit, Extras gibt es allerdings keine, was ein wenig bedauerlich ist, da es sicherlich interessant gewesen wäre, mehr über die Entstehung und Konzeption der Geschichte zu erfahren.
Fazit:
„Happy Valley“ ist ein Muss für alle Krimi-Fans, die es nicht mehr länger nur gediegen, sondern ruhig auch ein wenig härter und düsterer mögen, ohne dass dabei der Bezug zur Wirklichkeit verloren geht. Mit ihrer stimmigen Atmosphäre, den vielschichtigen Charakteren und deren nachvollziehbaren Motiven weiß die Serie genau diesen Nerv zu treffen und macht trotz des runden Endes Lust auf weitere Geschichten „In einer kleinen Stadt“.