Hereditary – Das Vermächtnis
Filmkritik von Cronn
Wenn Filme bereits im Vorfeld ihres Erscheinens mit Vorschusslorbeeren überschüttet werden, ist Vorsicht angesagt. Nicht selten sind diese Streifen lediglich gehypte Versionen altbekannter Muster, die lediglich in neuem Gewand daherkommen und für sich behaupten, Avantgarde zu sein.
Mit Hereditary ist nun ein Horrorfilm erschienen, der auf dem Sundance-Filmfestival bereits für Furore gesorgt hat. Das Debut des Regisseurs Ari Aster hat dadurch hohe Aufmerksamkeit bei Horrorfilm-Enthusiasten auf der ganzen Welt erreicht.
Aber ob der Film die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen kann?
Verlagsinfo:
Familie Graham führt ein beschauliches Leben: Annie (Toni Collette) ist eine liebevolle Mutter und lebt zusammen mit ihrem Mann Steve (Gabriel Byrne) und ihren beiden Kindern Peter (Alex Wolff) und Charlie (Milly Shapiro) etwas abgelegen am Waldrand. Als Annies Mutter Ellen, das Oberhaupt der Familie, stirbt, muss sich die Familie mit mysteriösen und grauenhaften Ereignissen auseinandersetzen. Nach und nach kommen die furchterregenden Geheimnisse ihrer Ahnen ans Licht. Für Annie, Steve, Peter und Charlie beginnt plötzlich ein Wettlauf gegen ihr dunkles und unheilvolles Schicksal, welches ihre Ahnen ihnen hinterlassen haben …
Kritik:
Um den Film am besten genießen zu können, sollte man möglichst wenig Konkretes über die Handlung wissen. Aus diesem Grund werde ich hier vermeiden, jegliche klaren Handlungsschritte im Detail zu nennen und verbleibe im Ungefähren, Nebulösen.
Der Film beginnt sofort mit einem inszenatorischen Kniff. Der langsame Kameraschwenk durch einen Raum, worin ein Miniaturhaus steht, wird anschließend mit einem Zoom in das Schlafzimmer des Miniaturhauses beendet, worin der Sohn der Familie schläft. Diese Verbindung von realem Inhalt mit irrealer Situation verstört. Und Verstörung ist ein großer Teil dessen, was den Horror von »Hereditary« ausmacht. Mehr und mehr zeigen die Szenen Verstörendes. Der Zuschauer wird eingewoben in ein Netz aus Merkwürdigkeiten, das dann mittels eines Schocks abrupt unterbrochen wird, nur um anschließend wieder aufgegriffen zu werden. Erst am Ende lösen sich die Verstrickungen auf und der Film kulminiert in einer der brillantesten Szenenfolgen im Horrorfilm der letzten Dekade.
Ari Aster schafft eine bedrohliche, bizarre Atmosphäre und das mit wenigen Mitteln. Ein großes Plus sind die Schauspieler, die hier Großartiges leisten. Allen voran ist Toni Collette zu nennen, deren Minenspiel absolut überzeugend ist, gerade wenn sich das Grauen in ihr Herz schleicht, zeigt die Schauspielerin das vollkommen grandios in ihrem Gesicht. Auch Alex Wolff als Sohn der Familie darf zeigen, welch schauspielerisches Können in ihm steckt, wenn er mit leerem Blick in die Kamera starrt. Gabriel Byrne hat hier wenig zu tun und leistet lediglich soliden Durchschnitt, wohingegen Milly Shapiro als jüngstes Kind Charlie auf grandiose Weise emotional dysfunktional spielt.
Wo andere Horror-Filme in einem Action-Finale kulminieren und somit auf dramaturgischer Ebene scheitern (siehe Conjuring und Konsorten), wird von Ari Aster das Grauen behutsam auf die Spitze getrieben, ohne den Zuschauer aus der Denkaufgabe der Interpretation des eben Gesehenen zu entlassen. Und das macht den Film zu einem intellektuell anspruchsvollen Horrorstreifen.
Fazit:
»Hereditary« ist ein sehr gelungener Horrorfilm, der mit Langsamkeit und Aufmerksamkeit inszeniert wurde, dabei nie das große Ganze aus dem Blick verliert und dennoch den einzelnen Charakteren genügend Zeit zum Entfalten bietet.
Ob er der beste Horrorfilm der Dekade ist, muss sich noch zeigen. Aber dass er zu den best inszenierten Horrorfilmen der letzten Jahre gehört, ist zweifelsfrei.
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