Hypnos (DVD; Horror; FSK 16)
Rezension von André Vieregge
Hypnos ist in der griechischen Mythologie der Gott des Schlafes und der Herr über die Träume. David Carreras nimmt in seinem gleichnamigen filmischen Debüt den Zuschauer mit auf eine Reise durch das unbewusste Reich des Unterbewussten. Auf der Suche nach dem Faden der Ariadne lässt er seine Protagonistin durch ein Labyrinth verdrängter Realitäten sowie hypnotischer Suggestionen irren und erschafft dabei einen verstörenden Psycho- Thriller.
Bereits der erste Arbeitstag der jungen Psychologin Beatriz Vargas (Cristina Brondo) offenbart, dass hinter den Mauern der Nervenheilanstalt ungewöhnliche Dinge vor sich gehen. Sie wird Zeugin einer Hypnosesitzung, in der einer jungen Patientin suggeriert wird, sich die Pulsschlagadern zu öffnen, um endlich ausruhen zu können. Wenig später wird das Mädchen tot aufgefunden. Doch sie war weder das erste Opfer, noch wird sie das letzte sein.
Der gewalttätige Miguel (Demian Bichir) raunt Beatriz zu, dass es sich dort nicht immer um Selbstmorde handelt. Er gibt vor, als verdeckter Ermittler in der Anstalt tätig zu sein, um die ungewöhnlich hohe Zahl von Todesfällen aufzuklären. Dr. Sanchez- Blangh (Feodor Atkine), der leitende Arzt, erklärt jedoch, dass all dies ein Teil seiner Heilmethoden sei. Für Beatriz beginnt ein Spießrutenlauf zwischen Traum und Realität. Welche Rolle spielen der finstere Dr. Zaballa (Carlos Lasarte), die undurchschaubare Schwester Elena (Marisol Membrillo) oder der schweigsame Ulloa (Julian Villagrán), der in seinen Zeichnungen alle zukünftigen Selbstmorde bereits zu kennen scheint?
Hin- und hergerissen zwischen der Bitte Miguels, die Morde mit ihm aufzuklären und der väterlichen Fürsorge Dr. Sanchez- Blanghs, ahnt Beatriz nicht, dass sie allein die Verbindung zwischen allen Menschen in der Anstalt darstellt. Doch je weiter sie vordringt, desto schrecklicher werden ihre Visionen, bis sie schließlich nicht mehr weiß, ob sie Arzt oder Patient ist.
„Die Erinnerung wird permanent mit unserer Fantasie und unseren Träumen vermischt. Letzten Endes machen wir aus jeder Lüge eine Wahrheit.“ Aus dieser These spinnt David Carreras seine feinsinnig konzipierte Handlung um die Abgründe der Psyche. Hypnos präsentiert sich ebenso undurchschaubar, verworren und zum Teil erschreckend, wie eine Reise durch das menschliche Unterbewusstsein sein muss. Denn um nichts anderes geht es. Erst der zweite Blick offenbart die tiefgründige Motivation jeder Szene, jeder Kulisse, beinahe eines jeden Bildes. Die Nervenheilanstalt mit ihren Festungsmauern, dem sterilen Inneren, sowie den verwirrenden Gängen und Treppen ist die metaphorische Darstellung einer Psychose. Keine Aussage, kein Effekt ist ohne Bedeutung.
Den Tribut dieses interpretationsintensiven Aufbaus zollt der Film seiner vordergründige Verständlichkeit. Zahlreiche abrupte Schnitte, blitzartige Einblendungen und beständige Vermischungen von scheinbar realen und traumartigen Sequenzen, sorgen für das ein oder andere Stirnrunzeln. Dennoch werden Schnitt und Kameraführung der gestellten Aufgabe zu jeder Zeit gerecht. Phantasievolle Blenden schüren die verstörende Atmosphäre. Die nicht minder psychedelische Musik unterstützt optische Wirkung gekonnt, wenn sie auch vereinzelt zu sehr in den Vordergrund tönt. Den guten filmtechnischen Eindruck trüben die billigen, zumal nicht zwingend notwendigen Computeranimationen zu Beginn.
Die recht unbekannte Cristina Brondo spielt ihre erste große Hauptrolle sicher und überzeugend, wenngleich sie, allerdings nicht unmotiviert, beinahe mehr nackt als bekleidet im Bild ist. Flankiert von alten Hasen wie Feodor Atkine und Carlos Lasarte entsteht eine stimmige schauspielerische Leistung. Einzig Demian Bichir durchbricht den guten Gesamteindruck der hypnotischen Besetzung.
„Jeder Arzt und jeder Patient muss am Ende seinen eigenen Weg finden.“ Die Aussage Sanchez- Blanghs kann nicht nur Beatriz, sondern auch für den Zuschauer Geltungsanspruch erheben. Ebenso wie der Protagonisten, kann auch ihm die Rollenverteilung von Hypnos buchstäblich vor des Verstandes Augen verschwimmen. Der Film glänzt zweifellos durch eine gelungene Zusammenführung seiner Handlungsstränge, allerdings wird die Geduld des Rezipienten, bis es soweit ist, lange auf die Probe gestellt. Einige seichte Thrill- Effekte sollen den Weg verkürzen, doch es bleiben immer wieder langatmige Durststrecken zurück. Hypnos erschafft eine ähnliche Atmosphäre wie The Machinist, die durch ihre Kälte und bewusste Künstlichkeit einen steten Schauer evoziert. Auch im Weiteren ähnelt die psychologische Grundstruktur an Brad Andersons Thriller. Davis Carreras überzeugt jedoch durch ein dichteres metaphorisches Netzwerk, dessen Bilder und Dialoge häufig erst beim zweiten Ansehen richtig verstanden und ihrer Feinsinnigkeit gerühmt werden können.
Fazit: „Ich werde jetzt bis drei zählen. Dann wachst Du auf und siehst Dir diesen Film an. Eins... zwei... drei...“