In den Dschungeln Meridianas
 
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In den Dschungeln Meridianas

Rezension von Karl-Georg Müller

 

Der voluminösen Band „Geographica Aventurica“ war sehr allgemein der gesamten aventurischen Welt vorbehalten. Mit „In den Dschungeln Meridianas“ liegt das erste Hardcover vor, das sich auf seinen 212 Seiten in einem solide gebundenen Buch – mutmaßlich ein Garant für Haltbarkeit trotz des papierzermürbenden Blätterns eifrig nach Informationen suchender Spielleiterhände – Al’Anfa und dem tiefen Süden widmet. Ein wenig umständlich wird ein solches Quellenbuch „Regionalspielhilfe“ betitelt, sicherlich ein wenig einprägsamer Begriff unter Rollenspielern.

 

Viel mehr einprägen werden sich die einzelnen Themenbereiche, durch die der Leser Bekanntschaft mit der – vielleicht unbekannten, vielleicht aber auch bereits durch die vorhergehende Regionalspielhilfeschachtel „Al’Anfa und der Tiefe Süden“ geläufigen – Gegend südlich der einstigen Kaiser-Debrek-Linie, dem ehemaligen Vizekönigreich Meridiana, schließen wird.

 

Dabei entspricht der strukturelle Aufbau des Bandes den Erwartungen, denn die Betrachtungen starten mit einem Exkurs in die geographischen Gegebenheiten. Das sind natürlich alles Informationen in sehr komprimierter Form, aber durchaus ausreichend für einen ersten Eindruck der Landschaft – und der Fauna und Flora, wird auch hier auf Relevantes (besonders interessant sind ja immer die eher außergewöhnlichen Details wie tödliche Pflanzen, die sich im brodelnden Süden naturgemäß in einer erstaunlichen Vielfalt präsentieren) geachtet und dargestellt.

 

Eingeschobene Beiträge wie „Überleben im Regenwald“ stellen zudem eine nützliche Ergänzung dar, um auch hierin erste Tuchfühlung mit dem Ambiente aufzunehmen, in das man sich begibt. Vieles weiß man irgendwie, aber es ist wichtig, dies in konzentrierter Form und auf das Regelwerk abgestimmt nachschlagen zu können. (Und ich kenne zur Genüge diese pseudo-weltgewandten Spieler und Spielleiter, die auf solche Infos gut verzichten können, weil „ich einen Freund habe, der einen Pfadfinder kennt. Außerdem hab ich selbst schon mal fast am Amazonas campiert.“)

 

Die „Geschichte des Südens“ erstreckt sich über beinahe 20 Seiten. Nun ja, muss wohl sein, aber gerne lese ich solches wie „etwa ab 2800 v.BF erblühte unter Peri I. die auf der alemitischen Halbinsel errichtete Hochkultur des Kemi-Reiches (begründet von dem mythischen König Kacha)“ nicht. Selten ist es für ein Rollenspielabenteuer von Bedeutung, ob König Kacha für die Kemi-Kultur nun wahrhaft verantwortlich ist oder nicht doch eher dafür sorgte, dass im Königshof der just gelieferte Sack Reis umkippte.

 

Für diese trockene Wissensvermittlung wird man aber sogleich entschädigt: „Al’Anfa – Stadt und Imperium“ warten auf die Erforschung. Sehr schön sind die Beschreibungen, wenn auch wegen der schieren Größe Al’Anfas mit seinen 85.000 Einwohnern nur facettenartig offenbar wichtige Örtlichkeiten und Personen herausgepickt werden. Was mir besonders zusagt ist, dass diese Darstellungen sehr anschaulich, beinahe romanhaft zu lesen sind. Das ist trotz des im Vordergrund stehenden Transports von Sachinformationen bei einem Quellenbuch jedenfalls für mich ein wesentliches Kriterium, damit diese gedrängte Fülle an Ausführungen nicht langweilig, sondern interessant, halt lesbar ist.

 

Nicht sehr viel anders stellt sich das Kapitel „Leben und Kultur in Al’Anfa“ dar, in dem wichtige Aspekte wie „Flotte und Heer“ und „Macht und Mächtige“, gleichwohl aber auch dem ersten Anschein nach zweitrangige Themen wie „Essgewohnheiten“ berücksichtigt werden. Dabei sind gerade diese eher marginalen Berichte die interessanteren, entdeckt man dort doch unscheinbare Rubriken wie „Aus der Meuchlerwerkstatt“, Ideenschnipsel nur, die aber durchaus einmal Anreiz für eigene Ausarbeitungen sein können. Hier wie auch in den übrigen Kapiteln werden, das sei zwischendurch bemerkt, im positiven Sinne weitschweifige Informationen unter der Überschrift „Für den eiligen Leser“ noch einmal zusammengefasst.

 

Sehr viel Raum, und dies zu Recht, wird „Die Städte des Südens“ und dem ähnlich aufgebauten Kapitel „Die Inseln des Südens“ eingeräumt. Gerade für Spielerpersönlichkeiten, die über eine Stippvisite hinaus Land und Leute kennen lernen möchten, verbergen sich hinter Einzelthemen wie „Tagesablauf“ oder „Vergnügungen“ genau die Hinweise, um nicht wie der Elefant im Porzellanladen durch die Gassen Ghurenias zu trampeln und sich als Fremde zu erkennen zu geben. Die nachfolgenden Erklärungen zu den Ortschaften sind natürlich im Rahmen eines umfassenden Quellenbuches nicht sehr ausführlich, doch enthalten sie immer auch aufschlussreiche Details, durch die sich jede Stadt oder jedes Dorf von den übrigen unterscheiden mag. Das alles reicht aus, um auf dieser Grundlage seine eigenen Ideen einzubauen oder mit Hilfe der vorhandenen Al’Anfa-Abenteuerbände eine stimmungsvolle Geschichte auszugestalten.

 

Zum nächsten Kapitel so viel: das ist zuwenig! Mit dem Stoff zu „Piraten, Freibeuter, Korsaren und Seeräuberei“ lassen sich dicke Bücher füllen und ausufernde Filme drehen – aber doch bitte schön mehr als sieben magere Seiten belegen. Diese südländischen Piraten scheinen ja rechte Hungerleider zu sein, Skorbut gepeinigt, dass derart dünn über sie berichtet wird. Das ist weder Fisch noch Fleisch …

 

Da erstaunt es im Vergleich doch, dass es bei den „Waldmenschen und Utulus“ zu 30 satten Seiten gereicht hat. Richtig, die Waldmenschen sind wichtig und ein wesentliches Element des Bandes, zudem überzeugt das Waldmenschen-Kapitel durch fundiert geschriebene Komponenten zum Hintergrund. Auch passen einmal mehr die Schwarz-Weiß-Illustrationen oder das Bild zu den Wohnstätten sehr gut zum Thema. Insgesamt - und wegen der Ausführlichkeit – ein schön zu lesender Beitrag. Und deshalb lobenswert - und natürlich nicht entbehrlich.

 

Zum Ende des Quellenbuches hin dürfen Anmerkungen zu den speziellen Professionen wie Fischer, Waldmenschen-Stammeskrieger oder Rattenfänger (nun ja, nicht unbedingt mein Traum einer Spielfigur …) nicht fehlen. Hinzu kommt ein Abschnitt über „Persönlichkeiten und Mächtegruppen Al’Anfas“ mit einigen obligaten Konterfeis. Seinen Abschluss findet das Buch mit den „Mysterien“, die den einen oder anderen Initialgedanken für eigene Abenteuer bringen kann. Dabei hinaus stecken in einer Innentasche noch Farbkarten und Stadtpläne in der DSA-üblichen Qualität.

 

Das Quellenbuch „In den Dschungeln Meridianas“ ist nicht alleine deshalb den eingehenden Blick wert, weil sich DSA endlich weiter von dem Spieleschachtel-Wahn emanzipiert und dem Verlangen der Händler nach stapelbaren Boxen nicht länger nachgibt (womit sich auch der urdeutsche Unsinn ausdrückt, alles in bestimmte Schubladen schieben zu können, was mit einer normierten Schachtel natürlich viel einfacher ist als mit einem sperrigen Buch). Mehr noch gefällt das gesammelte Wissen auf nicht einmal engem Raum (abgesehen von der dünnen Piratensuppe), das in seinen besten Ausprägungen anschaulich geschrieben und mit Genuss zu lesen ist. So sollte ein Quellenbuch ausschauen, das den Drahtseilakt zwischen Nachschlagewerk und Erzählband meistern will, um nicht das Durcharbeiten zu einem mühsamen Arbeitsakt werden zu lassen.

 

Eine Empfehlung also? Natürlich – mit der Einschränkung, dass Besitzer der diesem Quellenbuch zugrunde liegenden Box „Al’Anfa und der Tiefe Süden“ nicht sehr viel Neues erfahren, sondern viele begründete Déjà-vu-Momente haben werden. Für diese bereits bediente Zielgruppe wird es eine nachhaltige Überlegung sein – und ein tiefer Blick in den Geldbeutel -, ob der Kauf unerlässlich ist.

 

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Hinweis:

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH,

www.fanpro.com und www.f-shop.de

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404260524459d58875c
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In den Dschungeln Meridianas

System: DSA

Verlag: FANPRO

Produkttyp: DSA (Das Schwarze Auge)

Warengruppe: DSA: Boxen/Hintergründe/Regeln

Hardcover, 212 Seiten

Preis: Euro 25,00

ISBN: 389064290X

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 14.07.2005, zuletzt aktualisiert: 30.01.2015 21:40, 587