In großen Wassern von Kit Whitfield

Rezension von Christel Scheja

 

Die britische Autorin Kit Whitfield wuchs in London auf und studierte an einem College in Cambridge Literaturwissenschaften, erwarb ihren Master im kreativen Schreiben. So ist es nicht verwunderlich, dass sie die Schriftstellerlaufbahn einschlug. In Deutschland erschien bisher nur ihr paranormaler Thriller Wolfsspur. Mit „In grossen Wassern“ wagt sie sich nun in ein ganz anderes Genre.

 

Vor gut fünf Jahrhundert schlossen die adligen Häuser von Venedig einen Pakt mit den in der Tiefe des Meeres lebenden Wesen und vermischte sich mit ihnen. Seitdem ist es für die Herrscher sehr wichtig, Tieflingsblut vorweisen zu können, denn nur so hat der Pakt auch weiterhin bestand, der die sichere Seefahrt ermöglicht. Allerdings sind mit der Zeit die Regeln aufgeweicht und inzwischen begegnen sich die Völker nur noch mit Misstrauen und Vorsicht – sexuelle Verbindungen sind eigentlich verboten.

Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Seeleute mit Meeresfrauen in gewaltsamen Begegnungen Bastarde zeugen. Da das Blut dieser Kinder frisch und stark ist, stellen sie eine Bedrohung für die Herrscherhäuser der Welt dar, in denen die Kraft der Tieflinge nur noch schwach ist und durch Inzucht zu Deformationen geführt hat.

So werden die Mischlinge, die von ihren Müttern an der Küste ausgesetzt werden, regelmäßig zu einem Spielball in den Händen intriganter Politiker, die sich selbst an die Spitze des Reiches setzen wollen.

Das ist auch bei Henry der Fall. Von seiner Mutter mit fünf Jahren ausgesetzt, wird der Mischlingsjunge von einer Gruppe von Menschen aufgenommen und in voller Absicht aufgezogen, damit er eines Tages die schwache Herrscherfamilie ersetzen kann. Denn die Erben des alten Königs sind entweder schwachsinnig oder Frauen.

Doch niemand ahnt, dass in der jungen Anne eine Prinzessin heranwächst, die nicht dazu bereit ist, sich zum Spielball von Intrigen oder zum Heiratsobjekt machen zu lassen. Mit ihrem wachen Verstand wird sie bald zur wichtigsten Verbündeten, die Henry und seine Hintermänner haben.

 

Die Idee eines alternativen Europa, in dem sich die Menschen mit Wasserbewohnern verbündet haben, die man aus dem Mythen nur als Nixen kennt, ist sehr interessant und liest sich anfangs auch sehr spannend und vielversprechend, gerade als Henry noch bei seinem Meeresstamm lebt.

Allerdings verfliegt der Eindruck recht schnell, wenn sich die Handlung an Land verlagert. Die Autorin orientiert sich sehr an den Rosenkriegen ohne diese jedoch zu kopieren und spielt mit den einzelnen Intrigen der verschiedenen Lager. Sie greift sich leider immer nur kleine Handlungsmuster aus dem Ganzen heraus und bringt diese nicht wirklich in einen gelungenen Zusammenhang. Das Beziehungsgeflecht wirkt dadurch ziemlich konstruiert, die Probleme lösen sich inklusive des Showdowns immer wieder viel zu schnell in Wohlgefallen auf und werden nicht wirklich zu einer Bedrohung..

Dazu kommt, dass man nicht wirklich Anteil an den Erlebnissen von Anne und Henry nimmt. Beide werden sehr distanziert geschildert. Es mag sein, dass die emotionale Kälte, die beide ausstrahlen zu ihrem Mischlingsblut passt – den Leser spricht es allerdings nicht an und das Interesse, ihrem Schicksal zu folgen erlischt ebenso rasch.

Die Nebenfiguren bleiben zudem durchweg blass, sie sind leider nicht viel mehr als Namen und Gestalten, die beliebig ausgetauscht werden können.

Dementsprechend bleibt auch die Spannung im ganzen Buch eher moderat, auch wenn das Buch selbst keine Längen hat, da es sehr flüssig geschrieben ist.

 

Alles in allem besitzt In großen Wassern zwar interessante Ideen, diese werden aber leider nicht spannend und mitreißend genug umgesetzt, um den Leser zu fesseln. Auch die Intrigenspiele sprechen nur wenig an, da sie zu konstruiert wirken.

 

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