Interview: 7 Fragen - 7 Antworten : Hermann Urbanek - Der Marktbeobachter
 
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7 Fragen – 7 Antworten : Herman Urbanek – Der Marktbeobachter

Redakteur: Michael Schmidt

 

Fantasyguide: Hallo Herr Urbanek. Stellen Sie sich doch unseren Lesern einmal vor!

 

Hermann Urbanek: Schönen Tag allerseits! Zuallererst herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Interview! Mein Name ist Hermann Urbanek. Ich bin Jahrgang 1948, nähere mich also (viel zu schnell) dem 60er und (viel zu langsam) dem einige Jahre darauf geplanten Ruhestand. Nach der Matura/dem Abitur studierte ich einige Semester Physik und Mathematik an der Uni Wien, seit 1973 bin ich für eine Handelsfirma, die medizinisch-technische Produkte vertreibt, im Außendienst tätig. Und seit 26 Jahren bin ich mit der besten und geduldigsten Ehefrau von allen verheiratet, die meine Freizeit raubenden Hobbytätigkeiten zwar nicht goutiert, aber toleriert. Mein großes Hobby ist seit frühester Jugend das Lesen, wobei ich mich nach einer Karl-May-Phase speziell für die „Zukunftsgeschichten“ zu interessieren begann. Zur SF stieß ich Ende der 50er Jahre einerseits durch die Comics dieser Zeit wie FULGOR, NICK und besonders METEOR sowie die einschlägigen Heftreihen, die damals auf dem Markt waren, wie UTOPIA KLEINBAND, URANUS und dann auch TERRA. Als bekennender „Rhodanist“ bin ich auch einer der immer seltener werdenden Leser der ersten Stunde. Mitte der 60er Jahre begann ich dann mit dem Horten aller mir zugänglichen SF-Reihen und Serien und weitete mein Interessensgebiet später auch auf Horror und Fantasy aus, und das auch in den anderen Medien. Da mich nicht nur die Lektüre an sich faszinierte, sondern ich mich auch für die Personen hinter den Texten interessierte, begann ich schon frühzeitig mit dem Aufbau einer Datensammlung und der Jagd nach Sekundärliteratur, auch fremdsprachiger, was damals ungleich schwieriger war als heute und sich für meine späteren Arbeiten an Lexika und dergleichen als extrem wichtig erwies. So waren meine ersten professionellen Veröffentlichungen auch erste deutsche Bio- und Bibliografien renommierter Autoren in den Leserkontaktseiten von TERRA ASTRA. Danach folgte die Mitarbeit an diversen SF-Periodika, vom PERRY RHODAN MAGAZIN bis zur SPACE VIEW, und Sekundärbüchern, wie dem CORIAN-Lexikon, dem „Lexikon der Horrorliteratur“, dem „Lexikon der Fantasy-Literatur“, „Magira“ und Heynes „SF-Jahr“. Im Fandoms-Bereich bin ich seit ewigen Zeiten aktiv: Für ANDROMEDA-NACHRICHTEN, das News-Magazin des SCIENCE FICTION CLUB DEUTSCHLAND e.V., berichte ich seit 1975 regelmäßig über die diversen Verlags- und Autorenaktivitäten. Weitere Hobbys, zu denen ich aber viel zu selten komme, sind Comics und einschlägige TV-Serien.

 

Fantasyguide: Sie verfassen die Marktberichte für das „SF Jahr“ bei Heyne und für „Magira“, das Jahrbuch für Fantasy aus dem Hause Follow. Woher bekommen Sie die Daten?

 

Hermann Urbanek: Was die Informationen über Neuerscheinungen betrifft, auf die in den Markt- und Szeneberichten hingewiesen wird, so entstammt ein Großteil davon den offiziellen Verlagsvorschauen, und zwar denen, die an Buchhandel und Presse gehen und um einiges ausführlicher sind. Sie bilden sozusagen das Gerüst. Ergänzt bzw. mit Fleisch gefüllt wird dieses durch Recherchen. In der Prä-Internet-Ära erfolgten diese Recherchen in erster Linie durch Telefonate, die mir nicht selten Rechungen von 1.000 DM und mehr pro Monat bescherten, aber mir war und ist Aktualität schon immer ein Anliegen, und diese war anders nicht zu erhalten. Hier waren und sind mir natürlich die langjährigen Kontakte zu allen Verlagen, die Phantastik im Programm haben, eine fast unersetzliche Hilfe, weil man so an Informationen herankommt, die einem sonst verschlossen bleiben würden, bisweilen auch an solche, über die man Stillschweigen bewahren muss, die aber als Hintergrundinformation für ein besseres Verständnis so mancher Entwicklungen überaus hilfreich sind. In den letzten Jahren sind dank Internet die Telefonkontakte auf ein Minimum gesunken, an ihre Stelle sind E-Mails und Internet-Recherche getreten. Das ist eine ziemlich zeitaufwändige Sache, bei der ich oft stundenlang hinter dem Computer sitze. Da bin ich froh, dass mein Provider nicht nach Zeit abrechnet sondern mit einer moderaten Monatspauschale alles abgedeckt ist. Bisweilen finde ich auch Informationen und Hinweise auf bislang unbekannte Novitäten in den diversen Newslettern, die ich abonniert habe – wobei hier vor allem phantastik-news.de zu erwähnen wäre – und auch in kleineren Print-Magazinen, wie ELFENSCHRIFT oder SCHREIBLUST-PRINT. Die Tabellen und Aufstellungen erarbeite ich auf Grundlage meiner Literatur-News. Seit dem „SF-Jahr 1988“, in dem ich das erste Mal über die deutsche SF-Szene berichtet habe, führe ich Monatslisten über alles, was so in deutsch(sprachig)en Landen in Sachen SF, Fantasy, Horror oder Phantastik publiziert wird. Sie bilden dann die Grundlage für die Jahreszusammenstellungen und -vergleiche und werden auch ergänzt, sollte ich zu einem späteren Zeitpunkt noch auf den einen oder anderen Titel stoßen, der mir zuvor durch die Lappen gerutscht ist.

 

Fantasyguide: Neben den Jahresberichten betreuen Sie die Bücherecke in der Zeitschrift „Space View“. Nach welchen Kriterien wählen Sie die vorgestellten Bücher aus? Und welche Möglichkeiten haben Verleger und Autoren, in dem diese Sie direkt ansprechen?

 

Hermann Urbanek: Ich bin in der glücklichen Lage, bei der inhaltlichen Gestaltung und der Auswahl der in der „Book View“ präsentierten Bücher völlig freie Hand zu haben. Einzige Beschränkung oder Vorgabe von Verlagsseite ist der Umfang, der durch eine Doppelseite limitiert ist. Eine Vorgabe, die ich mir selbst gestellt habe und bei der ich die Chefredaktion voll und ganz hinter mir weiß, ist, dass nur Empfehlungen ausgesprochen werden und es keine Verrisse gibt. Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl ist die Berücksichtigung der Zielgruppe, der Leserschaft. Beim Studium der Kataloge und Vorschauen kommen bereits erste Titel in die engere Wahl, die wegen der Thematik oder des Autors oder auch weil der Titel bei seiner Erstveröffentlichung in den USA oder anderswo extrem gut angekommen ist, in Frage kommen. Ergänzt wird das dann durch Titel von Klein- oder Spezialverlagen sowie auch entweder automatisch zugeschickte oder speziell angeforderte Titel von Kleinstanbietern, semiprofessionellen Titeln oder BoD-Publikationen. Diese werden zunächst einmal angelesen und kommen nach einer positiven Prüfung ebenfalls auf den Auswahlstoß. Es ist mir dabei auch ein persönliches Anliegen, einerseits neue talentierte Autoren vorzustellen und andererseits in jeder „Book View“ einen interessanten Mix zu bringen – einen Mix aus neuen und bereits bestens bekannten, aus deutschsprachigen und ausländischen Autoren, aus Originalen, deutschen Erstveröffentlichungen und Klassikern in Neuauflage, aus Erwachsenenliteratur und Jugendbüchern, aus Romanen, Anthologien, Erzählbänden und Sachbüchern, aus Titeln etablierter Verlage, Spezial- und Klein- oder BoD-Verlagen, aus SF, Fantasy, Horror und Phantastik. Auf dieser Grundlage wird dann eine „Book View“ zusammengestellt, mit Alternativtiteln. Steht diese erste Zusammenstellung, dann werden die Bücher en bloc gelesen, bisweilen fällt der eine oder andere Titel dann noch heraus, wenn er meine Erwartungen bei der Lektüre wider Erwarten doch nicht oder ein anderer sie besser erfüllt. Natürlich spielt die Aktualität auch noch eine wichtige Rolle, und auch das kann ein Grund sein, dass ein in die Endauswahl gelangter Titel durch den Rost fällt. Bei Büchern, die mir wichtig sind, sehe ich das weniger eng, aber das ist doch die Ausnahme. Und auch, wenn ich einen Kleinverlag oder einen neuen Autor fördern möchte, bei denen ich natürlich nicht so strenge Maßstäbe anlege. Um auf Ihre Zusatzfrage zurückzukommen: Natürlich macht des Sinn, wenn Autoren und Verleger mich direkt ansprechen, es sind schon etliche Bücher in der „Space View“ vorgestellt worden, die auf diesem Wege bei mir gelandet sind. Wie beispielsweise Gerd Scherms humorvolle Fantasy „Der Nomadengott“, die bei Libri BoD publiziert wurde und jetzt für Juni 2006 bei Heyne eingeplant ist. Nur eines ist klar: Das wird immer nur für eine relativ kleine Zahl dieser Titel zutreffen. Was ich auch immer wieder klar zu machen versuche. Und muss nicht unbedingt mit mangelnder Qualität zu tun haben. Aber ein Trostpflaster gibt es auf jeden Fall, sollte es mit einer Rezension in der „Book View“ nicht klappen: Ich konnte und kann Autor und Titel in die Lexika einbauen, an denen ich mitarbeite bzw. die ich mit herausgebe. Das war so beim Horror- und Fantasy-Lexikon, und das wird auch beim SF-Lexikon der Fall sein, an dem bereits gearbeitet wird.

 

Fantasyguide: Fantasyguide: Sie haben einen sehr guten Marktüberblick. Wie würden Sie die Phantastik in Deutschem Lande einschätzen?

 

Hermann Urbanek: Nun, die Lage der Phantastischen Literatur in ihrer Gesamtheit war in den letzten Jahren doch ziemlich stabil, bei allgemein leicht positivem Trend. Zwar gab es 2005 einen kleinen Rückgang bei der Zahl der veröffentlichten Titel, aber ich halte das eher für eine Marktkonsolidierung auf relativ hohem Niveau. Die so genannten Klein- und Spezialverlage haben in den letzten Jahren je nach Programmausrichtung und Zielgruppe ihre spezielle Marktnische gefunden, diese ausgefüllt und sich etabliert, und stellen einen wichtigen Faktor im Phantastik-Segment dar. Vor allem, weil sie Publikationen auf den Markt bringen, die sich für die etablierten Großverlage nicht rechnen und demzufolge hierzulande sonst nicht erscheinen würden. Das bringt in erster Linie eine Programmvielfalt, die sicherstellt, dass für jeden Geschmack etwas geboten wird. Dass sich die Auflagen generell im Keller befinden ist ein Problem, aber erste positive Entwicklungen beginnen sich abzuzeichnen. So erlebt die SF bei Heyne momentan eine neue Blütezeit, mit steigender Titelzahl und auch Auflage. Was aber, zumindest kurzfristig, nichts an der Vormachtstellung der Fantasy im Rahmen der Phantastischen Literatur ändern wird.

 

Fantasyguide: Fantasyguide: Ich nehme an, Sie lesen auch viel. Welche Autoren können Sie dem Leser ans Herz legen? Welche Perlen warten auf Ihre Entdeckung?

 

Hermann Urbanek: Leider komme ich viel weniger zum Lesen als ich eigentlich gerne möchte. Trotzdem habe ich natürlich meine Favoriten, wobei es mir schwer fällt, wirklich alle aufzuzählen, so viele sind es. Bei den deutschen Autoren wären das u.a. Kai Meyer, Jörg Kastner, Andreas Gößling, Wolfgang Jeschke, Christian von Ditfurth, Tobias O. Meißner, Markus Heitz, Wolfgang Hohlbein und Barbara Büchner, zu meinen bevorzugten ausländischen AutorInnen gehören Lois McMaster Bujold, Stephen King, Jack Vance, George R. R. Martin, Raymond Feist, Terry Pratchett, Alastair Reynolds, Philip Jose Farmer und Philip K. Dick. Welche Perlen warten auf meine Entdeckung? Nun, ich bin schon sehr gespannt auf Charles Stross, dessen Bücher ich mir demnächst vornehmen möchte, und auch auf die Romane von Dan Brown, zu denen ich noch nicht gekommen bin. Zudem möchte ich endlich mal die zehnbändige Edition mit allen Dick-Storys lesen; zwar kenne ich schon fast alle von früheren Anthologien und Erzählbänden her, aber ich möchte sie mir gerne chronologisch zu Gemüte führen. Zu meinen dringlichsten Lesevorhaben gehören auch die letzten Krimis um das 87. Polizeirevier des erst vor kurzem verstorbenen Ed McBain alias Evan Hunter, die ich mir im Original zu Gemüte führen werde, da sie bislang noch ins Deutsche übersetzt wurden.

 

Fantasyguide: Fantasyguide: Sie sind lange im Geschäft. Wir würden Sie die letzten Jahrzehnte charakterisieren? Gibt es gravierende Unterschiede seit Ihrer Anfangszeit und welche wären das?

 

Hermann Urbanek: In den letzten Jahrzehnten hat sich der Markt radikal verändert. In den 50ern und 60ern bestand das Groß der Publikationen aus Heftromanen, sporadisch erschienen auch Taschenbücher, von Goldmann oder Heyne beispielsweise, und dann und wann auch das eine oder andere Buch. Heutzutage stellen Heftpublikationen eigentlich eine Minderheit dar, und wären eine vernachlässigbare Größe, würde es nicht PERRY RHODAN und sein Umfeld geben. In den 70ern und 80er war das Taschenbuch die dominierende Publikationsform, dann begann langsam der Siegeszug des gebundenen Buchs, vor allem durch die rasante Entwicklung im Kinder- und Jugendbuchbereich. Heute ist das gebundene Buch die dominierende Publikationsform, aber es kommen annähernd ebenso viele Genre-Titel als Taschenbuch oder Paperback heraus. Früher wurden die Titel in bekannten Verlagen oder Reihen herausgebracht, von vereinzelten Publikationen bei „Exoten“ mal abgesehen, heutzutage erscheint ein nicht unbeträchtlicher Teil des Jahresausstoßes, bedingt durch die modernen Druckverfahren, bei denen sich auch Minimalauflagen rechnen, in Klein- und Kleinstverlagen, deren Zahl und Programm starken Schwankungen unterworfen sind und zu denen immer neue hinzu stoßen, was eine lückenlose Marktübersicht unmöglich macht. Generell ist zu sagen, dass das Genre die letzten Jahrzehnte hinweg auf Expansionskurs war, zumindest, was die Zahl der veröffentlichten Titel angeht. Bei den Auflagen ist es leider umgekehrt, sie sind stark gesunken. Als ich die Marktübersichten im SF-JAHR 1988 begann, ermittelte ich für das Jahr 1986 insgesamt 683 dem Genre zugehörige Titel (592 TBs und 91 Bücher), für 2005 belief sich der Jahres-Output auf sage und schreibe 1.978 Titel, wobei die Aufteilung 891 TBs zu 987 HCs lautete. Das heißt, dass sich in den letzten zwei Jahrzehnten der Gesamtoutput annähernd verdreifacht hat, der der Hardcover (einschließlich der in Buchverlagen publizierten Paperbacks) sogar verzehnfacht.

 

Fantasyguide: Fantasyguide: Wenn Sie einen Ausblick wagen würden: Wohin geht die Deutsche Phantastik? Welches sind die Stars von Morgen?

 

Hermann Urbanek: Winston Churchill sagte einmal, dass Voraussagen sehr schwierig sind, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Und ich fürchte, ich bin kein wirklich guter Prophet. Trotzdem glaube ich, mit ziemlicher Sicherheit sagen zu können, dass die Chancen für deutschsprachige Autoren, die momentan so gut wie schon lange nicht mehr sind, sich noch verbessern werden. Man sieht es sowohl am Beispiel der etablierten Taschenbuchverlage, wie Heyne oder Piper, dass Autoren deutscher Zunge wieder einen Stellenwert besitzen, als auch bei den Klein- und Spezialverlagen, die ja schon seit ihren Anfängen ihre Domäne waren. Von den Kinder- und Jugendbuchverlagen ganz zu schweigen. Ich glaube, dieser Trend wird sich noch verstärken. Die Fantasy wird ihre dominierende Rolle behalten, die SF wird noch mehr an Boden gewinnen, Horror wird in erster Linie von den Spezialverlagen auf den Markt gebracht werden. Zu den etablierten Stars wie Hohlbein oder Meyer werden sich sicher weitere gesellen, einige heutige Newcomer haben dazu zweifellos das Potential, wie Markolf Hoffmann, Christoph Marzi oder Nina Blazon. Aber vielleicht ist ja gerade einer der Leser dieses Interviews der kommende Star, wer weiß?

 

Fantasyguide: Fantasyguide: Wir bedanken uns für das informative Gespräch und den netten Kontakt und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20241202112630021b041e
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Hermann Urbanek


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Erstellt: 19.04.2006, zuletzt aktualisiert: 16.04.2019 12:22, 2098