Rezension von Björn Backes
Jack Arnold ist möglicherweise der bedeutendste Horror-Movie-Regisseur der 50er. Unzählige kongeniale Beiträge zieren seine Diskografie, darunter das Science-Fiction-Trash-Dokument „Gefahr aus dem Weltraum“, der erste Auswuchs der Riesenspinne „Tarantula“ und die Filme um den legendären Kiemenmenschen, der zum ersten Mal in „Der Schrecken von Amazonas“ sein Unwesen trieb und bis heute unter Insidern absoluten Kultstatus genießt. Nach einem erfolgreichen Jahrzehnt zog sich Hollywoods Erfolgsregisseur dann verstärkt aus dem cineastischen Business zurück und widmete sich immer mehr TV-Produktionen und Serien wie beispielsweise „Gilligans Insel“ oder „Ein Sheriff in New York“. Selbst bei „Ein Colt für alle Fälle heimste er Credits für die Regie einzelner Episoden ein, trat aber in seinem geliebten Monster-Metier nur noch sporadisch auf. 1992 starb der berühmte, innovative Filmemacher und vorbildliche Inszenator des klassischen B-Movies im Alter von 75 Jahren in seiner Wahlheimat Kalifonien. Seine Hinterlassenschaft scheint unermesslich groß und längst würdig, endlich auch im digitalen Zeitalter neu angegriffen zu werden. Bei Koch Media hatte man nun endlich ein Einsehen. Eine spezielle Monster Collection mit drei seiner Klassikern wird dort nun als Boxset veröffentlicht und schürt die Hoffnung, dass sein Gesamtwerk eines Tages doch noch halbwegs vollständig veröffentlicht wird. Nach den ersten Eindrücken besteht nämlich die spannende Erwartung, seitens des Labels habe man Blut geleckt…
Inhalt:
Die Rache des Ungeheuers
Eine wissenschaftliche Expedition führt eine Gruppe von Professoren in den Amazonas zurück, wo man vor geraumer Zeit bereits mit der Spezies der Kiemenmenschen Bekanntschaft gemacht hat. Erneut beginnt die Jagd auf das seltsame Monster, die zunächst auch erfolgreich verläuft. Die Falle schlägt zu und schneller als erhofft wird die merkwürdige Kreatur in ein Aquarium in den Staaten zu Forschungszwecken gefangen gehalten. Dann jedoch schlägt der Kiemenmensch zurück. Er lässt sich nicht länger als Anschauungsmaterial missbrauchen und nutzt das Vertrauen der Wissenschaftlerin Helen Dobson, um seine erneute Flucht zu inszenieren.
Das Ungeheuer ist unter uns
Nach der erfolgreichen Flucht des Kiemenmenschen nehmen die Forscher dessen Spur auf. Dr. Barton leitet eine Expedition in die Everglades ein und entdeckt das Monster dort tatsächlich. Allerdings kommt es beim zweiten Versuch, den Kiemenmenschen zu schnappen, zu einem tragischen Zwischenfall: Die Kiemen werden zerstört, so dass das unmenschliche Wesen fortan einige primitive Atemorgane entwickelt, mit Hilfe derer es auch an Land atmen kann. Dies nutzen die Wissenschaftler, um ihn der menschlichen Rasse anzupassen, wobei sie tatsächlich einige Erfolge erzielen. Dann jedoch geschehen einige verachtenswerte Verbrechen, für das der einstige Kiemenmensch verantwortlich gemacht wird. Die Flucht beginnt aufs Neue – dieses Mal jedoch ohne seine ständigen Kontrahenten zu verschonen.
Der Schrecken schleicht durch die Nacht
Ein gescheiterter Versuch an einem prähistorischen Fisch entwickelt sich zum Desaster; ein strebsamer Akademiker wird hierbei verletzt und verwandelt sich kurzzeitig in ein seltsames Urwesen und wacht kurze Zeit später völlig verwirrt wieder auf. Die Vorfälle wiederholen sich gleich mehrfach, doch obwohl der Paläontologe in unmittelbarem Zusammenhang mit den entdeckten Leichen stehen muss, kann man ihm nichts nachweisen. Jede Tat hinterlässt übermenschlich große Spuren, die den Verdacht von ihm abrücken. Doch bis dato ist dem unwissenden Forscher noch lange nicht bewusst, welches Potenzial sich mittlerweile in seiner mutierten Haut befindet.
Rezension:
Bevor man überschwängliche Freude über den Release dieser Box äußert, wird bei manch hartgesottenem Fan wahrscheinlich erst einmal Ernüchterung folgen. Da produziert der Regisseur schon eine absolut legendäre Trilogie um den kultigen Kiemenmenschen, und da wird diese letztendlich nur zu zwei Dritteln in dieser partiellen Retrospektive berücksichtigt. Ob das wirklich sinnvoll ist? Zumindest entzieht sich die Nichtberücksichtigung des ersten Films um das Meeresmonster meinem persönlichen Verständnis, da hier eine wichtige Chance verpasst wurde, der verstorbenen Horror-Legende auch hierzulande posthum doch noch eine angebrachte Ehrerbietung zu gewähren. Aber wahrscheinlich standen hier Lizenzprobleme oder dergleichen im Wege und verhindern die Publikation der Optimallösung.
Nichtsdestotrotz ist die „Jack Arnold Collection“ bzw. der kurze Ausschnitt aus dem Schaffen des einflussreichen Filmemachers eine kleine Schatztruhe des frühen Horror-Kinos, wenn auch absolut nicht mehr vergleichbar mit den effektreichen Meisterwerken der heutigen Zeit. Arnold inszenierte unbewusst genau das, was man heute unter einem standesgemäßen B-Movie versteht, sprich offenkundig billigst zusammen gebastelte Kostüme und Maskeraden, ein klassisches Low-Budget-Setting und eine Story, die eher Selbstzweck als wirklich erfinderisch ist.
Den Auftakt macht hierbei die direkte Fortsetzung des schmerzlich vermissten Beginns der Trilogie „Der Schrecken vom Amazonas“. Dabei scheint es einigermaßen hilfreich, die bisherigen Ereignisse bereits zu kennen und sich den Motiven der Hetzjagd auf das Monster bewusst zu sein, um den Rahmen von Beginn an besser verstehen zu können. Der Plot ist zwar recht simpel strukturiert und gradlinig aufgebaut, orientiert sich aber dennoch an der ersten Ausgabe der Serie, und das inhaltlich tatsächlich mit Erfolg. Unter den gegebenen Standards ist „Die Rache des Ungeheuers“ ein spannendes, perfide inszeniertes Horror-Movie mit sympathisch-gruseliger Atmosphäre und grundlegend starker Story. Auch wen sich die Überraschungen allgemein in Grenzen halten und die packende Stimmung zeitgemäßer Streifen meilenweit von diesem Stück distanziert anzusiedeln ist, vermag Arnolds 1955 eingespieltes Werk durchaus zu überzeugen.
Im letzten Teil der Serie um den Kiemenmenschen verläuft sich Arnold indes inhaltlich bereits in unvermeidliche Klischees; das Potenzial ist ausgereizt und die Menschwerdung des Titelhelden wirkt selbst in diesem phantastischen Kontext sehr weit hergeholt. Zwar mag dies ein Element sein, welches das B-Kino in erster Linie auszeichnet, und tatsächlich wird man auch unverhofft mehrere Male zum Schmunzeln angeregt, aber gegenüber den beiden Vorgängern fällt „Das Ungeheuer ist unter uns“ schon ein wenig ab.
Eher unpässlich, wenngleich kaum minder interessant ist indes die unabhängig fungierende dritte Episode dieser Box. Hier zollt Arnold sicherlich mit vollem Bewusstsein der Story um Frankenstein Tribut und lässt auch Elemente des Klassikers um Jekyll und Hyde aufblitzen, um sie elementar in seinen Plot einzuflechten, was jedoch selbstverständlich an der Originalität der Geschichte zehrt. Das Doppelleben des unschlüssigen Forschers, der unbewusst über Leichen geht, ist aber dennoch recht unterhaltsam gestaltet, zieht seine Kraft vordergründig in den bizarren Bildern der Monster, die allerdings eher witzig als Furcht erregend sind. Jedoch muss man auch immer die jeweilige Perspektive sehen. Was damals noch als gruselig galt, wird heute natürlich ganz anders interpretiert, bisweilen auch als haarsträubend bezeichnet. Aber im Falle von „Der Schrecken schleicht durch die Stadt“ ist das Gesamtbild stimmig und der Film insgesamt ganz überzeugend. Daher wird er als Ergänzung zu den beiden Kiemenmonster-Storys auch vollauf akzeptiert.
Die Aufarbeitung der Box lässt hingegen zumindest optisch zu wünschen übrig. Beim Cover hat man leichtfertig die Chance verspielt, ein absolutes Trash-Motiv zu verwenden, also Plakate, die Arnolds cineastischem Lebenslauf gerecht werden könnten. Dafür stimmen jedoch die audiovisuellen Aspekte. Das Bild bzw. dessen Verschmutzungen halten sich in einem akzeptablen Rahmen, der Ton wiederum ist vor dem Hintergrund des Alters sehr gut restauriert. Allerdings existiert zu „Der Schrecken schleicht durch die Nacht“ keine komplette deutsche Tonspur, so dass man teilweise notgedrungen auf das englische Original zurückgreifen muss.
Des Weiteren wurde an Bonusmaterial nicht gespart; die ersten beiden Streifen enthalten Audiokommentare von Lori Nelson und den beiden Kritikern Bob Burns und Tom Weaver, wenn auch leider ohne deutsche Untertitel. Auch eine knappe Super-8-Fassung dieser beiden Produktionen ist enthalten und rundet ein beinahe gänzlich berauschendes Projekt würdig ab.
Fazit:
Jack Arnold ist zweifelsohne eine innovative, wegweisende Stilikone in der langen Historie der Traumfabrik Hollywood und als solche sicherlich von bedeutendem Einfluss, was die Entwicklung des Horror-Genres betrifft. Kaum einer wird zweifeln, dass unter anderem die Filme seiner Lagune-Trilogie, die hier zumindest zu zwei Dritteln enthalten sind, sowie die Tarantula-Story zu den inspirativsten Momenten bei der Kreation der zeitgenössischen Kinomonster gehören und daher auch für Sammler und qualitätsbewusste Trash-Liebhaber unverzichtbare Meisterwerke darstellen. Die erste Box um den legendären Regisseur gehört daher auch trotz leichter inhaltlicher Defizite und des unverständlichen Verzichts auf „Der Schrecken vom Amazonas“ zu den Pflichtanschaffungen unter der wachsenden Zahl an alten Horror-Schinken. Bleibt also zu hoffen, dass das Debüt-Set die verdiente Aufmerksamkeit erhält und weitere Klassiker des Kult-Regisseurs neu aufgelegt werden. Wünschenswert wäre ein Re-Release der B-Movie-Highlights, wie Arnold sie in den 50er zu einem guten Dutzend in die Lichtspielhäuser brachte, auch 50 Jahre nach Erstaufführung allemal!