Jesus liebt mich von David Safier
Hörbuch
Rezension von Ingo Gatzer
Rezension:
Marie ist Mitte 30, pummelig und keine besonders religiöse Frau. Da überrascht es wenig, dass sich bei ihr das Thema Theodizee vor allem um „Wie kann es Gott geben, wenn es in der Welt so etwas fieses wie Liebeskummer gibt?“ dreht. Trotzdem möchte sie ihren Freund Sven wegen des romantischen Flairs kirchlich heiraten. Doch im entscheidenden Moment bekommt sie das Ja-Wort nicht über die Lippen. Nach der geplatzten Hochzeit verkündet ihr Vater auch noch, dass er seine neue, blutjunge weißrussische Freundin zu ehelichen gedenkt, die er über eine Ehevermittlung im Internet kennengelernt hat. Dann macht Marie eine merkwürdige Bekanntschaft. Der Mann heißt Joshua und arbeitet als Zimmermann. Außerdem benimmt er sich wie Jesus. Der Jesus. Marie hält ihn - auch wegen seinen weltfremden Ansichten - für etwas verrückt. Jedenfalls zunächst.
Der Schriftsteller David Safier hat mit seinem Debütroman „Mieses Karma“ 2008 einen Überraschungserfolg gelandet. Davor war er als Drehbuchautor für eine Reihe von TV-Serien wie „Nikola“ oder „Mein Leben und ich“ tätig. Bei einem Spaziergang kam Safier auf die Idee eine romantische Komödie mit Jesus zu schreiben. Nach sechs Monaten Arbeit war „Jesus liebt mich“ fertig.
Das Hörbuch besticht vor allem durch David Safiers komisches Talent. Das fängt beim Charakterdesign - etwa bei der neurotischen Marie, die während des Gebetes mit Gott intensiv über die geeignete Spendenhöhe unter Berücksichtigung ihres knappen Budgets verhandelt oder mit dem vom Burnout-Syndrom geplagten Teufel – an. Dazu gibt es eine gute Portion Wortwitz und einige ironische Kommentare zu Katastrophen wie Krieg, Hunger, Modern Talking oder volkstümlicher Musik. Komische Irrungen und Wirrungen entstehen nicht zuletzt aus der Interaktion von Marie und Joshua, die buchstäblich aus zwei verschiedenen Welten stammen. Zum Glück bewegt sich das nur selten am Rande des platten Kalauers, wie in der Passage als Maria Joshua für schwul hält, weil er nach eigener Aussage ein Dutzend Männer – sie meint körperlich Lover, er geistig seine Jünger - geliebt hat. Um die Komik noch stärker herauszuarbeiten kontrastiert Safier sie mit einigen tragischen Plot-Entwicklungen wie der Krankheit von Maries Schwester. Zudem regt "Jesus liebt mich" zum Nachdenken an ohne dabei zu aufdringlich zu werden. Die Handlung garniert der Autor mit einem Schuss Romantik, übertreibt dieses aber nicht. Safier unterlaufen zwar einige kleinere logische und religiöse Schnitzer – beispielsweise war anders als Joshua behauptet, Judas nicht der einzige Jünger, der mit Jesu Geboten Probleme hatte, man denke etwa an Petrus der Jesus verleugnete – aber das fällt insgesamt bei der unterhaltsamen Komödie kaum ins Gewicht.
Die Produzenten haben die etwas ungewöhnliche Entscheidung getroffen, das Hörbuch von gleich zwei Sprechern vortragen zu lassen. Die Passagen, in denen die Ich-Erzählerin Marie im Fokus steht, spricht Anna Thalbach, die sich als Schauspielerin bereits in großen Filmproduktionen wie „Der Untergang“, „Krabat“ oder „Der Baader Meinhof Komplex“ einen Namen gemacht hat. Ihre Qualitäten als Hörbuchsprecherin konnte sie unter anderem bei der Lesung von Janet Fitchs „Paint it Black“ unter Beweis stellen, für die sie 2008 den Deutschen Hörbuchpreis als beste Interpretin erhalten hat. Eine ähnliche starke Leistung liefert sie auch bei „Jesus liebt mich“ ab. Ihre Stimme passt hervorragend zu der etwas neurotischen Marie und ihren manchmal kruden, aber oft lustigen Gedanken. Zudem beweist Anna Thalbach Geschick darin, Ironie und Wortwitz des Textes im genau richtigen Ton vorzutragen, ohne dass dies aufgesetzt oder gar wie ein billiger Schenkelklopfer wirkt. Auch die verschiedenen Personen arbeitet sie stimmlich gut heraus. Die restlichen Szenen des Hörbuches werden von Detlef Bierstedt gelesen, den Hörspielfreunde unter anderem als Stimme von Dr. Watson in der erfolgreichen Sherlock-Holmes-Hörspielreihe oder aus „Offenbarung 23“ kennen. Bierstedt gefällt durch seine angenehme, oft sachlich wirkende Erzählstimme, die einen schönen Kontrast zu der seiner Kollegin bietet.
Fazit:
„Jesus liebt mich“ ist eine urkomische Culture-Clash-Komödie der besonderen Art, die kongenial vom Duo Thalbach/Bierstedt vorgetragen wird.
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