Jim Trash und die Invasion der Atomfresser (Autor: Michael Schönenbröcher; Genre: ScienceFiction)
 
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Auszug aus JIM TRASH Band 1: Jim Trash und die Invasion der Atomfresser

von Michael Schönenbröcher

 

Mit freundlicher Genehmigung von Michael Schönenbröcher

 

Mit quietschenden Reifen kam die Limousine vor dem Portal des Polizeipräsidiums zum Stehen. Jim Trash, der sich abermals die Rückbank mit Bürgermeister Hank Hancock geteilt hatte, wurde von dem plötzlichen Ruck nach vorn gerissen und stieß sich den Kopf unsanft an der Trennscheibe zur Fahrerkabine.

Nicht, daß dies irgendwie seine rasenden Gedanken zum Stillstand gebracht, seine Kopfschmerzen gelindert und seine Verwirrung aufgelöst hätte. Seit den Vorgängen im Central Park schien sich sein Gehirn in einer Endlosschlaufe zu befinden, aus der es kein Entrinnen gab. Er: ein Held. Die Situation: Außerirdische hatten die ungekrönte Miss Atombusen gekidnappt. Sein Auftrag: sie unter Einsatz seines Lebens zu retten.

Soweit war ja alles klar. Blieben nur die Fragen: Wer war er eigentlich, wie kam er hierher, und warum zum Teufel mußte nun ausgerechnet er die Kastanien aus dem Feuer holen?

»Okay, da wären wir«, grunzte der Bürgermeister und begann seine Körpermassen in die Höhe zu hieven.

»Äh... wo sind wir denn?« fragte Jim. Zwar konnte er sich schwach daran erinnern, daß Hancock auf dem Weg vom Podium herab unablässig auf ihn eingeredet hatte, aber die jubelnden Massen hatten seine Ausführungen komplett in »Rette sie, Jim!«-, »Mach die Aliens alle!«- und »Hast du heute Abend schon was vor?«-Rufen untergehen lassen.

Hancock ließ sich wieder auf seinen Teil der Rückbank fallen, was im Gegenzug Jims Kopf unsanft mit dem Wagenhimmel kollidieren ließ. »Na, bei der Trash-Can«, erinnerte er den Helden den Helden. »Supermann hat seine Festung der Eintönigkeit, Fatman sein Fat-Cave, und Sie haben die Trash-Can – auch wenn sie vor über dreihundert Jahren versiegelt wurde. Dort lagern die Trophäen Ihrer früheren Kämpfe und all die Waffen, die Sie bei Ihrem heldenhaften Kampf brauchen werden. Nun kommen Sie aber, Gordon Bleu erwartet uns schon!«

»Wer?«

»Gordon Bleu, der Polizeichef von New York City. Wissen Sie nicht mehr? Die Trash-Can liegt genau unter dem Präsidium...«

 

Wenige Minuten und ungezählte Händedrücke später standen Hancock, Bleu und Trash vor dem sagenumwobenen Einlaß. Jim konnte sich nicht helfen, aber die in den Boden eingelassene Luke erinnerte ihn irgendwie an einen gigantischen Mülleimerdeckel. Hoffentlich war diesmal Nomen nicht est Omen...

Commissioner Gordon Bleu – ein sympathischer, ehrfurchtgebietender Hüne mit vollem silbergrauen Haar und Schnauzbart – hantierte am Dichtungsring der vakuumversiegelten Luke. Man sah ihm an, daß es ein wahrhaft historischer Augenblick für ihn war. Als er die Gummilasche zog, zischte es vernehmlich, und dreihundert Jahre alter Mief nahm den drei Männern den Atem.

Als sich das kollektive Husten, Würgen und Übergeben schließlich gelegt hatte, stieß Gordon Bleu ein atemloses »Es ist also tatsächlich wahr!« hervor.

»Was meinen Sie?« ächzte Jim.

»Na, was die alten Schriften über Ihr ausgefallenes Hobby berichten«, entgegnete Gordon, und der Bürgermeister präzisierte: »Die legendäre Camembert-Sammlung des Jim Trash. Ein Grund dafür, daß wir Ihr Geheimquartier versiegelt haben. Mann, der Käse muß inzwischen so was von reif sein...«

Jim enthielt sich eines Kommentars. Er konnte nur hoffen, daß zur Ausrüstung in der Trash-Can auch Gasmasken gehörten.

»Nach Ihnen, Mr. Trash. Willkommen zu Hause!« Gordon wies einladend auf den Einstieg und schnippte einen Schalter an der Wand um. Drinnen flammte Helligkeit auf.

Jim nahm sich ein Herz und einen tiefen Atemzug wenigstens halbwegs atembarer Luft. Dann begann er todesmutig den Abstieg über eine metallene Trittleiter.

Es war erträglicher, als er gedacht hatte. Die Ventilatoren liefen auf voller Kraft, und wenn er sich die Nase zuhielt und nur durch den Mund atmete...

... behinderte ihn das ganz gewaltig beim Klettern, wie er einen Moment später feststellen mußte.

Eine riesige Kugel beendete seinen Sturz. Instinktiv krallte Jim sich an der nachgiebigen Oberfläche fest.

»Das Wollknäuel des Verderbens!« brüllte Hancock entzückt aus halber Höhe der Stiege. »Es existiert also wirklich!«

Jim sah sich außerstande, zu antworten. Das Knäuel war durch sein Gewicht in Bewegung geraten und rollte davon. Leider hatte er sich in den Fäden verheddert und verpaßte so den Absprung, als die Kugel durch ein Spalier aus lebensgroßen Holzsoldaten pflügte –

»Die Armee des verrückten Spielzeugmachers!«

– ein Beet vertrockneter Tomatenstauden unter sich begrub –

»Die Brutstätte der Mördertomaten!«

– von einer Reihe bizarrer Foltergeräte abprallte –

»Das Horrorkabinett des Dr. Fu Man Chihuahua!«

– und schließlich in einem großen Bassin algenverseuchten Wassers zum gluckernden Stillstand kam.

»Und da: Die blutsaugenden Killerkarpfen aus der Donau!«

»Killerkarpfen?!« Jim Trash zappelte panisch mit sämtlichen Gliedmaßen und versuchte dem Tümpel so schnell wie möglich zu entkommen – bis ihm klar wurde, daß kein Karpfen dreihundert Jahre in einem Bassin hätte überleben können. Also versuchte er einen klitzekleinen Rest Haltung zu bewahren, als er dem Rand des Beckens entgegenstrebte. Zumindest bis er einen scharfen Schmerz in seinem verlängerten Rückgrad verspürte.

»Die durch Genmanipulation unsterblichen Killerkarpfen«, ergänzte Gordon den Ausruf des Bürgermeisters. »Seien Sie vorsichtig, Mr. Trash!«

»Oh, danke. Vielen herzlichen Dank...« Als er sich triefend, verbeult und aus einer Wunde an delikater Stelle blutend zu Commissioner Gordon Bleu und Bürgermeister Hancock gesellte, war Jim gar nicht heldenhaft zumute. Mehr denn je sehnte er sich nach Ruhe und Beschaulichkeit. Aber das konnte er sich nach Lage der Dinge wohl abschminken.

Gordon geleitete ihn zu einem deckenhohen Eisenschrank an der Stirnseite des etwa zwanzig mal dreißig Meter weiten Raumes, der von einem ausladenden Kristallüster erhellt wurde.

»Ihr Waffenarsenal blieb all die Jahrhunderte unangetastet«, versicherte Gordon stolz. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, jemals diese Sammlung exquisiter... äh...« Der Commissioner verstummte, als er die erste vielgepriesene Waffe hervorzog.

»Phantastisch!« entfuhr es Jim. »Ein Flitzebogen! Und da: ein echt antiker Vorderlader! Was haben Sie noch zu bieten? Eine Steinschleuder?«

»Hier.« Gordon reichte ihm die Schleuder mit dem Trash-Symbol auf dem Griff. »Und dann hätten wir da noch... das Trash-Kampfmesser mit integriertem Dosenöffner... das Trash-Fangnetz... den Trash-Allzweckzerstäuber...«

»Toll«, unterbrach ihn Jim. »Aber seien wir ehrlich: Damit haut man heutzutage keinen gemeinen Gangster mehr in die Pfanne, geschweige denn eine Horde Außerirdischer.«

»Was haben Sie erwartet?« Bürgermeister Hancock zuckte die Schultern. »Die Sachen sind schließlich dreihundert Jahre alt. So wie das Trash-Mobil dort.«

Jim drehte sich um – und seufzte auf beim Anblick der windschnittigen Pferdedroschke. »Was ich brauche, ist eine Ausrüstung mit etwas mehr Pepp«, wandte er sich wieder an die beiden Vertreter der Stadt.

»Bunsenbrenner«, sagte Gordon Bleu.

»Wie bitte?«

»Prof. Dr. Dr. Bert Bunsenbrenner ist der Mann, den Sie jetzt brauchen«, erklärte der Commissioner. »Er ist eine Koryphäe auf den Gebieten der Nuklear- und Astrophysik, Biologie, Medizin, Chemie, Ethnologie, Parapsychologie und Sexualwissenschaft. Ein aus Österreich emigriertes Genie und ein begnadeter Erfinder. Wenn jemand die passenden Waffen für Sie hat, dann er!«

»Na prima! Nichts wie hin zu ihm!« Um nach seinem wenig schneidigen Auftritt Entschlossenheit zu demonstrieren, hieb Jim mit der Faust gegen einen hölzernen Wandschrank – der unter dem Schlag aufsprang und eine zähe gelbe, undefinierbare Masse entließ, die sich über Jims Schultern und Heldenbrust ergoß. Der augenblicklich aufwallende Gestank nahm ihm schier den Atem.

»Oh«, krächzte der Bürgermeister nicht ganz so enthusiastisch. »Sie haben Ihre legendäre Camembert-Sammlung wiederentdeckt, Mr. Trash!«

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Erstellt: 12.09.2005, zuletzt aktualisiert: 01.02.2015 20:18, 1263