Kinder des Regens von Mathieu Mariolle

Reihe: Shanghai Bd.1

Rezension von Olaf Kieser

 

Rezension:

Shanghai zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Stadt wird von europäischen Mächten und den kriminellen Triaden beherrscht. Die Polizei der ausländischen Mächte sieht dem Treiben der Banden und Schmuggler fast tatenlos zu und zumeist die Hand auf. Das chinesische Reich existiert nur noch auf dem Papier und wird von Marionetten regiert. Das Opium hat das Volk zu großen Teilen fest im Griff. Bei so viel rechtsfreiem Raum braucht auch ein Triadenboss eine hilfreiche, schlagkräftige Hand. Die Kriegerin Yu Xin ist eine solche. Sie überwacht und schützt die Geschäft von kein Tang. Eines Tages wird sie beauftragt, bei einem säumigen Zahler, einen Uhrmacher und Feinmechaniker, die ausstehenden Gelder einzutreiben. Yu Xin findet die Werkstatt verwüstet vor. Vom Uhrmacher keine Spur, dafür entdeckt sie aber dessen Sohn. Von diesem erfährt sie, dass anscheinend kaiserliche Soldaten den Uhrmacher entführt haben. Zur gleichen Zeit erreicht mit dem Staatszirkus die ungestüme und patriotische Artistin Jade die Stadt. Sie träumt davon, dass China endlich die ausländischen Mächte vertreibt, die kriminellen Banden zerschlägt und wieder in altem Glanz erstrahlt. Und Jade ist mehr als bereit, ihren Teil dazu beizutragen.

 

Shanghai – Kinder des Regens ist der erste Band eines Dreiteilers. Autor Mathieu Mariolle entführt den Leser in ein alternatives China zu beginn des 20. Jahrhunderts, in dem die europäischen Mächte und Japan die Kontrolle über das Land übernommen haben und der Kaiserhof eigentlich nur noch eine Marionette ist. Der Opiumhandel spielte dabei eine zentrale Rolle, wurde China mit dieser Droge durch die ausländischen Mächte überschwemmt und gefügig gemacht. Das deckt sich mit der tatsächlichen Historie. Mariolle lässt in seine Geschichte über Loyalität, Freiheit und Politik aber auch diverse Steampunk-Elemente einfließen. Da gibt es Luftschiffe, komplexe, menschenähnliche Automaten (E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann lässt grüßen.) und mysteriöse Maschinen, was eine faszinierenden Atmosphäre erzeugt.

 

Wesentlich zum Entstehen der Atmosphäre tragen auch die Zeichnungen und besonders die Fabrgebung von Tisseron bei, der hier sein Seriendebüt feiert. Seine Bilder scheinen oft eher aus einem Film zu stammen. Hier hat er ohne Zweifel digitale Unterstützung in Anspruch genommen. Das Ergebnis kann sich aber wirklich sehen lassen. Bereits das erste Bild des Comics ist ein Augenschmaus. Es ist ein Panoramabild des nächtlichen Shanghai, in dem die Lichter der Stadt sich wunderschön im Wasser spiegeln. Es regtnet auch viel in dem Band, doch der Regen ist durchsichtig. Wie Wasser eben. Licht und Schatten setzt der Künstler durchgehend sehr gekonnt ein. Allerdings sind Gesichter nicht seine Stärke, denn manche Figuren kann man ohne ihre Kleidung kaum unterscheiden. Das schadet dem sehr positiven Gesamteindruck aber nicht wirklich.

 

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Yu Xin und der Artistin Jade erzählt. Geschickt verwebt Mariolle die verschiedenen Handlungsstränge. Erst gegen Ende des Bandes erhält man eine vagen Vorstellung davon, wie die Ereignisse zusammenhängen könnten. Von den Hauptfiguren ist die Kriegerin Yu Xin die sympathischere und bisher auch interessantere.

 

Fazit:

Shanghai von Mariolle (Story) und Tisseron (Zeichnungen und Farbgebung) ist der spannende und optisch sehr gelungene Auftakt zu einem dreiteiligen Reihe über das China zu Beginn des 20. Jahrhunderts und den Versuch der Befreiung von der Kontrolle der ausländischen Mächte. Darin verwickelt sind die Kriegerin Yu Xin und die patriotische Artistin Jade. Der Auftakt ist wirklich vielversprechend und man hofft, dass bald der zweite Band erscheinen möge.

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