Kolumne: Meinungsfreiheit
Autor: Michael Schmidt
Meinungsfreiheit ist etwas Schönes. Eine Meinungsvielfalt ist natürlich um ein vieles schöner. Aber natürlich ist ein Meinungsallerlei nicht gerade des Weißheit letzter Schluss.
Da ist unserer Gerdshow die Puste ausgegangen. Unzählige, zum Teil halbherzige, zum Teil oppositionell amputierte Reformen haben nicht – oder noch nicht – zu einem besseren – was auch immer unter besser zu verstehen ist – Deutschland geführt.
Dem einen Teil gehen die Reformen nicht weit genug, dem anderen zu weit. Nie konnte man es einer Mehrheit weniger Recht machen wie heute. Nicht nur in Deutschland. In Amiland war man sich in der ersten Wahl nach Clinton nicht sicher, wer gewonnen hat. In der zweiten Wahl zwar schon, trotzdem war der Stimmunterschied recht gering. In Deutschland war es bei der letzten Wahl ähnlich. Stoiber feierte schon seinen Sieg mit Champagner, gewann dann aber weder die Wahl, noch den Titel stärkste Fraktion, wenn auch denkbar knapp.
Nun, man sieht, die Deutschen, nein, die Welt ist unentschieden in diesen Tagen. Zwischen Not und Elend entscheidet es sich schlecht, so entscheidet sich mancher nicht.
Außer die Gerdshow, die wurde klar beendet. Nun, zwar mit klarer Vorgabe, aber ansonsten eher nebulös. Zwar ist die Mehrheit der Deutschen – in Zeiten ohne Mehrheiten – für Neuwahl, doch jetzt regieren die Minderheiten. So bangt ein Grüner und ein Sozi um seinen Wohlstand und fechtet die Vertrauensfrage an, will eine Neuwahl verhindern. Kleine Parteien, die jenseits der Fünfprozenthürde dümpeln, wollen auf den Zug springen und ebenfalls keine neue Wahl, da sie sich in ihren Wahlvorbereitungen gestört fühlen. Nun ja, die armen Benachteiligten. Wir sind halt ein Staat der Minderheiten. Prozessiert der eine gegen laute Musik auf dem Volksfest, müssen das nächste Mal alle früher zu feiern aufhören, zumindest in der zünftigen Lautstärke.
In manchem Forum erscheint diese Meinungsvielfalt jedoch wenig zu bedeuten, finden sich doch Tendenzen zu einer einheitlichen Linie. Wo früher drei Meinungen bei zwei Usern auftraten, entdeckt man jetzt die allgegenwärtige Meinungsgleichheit. Die eine Krähe hackt der anderen kein Bein aus, so lese ich, daher bleibt man von gegenseitiger Kritik verschont. Der erste Teil der Aussage ist ein Zitat, diese sind neuerdings kostenpflichtig und man – mit man ist ein Internetseitenbetreiber gemeint – muss drauf achten, nicht in Rechnungen zu ersticken, welche die Rechteinhaber – oder auch nicht Rechteinhaber, wer will das wirklich nachvollziehen können - der Zitate einem unaufgefordert zuschicken. Dort herrscht dann wieder keine Meinungsgleichheit, das ist sicher.
Doch zurück zur Krähe. Im Fernsehen ist es Gang und Gäbe. Stars und Sternchen werden bei jeder passender und nicht passender Gelegenheit vor die Kamera gezerrt und somit der Öffentlichkeit unauffällig nahe gebracht. Was sonst hat die bebrillte Schönheit aus „Verliebt in Berlin“ in einer Show über die Musik der Sechsziger Jahre zu suchen? Ihr Geburtsjahr liegt wohl eher in den Achtzigern. Vielleicht sollte ich mich als Zeitzeuge der Russischen Revolution melden, heutzutage erscheint alles möglich. Aber auch glaubhaft?
Nun, der Aufbau einer Karriere mag viel Mühe bereiten und findige PR Manager sind bisweilen einfallsreich. Doch erscheint mir, dass gerade dies die Meinungsvielfalt beschränkt. Schließlich sind negative Schlagzeilen Gift für die steil steigende Karriere. So wirkt zumindest die Reaktion diverser Kritisierter, aber auch ihres Freundeskreises. So wird man schon fast abgemahnt, wenn man ein Buch als langweilig empfindet, weil der Verfasser dieses Romans sich virtuell im gleichen Forum befindet. Nun, langweilig ist auch kein Adjektiv, welches ich als passend für meine Ergüsse betrachte, aber das liegt doch im Sinne des Betrachters.
Andere erwarten Lobhudelei und finden alles andere als infame Kritik, nun, ein Mangel an Käufern kann schon zu den merkwürdigsten Verhaltensweisen führen.
Der Ruf ist alles, so scheint es, doch vergessen diejenigen, die ihre „Kinder“ allzu sehr in Schutz nehmen, dass gerade die Diskussion – und zwar die offen geführte, nicht die von „oben“ geführte – zu einer wahrhaft interessanten Auseinandersetzung mit dem Werk und letztendlich im Falle eines interessanten Buchs auch zu einer wachsenden Schar an Käufern.
Doch scheuen doch manche gerade dies, sind sie sich doch der Qualität alles andere als sicher. Nun, Qualität ist auch kein einfach zu definierbarer Begriff und nimmt man eine Runde von sechs Experten, kommen oft genug mindestens sieben unterschiedliche Ansichten heraus. Wahr dem was wahr ist. Über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Doch die Tendenz, auf Grund einer zu kleinen Gruppe, sprich Leseranzahl, sich allseitig zu verbünden und einfach alles für gut zu befinden, liegt nahe und weist einen Hang zur Realität auf. Doch wird – ich unke ungern – das Ergebnis eher dem Gegenteil entsprechen. Die Verkaufszahlen sinken, statt dass sie steigen. Ein wenig Konfrontation, ein wenig Meinungsverschiedenheit, positioniert den Leser und vereinnahmt ihn mehr zum Buch, als es gegenseitige Lobhudelei tun könnte.
Nur, wo findet man die Meinung, die vollkommen abhängig von irgendwelchen Seilschaften ist. Entweder sitzt man in dem Boot, oder durch Anfeindungen außerhalb des Bootes, eine größtmögliche Neutralität ist da allerdings nicht in Sicht. Da bleibt dem Leser letzten Endes nur eines:
Eine gute Nase
Die eigene Meinung ist immer noch die Beste.
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