Loki (Marvel Graphic Novel Bd. 6)
 
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Loki

Reihe: Marvel Graphic Novel Bd. 6

Rezension von Christian Endres

 

Die Mythologie ist nicht selten Vorlage für phantastische Geschichten aller Art, und es ist auch kein Geheimnis, dass sich Filmemacher, Buchautoren und Comicschreiber gerne einmal bei den großen Göttersagen dieser Welt bedienen. Gerade Marvel hat eine gewisse Schwäche für die Götter aus Asgrad, ist doch der mächtige Thor seit über vierzig Jahren eine beliebte Figur des Stammhauses von Spider-Man, den X-Men oder Daredevil, wo der Donnergott sogar immer wieder diverse eigene Serien hat und mitunter auch Mitglied bei den berühmten Rächern ist. Neben diesen monatlichen oder zumindest halbwegs regelmäßig erscheinenden Abenteuern Thors gibt es aber auch immer wieder einmal Oneshots und Miniserien – so wie die vierteilige Geschichte Loki, welche hierzulande gesammelt unter Paninis edlem Hardcover-Label Marvel Graphic Novels erscheint.

 

In dem überformatigen Hardcover ist jedoch nicht der blonde Gott des Donners der Held. Nein, der eigentliche Held dieses Sammelbandes, der alle vier US-Ausgaben beinhaltet und damit einhundert Seiten stark ist, ist niemand anderes als Loki – wobei ich mich gerade frage, ob ich mit dem Begriff Held nicht doch lieber etwas vorsichtiger umgehen sollte. Immerhin reißt Thors böser Stiefbruder gleich zu Beginn der Geschichte die Herrschaft über Asgard an sich und schwingt sich zum Oberhaupt der nordischen Götter auf, während er Thor in die Verliese unter dem Göttersitz hinter der Regenbogenbrücke einsperrt. Dabei nimmt er auch sonst auf niemanden Rücksicht – weder auf seinen alten Stiefvater Odin, noch auf Thors große Liebe, Lady Sif. Niemand darf sich Loki in den Weg stellen, auf seinem Marsch zu Ruhm und Macht; wer es doch tut, der wird bestraft. Dennoch gibt es weiterhin einen spottenden, mächtigen Feind, den Loki nicht besiegen kann, und der sich auch nicht von seiner neuer Rolle als König von Asgard aufhalten lässt: Loki selbst. Denn er, der trickreichste aller Götter, ist in seinem tiefsten Inneren ein von Selbstzweifeln geplagter, verbitterter Gott, der seit je her unter seiner Rolle als dunkler Gegenpart zu Thor gelitten hat. Nach außen hin grausam und verschlagen, nach innen hin zerrissen und geplagt – so präsentiert sich der neue Herrscher über das Heim der nordischen Götter. Er sieht, dass es nur einen Weg gibt, mit seiner Vergangenheit aufzuräumen – er muss seinen Stiefbruder, den von allen anderen geliebten und geschätzten Thor, töten. Am Tag der Hinrichtung gelingt Thor jedoch die Flucht, er sprengt seine Ketten, und wieder einmal sind Lokis Pläne und sein Weg zur persönlichen Freiheit und der Loslösung von seiner Vergangenheit als Gegenspieler, dessen schwarze Präsenz das Weiß lediglich heller erstrahlen lassen soll, durchkreuzt ...

 

Die Geschichte lebt ganz klar von Esad Ribics Bildern, von denen jedes für sich ein kleines Gemälde ist. Atemberaubend, was der gebürtige Kroate mit Stift und Pinsel zu Papier bringt. Der zweite Blick und vor allem die Lektüre zeigen jedoch: Auch Robert Rodi ist ein Meister seines Fachs und versteht es, eine einfühlsame, spannende und zugleich mitreißende Geschichte des ewigen Zweiten droben in Asgard zu erzählen. Loki ist in diesem Band weniger der grausame Schurke, sondern viel mehr der eigentliche Verlierer in einem Spiel, das von vorne herein dahingehend konzipiert war, den Sieger durch Lokis bittere Niederlagen stets besser aussehen zu lassen. Die Szene, in der Loki dies dem Spielleiter - seinem Stiefvater Odin – eröffnet und dem alten Göttervater damit wissen lässt, dass er das Spiel, das man mit ihm seit seiner Kindheit treibt, längst durchschaut hat, ist das eigentliche Highlight dieses Bandes und alle Mal die beeindruckenste Stelle – samt Odins vielsagender Reaktion und Körpersprache, als die Türe hinter Loki ins Schloss gefallen ist. Rodi und Ribic sind das perfekte Dreamteam, die, jeder für sich, dieser im Original vierteiligen Reihe ihren Stempel auf markante Weise aufgedrückt und eine interessante Interpretation und Auslegung der Beziehung zwischen den ungleichen Götter-Stiefbrüdern vorgelegt haben.

 

Es war eine kluge Entscheidung von Panini, die Miniserie in einen gebundenen Sammelband mit Überformat zu packen, wo Ribics kleine Kunstwerke ideal in Szene gesetzt werden und man trotzdem Platz für die feinen Dialoge und Gedankenblasen Rodis hat. Bindung, Papierqualität und Druck sind in gewohnt guter Panini-Qualität, und die gelungene Übersetzung, der das Flair der alten Romane über die Helden des Nordens von Poul Anderson anhaftet, trägt ihren Teil dazu bei, die deutsche Ausgabe auf besondere Weise heraus stechen zu lassen. Die in dieser gebundenen Ausgabe gesammelte Geschichte der vier US-Hefte liest sich vermutlich am Stück sogar besser als mit den naturgegebenen Unterbrechungen einer Einzelheft-Serie mit monatlichem oder zweimonatlichem Rhythmus lesen, was ein weiterer Pluspunkt des Sammelbandes ist

 

Fazit: Es ist nicht wichtig, wer der strahlende Held und wer der niederträchtige Schurke in dieser Story ist. Lokis Geschichte ist eine Geschichte ohne Happy End, das Spiel, das er und seine Verwandten spielen, ein Spiel ohne echten Sieger. Robert Rodi und Esad Ribic haben durch ihre jeweiligen Qualitäten ein Meisterwerk des grafischen Erzählens geschaffen, das sich kein Comicfan entgehen lassen sollte. Mit so einem Band wäre es sogar vorstellbar, einen bis dato militanten Nicht-Comicleser zu diesem Medium zu bekehren. Eine tolle Geschichte in toller Verpackung - und damit ein rundum gelungener Graphic Novel, den man einfach gelesen haben muss.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329141343f61dac41
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Comic:

Loki

Autor: Robert Rodi

Zeichner: Esad Ribic

Verlag: Panini

Format: Hardcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3899219326

Anzahl Seiten: 100

 


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Erstellt: 16.09.2005, zuletzt aktualisiert: 24.03.2024 10:42, 1292