Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 20
Rezension von Christian Endres
Wer zieht und schießt schneller als sein Schatten und ist obendrein auch noch der nonchalanteste Held des Wilden Westens, gleichzeitig aber auch einer der beliebtesten und besten europäischen Comichelden aller Zeiten, der zudem derzeit auch noch mit einer hübschen Gesamtausgabe auf Deutsch gewürdigt wird? Richtig – Lucky Luke! Die Abenteuer des beliebten Cowboys sch(l)ießen nach einem halben Jahr mit Band 20 die Klassiker der Comicliteratur ab. Dabei vereint der letzte Band der Klassiker-Bibliothek der FAZ folgende Geschichten zu einem 256 Seiten starken Schmankerl:
Die Erbschaft von Rantanplan
Der weiße Kavalier
Der Apachen-Canyon
Die Rückkehr von Revolver-Joe
Round-Up
Der große Kampf
Der Desperado mit dem Milchzahn
Gastfreundschaft im Wilden Westen
Maverick
Ein Mann wie Wyatt Earp
Der fliegende Händler
Gefährliche Überfahrt
Sonate in Colt-Dur
Dicke Luft in Pancake Valley
In diesen vierzehn Geschichten hat eigentlich alles seinen Auftritt, was man mit Westerncomics im Allgemeinen oder den charmanten Abenteuern von Lucky Luke im Besondern verknüpft: Revolverhelden, Banditen, Indianer – Klischees werden gerne erfüllt, und wie schon im Vorwort erwähnt und erklärt, auch manch eine Wiederholung bereitwillig in Kauf genommen –, und natürlich auch die Lucky-Luke-spezifischen Western-Figuren wie Jolly Jumper, die vier Dalton-Brüder und der trottelige Hund Rantanplan (welcher dieses Jahr übrigens ebenfalls mit dem Start einer Werkausgabe, die seine Strips im querformatigen Hardcover zusammenfasst, liebäugeln darf) haben ihre Auftritte und erfreuen den Leser mit ihren spritzigen, gut durchdachten und grafisch hinreißend umgesetzten Geschichten.
Was soll man über das Artwork von einer Legende wie Morris und über die Texterqualitäten einer nicht minder legendären Koryphäe wie René Goscinny schreiben, das nicht schon längst über diese beiden, ihr Wirken und ihr Schaffen gesagt worden ist? Vielleicht eine kleine Anmerkung: Da der Band mit Goscinny-Geschichten beginnt und auch mit ihnen aufhört, sind die Geschichten, die Morris in der Anfangszeit von Lucky Luke 1952 alleine gezeichnet und eben auch getextet hat, ein etwas eigenwillig angeordneter, aber sehr hübscher Kontrast, welcher beispielhaft und exemplarisch zeigt, wie sich eine Serie auch optisch noch verändern kann.
Das Herz des Bandes ist die vorzügliche Auswahl der Geschichten, auch wenn es bei Lucky Luke wohl eher so gewesen sein dürfte, dass man seine Lieblinge rauspicken musste und dabei im Grunde nicht allzu viel falsch machen konnte. Das soll die Leistung der Redaktion aber nicht schmälern, zumal der Band diesmal wieder ein sehr schönes Vorwort beinhaltet, in dem Patrick Bahners erstmals vollauf überzeugen kann und genau den richtigen Ton findet. Schade, dass dies erst im letzten von ihm eingeleiteten Band der Fall ist und er sich die Bände davor, in denen das Vorwort von ihm verfasst worden war, manchmal ein wenig verkünstelt hat und über das Ziel hinaus geschossen ist.
Die Aufmachung des Taschenbuchs ist wie immer gelungen und gliedert sich als schöner Abschluss in das Gesamtdesign der Reihe ein, die jetzt, auf ihrem Höhepunkt, schon einiges im Regal her macht. Ein reichlich illustriertes Vorwort sowie einige größere Illustrationen zwischen diesem und dem Beginn der Geschichten runden den zwanzigsten Band der Reihe optisch schön ab, dessen Titelheld die Verkleinerung ins Taschenbuch übrigens ähnlich gut wie andere seiner Landsmänner – beispielsweise Gaston oder die Schlümpfe – überstanden hat und noch als halbwegs gut lesbar durch geht. Dass auch beim großen Finale der Klassiker-Reihe im Wilden Westen die Papierqualität leider etwas mau war, sei an dieser Stelle nicht eigens erwähnt ...
Fazit: Lucky Luke ist ein Klassiker der Comicliteratur, und zwar ein ganz großer, der bis heute eine Vielzahl Leser verzaubert und gekonnt mit Klischees des amerikanischen Freiheitstraums zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielt und dabei mit Witz, Charme und viel Gefühl für einen guten Plot zu begeistern weiß.
Der letzte Band der Klassiker der Comicliteratur wird dem einsamen Cowboy vollauf gerecht und präsentiert durchwegs gute Geschichten von Lucky-Luke-Schöpfer Morris bzw. Texter Goscinny und Morris am Zeichenbrett. Mit ein paar Abstrichen bei Papierqualität und vielleicht der Verkleinerung zum Ende dieser ambitionierten Reihe der FAZ liegt hier noch einmal ein richtiges Schmankerl vor, das mir – nicht zuletzt ob des Vorwortes und des Preis-Leistungs-Verhältnisses – am Ende noch einmal guten Gewissens eine satte Empfehlung wert ist.
I´m a poor, lonesome Cowboy ...
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