Filmkritik von Christel Scheja
Rezension:
Britische Serien laufen nach einem etwas anderen Schema ab als amerikanische oder die anderer europäischer Länder. Die Staffeln haben selten mehr als dreizehn Episoden, oft genug umfasst eine auch nur drei Episoden. Und nicht selten sind die Folgen länger als die gewohnten 45 min. Auch „Luther“ gehört zu den Serien von denen maximal drei 90-100 min lange Folgen pro Jahr produziert werden.
Im Mittelpunkt steht Detective Chief Inspector John Luther, der nach einer längeren Auszeit wieder in den Job zurück kehrt. Bei der Verhaftung des Serienmörders Henry Madsen, der seither im Koma liegt, hat er ein schweres Trauma erlitten, dass ihm auch jetzt immer noch zu schaffen macht, zusätzlich zu der Trennung von seiner Frau Zoe, die immer noch nicht ganz vollzogen ist, da diese zwar einerseits nicht mehr mit seinen Gefühlsausbrüchen zurecht kommt, ihn andererseits auch nicht allein lassen will, auch wenn sie bereits einen neuen Freund hat, einen sensiblen und feinfühligen Künstler, der das genaue Gegenteil von John Luther zu sein scheint.
In seiner Einheit bekommt er es nicht nur mit den altgedienten sondern auch zwei neuen Kollegen zu tun, die große Stücke auf ihn halten. Das sorgt für zusätzlichen Druck, da er die beiden nicht wirklich enttäuschen möchte.
Schon der erste Fall hat es in sich. Er ermittelt in dem Mordfall an einen gutsituierten älteren Ehepaar und lernt dabei auch Alice Morgan kennen, eine selbstbewusste junge Frau, die sich durchaus ihres Genies im Bereich der Naturwissenschaften bewusst ist.
Etwas an ihr macht ihn stutzig, aber es gibt keine Beweise, dass sie etwas mit den beiden Todesfällen zu tun haben könnte. So lässt er sich auf ein gefährliches Spiel mit der jungen Frau ein, die sich nur vor ihm als kaltblütige Psychopathin outet und ansonsten ihre Maske weiter trägt. Zunächst piesackt sie ihn, indem sie seine Vergangenheit ausgräbt und ihn immer wieder an seinen größten Fehler erinnert. John Luther geht auf ihre Spielchen ein. Er hofft sie so eines Tages stellen zu können, wenn sie einen kleinen Fehler begeht.
Doch zunächst einmal gibt es dringendere Falle zu lösen – ein Serienmörder muss aufgehalten werden, der scheinbar wahllos Polizisten umbringt. Alles weist dabei auf einen ehemaligen Soldaten hin. Doch Luther stellt fest, dass noch mehr dahinter steckt und sieht sich das Umfeld des jungen Mannes genauer an.
Und nur kurze Zeit später steht er selbst im Visier der Ermittler. Jemand, der ihn loswerden will, schiebt Luther einen Mord in die Schuhe. Kann er seine Unschuld rechtzeitig beweisen.
Englische Krimiserien sind immer für eine Überraschung gut, selbst wenn sie sich altbekannter Versatzstücke des Genres bedienen. Aber es gelingt den Autoren und Machern oft genug, archetypischen Figuren und gerne genutzten Klischees neues Leben einzuhauchen. Das schaffen sie vor allem dadurch, dass sie nahe an der Realität bleiben und die menschliche Seite ihrer Figuren betonen. Helden wie Schurken haben eine Vorgeschichte, die sie prägt, zeigen Fehler und Schwächen auch wenn sie stark sein wollen.
John Luther mag zwar auf der einen Seite der messerscharf denkende und einfühlsame Ermittler sein, dem selbst kleine Details auffallen, er hat aber auch heftige Gefühlsausbrüche, die ihn schon einmal zu Unaufmerksamkeit verleiten. Dadurch läuft er oft genug in offensichtliche Fallen.
Alice Morgen scheint zumindest in dieser Staffel noch perfekt zu sein. Sie bleibt von Anfang bis Ende die eiskalt kalkulierende Psychopathin, die genau weiß was sie tut und scheinbar keine Gefühle hat. Sie weiß genau, wie sie Luther manipulieren muss, auch wenn man mit der Zeit die Ahnung bekommt, dass sie ihn nicht nur als intellektuell gleichwertigen Gegner zu schätzen weiß.
Neben dem intensiven Spiel der Hauptfiguren verblassen die anderen Charaktere etwas, vor allem Luthers Untergebene werden erst sehr spät weiter entwickelt und sind die meiste Zeit nur seine Stichwortgeber. Ähnliches trifft auf die restlichen Mörder zu.
Gewalt wird in der Serie nicht ausgeklammert, wenn auch niemals zum Selbstzweck genutz7t. Sie ist meist Ergebnis heftiger Gefühlsregungen oder des Fehlens davon und kommt oft plötzlich und unerwartet, was zartere Gemüter vielleicht erschüttern könnte.
Dennoch zieht die Serie einen schnell in ihren Bann, da man durch die personenzentrierte Gestaltung erst einmal nicht vorhersehen kann, wie die Geschichte nun weiter verläuft. Auch ist nicht immer sicher, ob der Täter überführt wird und ob die Helden unbeschadet aus der Sache heraus kommen. Da die erste Staffel auch noch mit einem Cliffhanger endet, darf man neugierig auf die Fortsetzung in der ebenfalls bereits erschienenen zweiten Staffel schauen.
An Extras fällt die Box eher mager aus, dafür sind Bild und Ton sehr gut und einer Fernsehserie der heutigen Zeit angemessen.
Fazit:
Alles in allem bietet „Luther“ intelligent gemachte Krimiunterhaltung mit vielschichtigen Figuren und realistisch wirkenden Fällen, die gerade dadurch spannend werden, dass man sie nicht voraussehen kann. Allerdings geht es auch nicht gerade sanft und gediegen zu, so dass sich zartfühlendere Seelen gelegentlich durch die überraschenden Gewaltausbrüche erschrecken könnten.
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