Meine Zwerge fliegen hoch
Rezension von Ralf Steinberg
„Hey, meine Trolle sind nicht schwach!“
„Jetzt schon, hihi!“
Man sollte sich nicht allzu viel Freundlichkeit ins Gepäck stecken, wenn man Gewinner sein möchte bei „Meine Zwerge fliegen hoch“. Besser ist es da schon, mit eiskaltem Blick den Gegner fest in die Augen zu blicken und im entscheidenden Augenblick ein sanftes „Vergiss es!“ in den Raum zu hauchen.
Denn eine Karte mit jenen zwei Worten kann eine Menge Planung zunichte machen, gründlich! Und Spaß und Freude verbreiten, beim Gewinner natürlich.
„Meine Zwerge fliegen hoch“ ist ein Kartenspiel mit Würfeln und Spielsteinen, passt in eine Box, etwas kleiner als A5, und ist somit ein idealer Reisebegleiter.
Würfel und Spielsteine sind aus Holz und sauber gearbeitet. Die Taler sind runde Pappscheibchen, der Spielplan ein kleines Faltblatt.
Die Regeln erinnern etwas an Yu-Gi-Oh ohne dessen Ernst zu besitzen und auch ohne die durch das Sammeln bedingte Ungerechtigkeit, denn bei den Zwergen und den anderen Kreaturen geht alles strickt zufällig ab. Denn ob du ein guter Stratege bist oder nicht - ist doch auch Zufall, oder etwa doch nicht?
Jedenfalls sind die Regeln sehr einfach. Jeder der maximal vier Mitspieler bekommt vier Karten, wobei der Typ mit den dreckigsten Händen anfängt. Klare Sache, wenn man mit Kindern spielt.
Solange noch Karten auf den zwei verdeckten Stapeln sind, kann man am Ende seines Zuges und nach Kämpfen, die Kartenhand wieder auf fünf auffüllen.
Wer dran ist, kann entweder eine Kreatur aufdecken, eine Fertigkeitskarte auf eine Kreatur legen, eine Karte wegschmeißen oder in den Kampf ziehen.
„Zivilisierte“ Kreaturen, ob Trolle, Orks, Zwerge, Goblins oder Elfen haben sich einen gepflegten Hass zugelegt, so dass ein Miteinander nicht immer möglich ist. Ein Spieler kann also seine Goblin in den Müll werfen, wenn er einen Elf ausspielt („Wenn ich komme gehen Goblins“ - womit bewiesen ist, dass auch Grünhäute Intelligenz und Geschmack besitzen). Sollte es sogar der dritte Elf gewesen sein, fliegen auch alle ausgespielten Goblins der anderen Spieler vom Tisch.
So ist es ein ständiges Kommen und Gehen auf dem Tisch.
Gnome kommen mit jedem zurecht, aber wer ein Spaghettisieb auf dem Kopf trägt darf wohl nicht wählerisch sein.
Eher einzelgängerischen Kreaturen, wie Riese, Titan, Meduse, Yeti und dergleichen ist es ziemlich Schnuppe, wer sich da so rumtreibt.
Mit Fertigkeitskarten kann man eine Kreatur oder eine Gruppe davon aufpeppen. Etwa „Meine Zwerge sind gierig. Nun sammeln sie eher Gold ein. Allerdings kann man solch eine Fertigkeit auch auf die feindlichen Karten ablegen. Da immer nur eine Fertigkeit pro Gruppe liegen darf, macht es durchaus Sinn, etwa „Meine Elfen sind stark“ durch die passendere Karte „Meine Elfen sehen nichts“ zu ersetzen. Pech, wenn diese Fertigkeit der Gruppe wie ebenjenes bis zum Schluss anhaftet und man keine neue Elfenfertigkeit zieht, sie zu ersetzen.
Mag man eine Karte gar nicht, entsorgt man sie auf dem Ablagehaufen und zieht eine neue.
So richtig lustig wird’s erst im Kampf. Je nach Kampfkarte toben bis zu fünf Kreaturen auf dem Schlachtfeld um den sagenhaften Schatz zu ergattern Der besteht aus Goldstücken, denn im Spiel siegt derjenige, der zuerst 15 Taler beisammen hat.
Neben der auf der Kampfkarte vermerkten Kampfesbeute kann man sich auch für jede erwürfelte Eins ein Goldstückchen sichern, so man den Kampf gewonnen hat und nichts anderes vermerkt ist. Die oben erwähnten Elfen sehen wegen ihrer Blindheit nämlich gar kein Gold, während Gnome auch bei einer Zwei fündig werden, sie sind ja auch dichter am Boden.
Jede Kreatur hat einen festen Wert der besagt, mit wie vielen W6 sie im Kampf würfeln darf. Damit man sich die großen Zahlen nicht merken muss, setzt man einen klitzekleinen Kampfstein auf einer als Spielfeld titulierten Tabelle für jedes erwürfelte Ergebnis weiter. Für das gefundene Gold hat man einen extra Stein. Der Ausspieler der Kampfkarte beginnt und alle andern moschen mit.
Hat jeder seine Steinchen verrückt, kommen große Ereignisse auf einen zu, die am Kampfstand noch einiges drehen können, etwa zusätzliches Würfeln oder dergleichen. Dieses steht auf Ereigniskarten. Jeder Spieler legt eine solche Karte verdeckt auf den Tisch. Muss er aber nicht. Hat er keine und will trotzdem, macht er es einfach. Hier kann man durch geschicktes Bluffen den Gegner zwingen, eine Ereigniskarte zu spielen, ohne das man selbst auch eine hinschmeißt, man nimmt einfach eine unnötige andere. So kann man die eingangs erwähnte Karte „Vergiss es“ aus den verkrampften Fingern der Anderen herauskitzeln.
Denn alle als Ereigniskarten verdeckt ausgespielten Karten werden mit einem mal enthüllt und der Reihe nach abgearbeitet. Nur eben die „Vergiss es!“ Karte zerstört eines der anderen Ereignisse.
Wenn die Auswirkungen auf den Kampf abgehandelt sind, kriegt der Beste das Gold, die andern die Ehre.
Allerdings ist nichts so langweilig, wie der Erfolg, daher sucht die stärkste Kreatur des Siegers schnell das Weite und den Ablagestapel auf.
Diese schöne Regel verhindert Eintönigkeit im Spiel.
Und das war’s schon an Regeln. Sie lassen sich in einer Viertelstunde erlernen und lassen keine Fragen offen. Einfach und motivierend. Die Regeln stehen auf einem Faltblatt, was zwar etwas umständlich ist, aber der besseren Unterbringung in der Schachtel geschuldet scheint.
Das Spiel ist schnell, unvorhersehbar und letztendlich gnadenlos zu jedem.
Einen großen Anteil an der lustigen Atmosphäre während des Spiels hat das Kartendesign des Dork Tower Zeichners John Kovalic. Wie oben bei den Gnomen schon goutiert, nehmen sich die Karten selbst nicht ernst. Sie vermitteln durch die überzeichneten Rassenmerkmale die richtige Portion Ironie, um trotz der Härte des Geschehens keine Tränen zu erzeugen.
Fazit:
Bei „Meine Zwerge fliegen hoch“ stimmt einfach alles: Verpackung, Regeln, Material und Spielspaß – eine uneingeschränkte Empfehlung für Alle, die Freude am Leben haben und denen ein fairer Sieg zu langweilig ist.
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