Merian C. Coopers King Kong v. Joe DeVito & Brad Strickland
Rezension von Christian Endres
1932 kletterte er zum ersten Mal mit Fay Wray als weißer Schönheit in der behaarten Hand auf ein Hochhaus über den Dächern von New York – 2005 schickte ihn zuletzt Kult-Regisseur Peter Jackson in die Lüfte über der Großstadt fernab seiner archaischen Heimat auf Skull Island, wo er von den Einheimischen als Gott verehrt wird und regelmäßig ein weibliches Menschenopfer bekommt: Merian C. Coopers Riesenaffe King Kong ist – ähnlich Godzilla – wohl eines der halbwegs zeitlosen, nie aussterbenden Hollywood-Ungeheuer, die sich allein von Nostalgie und Studio-Millionen ernähren zu können scheinen und die Zeit überdauern, während nur die voran schreitende Tricktechnik ihnen gelegentlich ein Knurren entlockt. Dabei ist der König des Dschungels bereits 1929 ganz schön wegweisend gewesen, als sein geistiger Vater Cooper ihn erstmals auf die Leinwand schicken und ferner auch in Buchform pressen wollte – und damit gleichzeitig das Film-Business mit kräftiger technischer Unterstützung zu revolutionieren gedachte. Joe DeVito und Brad Strickland haben sich nun, über siebzig Jahre nach Kongs Debüt, aufgemacht, Coopers Abenteuer-Klassiker an die heutige Zeit anzupassen, indem sie dem Original-Roman einen so genannten »Rewrite« spendierten. Blanvalet präsentiert diesen im März 2007 im günstigen Taschenbuch ...
Es beginnt in einem Wald, alle Rechte sind bezahlt und es endet doch daheim. Der Wald ist in diesem Fall der Urwald auf Skull Island irgendwo im Pazifik, die Rechte dürften dann wohl die Investitionen und vor allem die Hoffnungen der Filmcrew sein, und enden tut es bekanntermaßen wieder »Zuhause«, über den Dächern von New York City, wo der Affe sich mit einer Schönheit in der Faust an einem Hochhaus festklammert, nachdem sowohl King Kong, als auch das Filmteam einige gefährliche Abenteuer zu bestehen gehabt haben und sich in der ungezähmten Wildnis von Kongs Heimatinseln mit Bestien, Naturgewalten und heidnischen Einheimischen auseinander setzen mussten.
Mehr muss man zur Story eines Produkts, das sich mit King Kong beschäftigt, wahrscheinlich nicht mehr sagen – schließlich ist es mit diese Vertrautheit, dieses Allgemeingut, zu dem die Geschichte nach all den Versionen in Film und Literatur gehört, die das ganze Rewrite-Projekt stützt.
Stilistisch fehlt dem dabei entstandenen Text vor allem das nötige Gefühl für sprachlichen Rhythmus – ob es sich dabei um ein Problem der Übersetzung oder einfach nur gelegentliches Unvermögen der Autoren handelt, sei dabei nun einmal hin gestellt. Faszinierend ist allerdings, dass trotz der manchmal ganz schön hakenden, sperrigen Satzkonstrukte ein gewisses zeitliches, ja nostalgisches Flair aufkommt, das gut zu King Kong – schließlich einem anerkannten Klassiker seiner Art – passt.
Die oberflächliche, aber keinesfalls schlechte Charakterisierung der Protagonisten erinnert dann allerdings nur allzu deutlich an die frühen Gehversuche auf der Leinwand und damit an eher stereotypes Hollywood-Kino. Doch auch hier gehen die Mittel wieder mit dem Zweck konform und tragen zum nostalgischen Charme des Buches bei.
Von der Aufmachung her lässt sich das Taschenbuch von Blanvalet nicht lumpen: Die gewohnte Qualität in Sachen Verarbeitung, dazu ein ausführliches Vorwort zu Cooper sowie ein paar recht schmucke Bleistiftzeichnungen von Joe DeVito (der auch für das Cover verantwortlich ist). Das alles zusammengeführt auf über 300 Seiten für faire 6,95 Euro – da kann man nicht meckern. Und da kann man ruhig mal zugreifen und sich überraschen lassen ...
Fazit: Tja. Das ist er also. Der »Rewrite« von King Kong. Und was ich davon halten soll, das weiß ich auch nach beendeter Lektüre immer noch nicht genau. Es ist nicht der Original-Roman. Es ist nicht der Roman zum Film. Es ist – ein Rewrite! Aber macht das in der Literatur überhaupt Sinn? Andererseits: King Kong dürfte (mit seinem brüllenden Urwald-Kollegen Tarzan) wohl eine der Figuren sein, welche in ihrer Geschichte (und der Geschichte des jeweiligen Mediums) die meisten Remakes und neuzeitlichen Versionen aus Hollywood ertragen musste – warum also nicht auch die literarische Vorlage noch mal neu interpretieren?
Ob die Intention der beiden Autoren 2005 (zufälligerweise passend zum Filmstart der Neuverfilmung von Peter Jackson, der in den Jahren davor mit der Adaption von Tolkiens Herrn der Ringe nicht nur für Erfolge an den Kinokassen, sondern auch der Begleitprodukte gesorgt hat) aber wirklich so nobel und selbstlos war und sie lediglich heroisch einen angestaubten Klassiker früherer Tage für ein jetziges Publikum zuschneidern und modernisieren wollen, das sei einmal dahin gestellt.
Ungeachtet all dieser Überlegungen und einiger grober stilistischer Mängel gilt aber dennoch: Wer sich für pulpige Abenteuer-Literatur mit dem Charme der großen Abenteuer-Film-Glanzlichter der 30er Jahre begeistern kann und nicht zu viel von der Frischzellenkur dieses Klassikers mit seinem affigen Hauptdarsteller erwartet, darf hier durchaus mal reinschauen und sich vom guten Preis-Leistungs-Verhältnis zu einer kurzweiligen Lektüre verführen lassen.