Redakteur: Björn Backes
Inhalt:
Michael Clayton ist in seiner Anwaltskanzlei der Ausputzer, der Mann fürs Grobe. Er übernimmt die unbequemen Fälle, leistet die Vorarbeiten und spielt schließlich seinen Kollegen die Bälle zu, die vor Gericht dann die große Show abliefern können. Während er mit diesem Part halbwegs zufrieden ist, hat sich sein Privatleben inzwischen zur mittelschweren Tragödie entwickelt. Sein Restaurantprojekt ist bankrott, und auch seine Vergangenheit als Spielsüchtiger hängt ihm im Nacken. Als dann ausgerechnet sein befreundeter Staranwalt Arthur außer Kontrolle gerät und seine manischen Anfälle auf den laufenden Fall überträgt, wird es auch für Michael eng. Ihm wird nach und nach bewusst, dass der Kollege seit Jahren gegen die eigene Anwaltskanzlei arbeitet, welche seit geraumer Zeit ein Unternehmen für biochemische Stoffe vertritt, welches wiederum billigend in Kauf genommen hat, dass eines ihrer Produkte mehrere Todesopfer gefordert hat. Je weiter Clayton in den Fall eindringt, desto klarer offenbaren sich ihm die wahren Hintergründe: Die gesamte Führungsetage der Kanzlei scheint in die Affäre verstrickt, und als kurze Zeit später Arthur auf zweifelhafte Weise ums Leben kommt, wird Michael bewusst, dass das Vertrauen in seine Kollegen nicht mehr gewährleistet ist. Vier Tage später sieht er klar: Sein Auto wird in die Luft gejagt, und Clayton wird mit einem Mal zum wissenden, aber unschuldigen Opfer…
Rezension:
Ein Oscar für die beste Nebendarstellerin, die hat sich die eigentlich sehr unscheinbar, aber in ihrer Rolle absolut souverän agierende Tilda Swanton als Führungskraft eines zweifelhaften Chemieunternehmens redlich verdient. Elegant, bösartig, falsch und hinterlistig: Gerade wenn es darum geht, die anrüchigsten Ausdrücke ans Tageslicht zu bringen, zeigt die agile Diva ihr ganzes schauspielerisches Können und brilliert in ihrer grundsätzlich weniger spektakulären Rolle. Genau dies ist aber auch sinnbildlich für den gesamten Streifen, den niemand geringer als „Bourne“-Drehbuchautor Tony Gilroy in seinem Regiedebüt erschaffen hat. Die Schauspieler liefern durch die Bank Glanzleistungen ab und retten den eigentlich eher müden Plot, der inhaltlich sehr sperrig ist und in seiner Struktur letztendlich auch nicht gerade die günstigsten Formen annimmt.
Das eigentliche Dilemma beginnt schon in den ersten Szenen, die gleichzeitig auch schon fast den Abschluss der Handlung bilden. Clooney bzw. Clayton übernimmt einen neuen Ausputzerjob, macht einen kurzen Halt an einem nebligen Hügel und sieht mit an, wie sein Wagen völlig überraschend explodiert. Anschließend ein kurzer Cut, Rückblende vier Tage zuvor, als die Tragödie ihren Lauf nimmt, und dann erst setzt die eigentliche Erzählung an. Grundsätzlich ist die Idee mit dem Flashback dabei gar nicht mal so verkehrt, würden Gilroy nicht schon einige wichtige Inhalte vorwegnehmen. Zwar nimmt das Ganze in den rückwirkend dargestellten vier Tagen noch einige unverhoffte Züge an, aber da man schon bestimmte Eindrücke hat sammeln können und die Rollenverteilung schon vorgenommen wurde, bevor sich überhaupt erst Überraschungsmomente hätten auftun können, erleidet der Spannungsaufbau schon einmal erste Schäden – irreparable, wie sich in der Rückblende leider bestätigen lässt.
Unterdessen ist das Potenzial der Geschichte wirklich überwältigend und tritt dem Abwärtstrend der Grisham-/Gerichtsstreifen sehr selbstbewusst entgegen. Die Motive sind gut durchdacht, das Skript an sich fantastisch, und auch was die Ausarbeitung der Background-Story anbelangt, spielt „Michael Clayton“ fortwährend in der ersten Liga. Und dennoch: Irgendwie passiert einfach nichts; die Inszenierung ist weitestgehend lahm und phasenweise arg dialoglastig, kommt dementsprechend auch nie so recht in die Gänge. Aus diesen Gründen können sich auch die Charaktere nur bedingt entwickeln, wobei man ganz klar festhalten muss, dass die Akteure allesamt das Beste aus ihren Möglichkeiten herausholen. Aber erst als Clayton selber im Rahmen der Geschichte auf die Abschussliste gerät, kommt die längst überfällige Brisanz zum Tragen. Die wichtigsten Aspekte des Thrillers können sich endlich entfalten, müssen aber alsbald realisieren, dass der Film just zu diesem Zeitpunkt auch schon seinen Höhepunkt erlebt und in Kürze sein Ende findet. Oder um es schlichter auf den Punkt zu bringen: Bevor sich ein echtes Spektakel entwickeln kann, ist das Pulver bereits verschossen.
Diese latente Stille, die sich durch die gesamte Handlung zeichnet, muss natürlich nicht dringend kontraproduktiv sein. In diesem Fall jedoch ist sie eine deutliche Bremse, die das Brodeln an der Oberfläche jederzeit abwürgt und keine zwischenzeitlichen Explosionen zulässt. Folgerichtig ist auch der Aha-Effekt am Ende der Story kaum mehr aufregend. Es ist eben alles sehr gewöhnlich, was in „Michael Clayton“ geschieht – und dies einzig und allein wegen der biederen Präsentation und der stellenweise doch recht langweiligen Inszenierung.
Fazit:
„Michael Clayton“ wartet mit einer Starriege auf und darf sich auch zu Recht mit einem Oscar schmücken. Symbolisch ist jedoch, dass dieser für eine Nebenrolle verliehen wurde. Denn irgendwie wirkt alles in diesem grundsätzlich sicher anständigen Streifen nebensächlich und unwichtig, weshalb man auf einen adäquaten Spannungsaufbau leider komplett verzichten muss. Den Schauspielern darf man’s nicht anlasten, sie machen allesamt einen fantastischen Job. Doch die Umsetzung der starken Materie, die ist durch die Bank dürftig und ermüdend.
Nach oben