Mutant mit Klauen: Die Wolverine-Anthologie
 
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Mutant mit Klauen: Die Wolverine-Anthologie

Rezension von Ingo Gatzer

 

Es ist rund 50 Jahre her, seit Wolverine seinen ersten Auftritt hatte. Grund genug, den Vielfraß mit dem Werk Mutant mit Klauen: Die Wolverine-Anthologie zu würdigen. Der Band ist 348 Seiten stark und enthält nicht nur 16 Geschichten über den (Anti-)Helden aus zahlreichen Dekaden. Das Lesepublikum erfährt auch viel Spannendes über seine Feinde, Freunde und Gruppen. Hilfreich sind auch die Einleitungen zu den einzelnen Storys, die diese in den jeweiligen Kontext einordnen.

 

Fehlen darf natürlich nicht Und der Wind heult … Wendigo (Incredible Hulk #180) aus dem Jahr 1974. Denn in der von Len Wein verfassten Story taucht Wolverine das erste Mal auf – allerdings erst im letzten Panel. Zudem würde der folgende Beitrag Jetzt kommt … Wolverine! (Incredible Hulk #181) ohne diesen Auftakt etwas im leeren Raum hängen. Lee Wein konzipiert Wolverine in dieser eher simpel gestrickten Story als Schläger und Antagonist. Dennoch macht die Doppelgeschichte auch nach 50 Jahren noch Spaß – selbst wenn sich der zentrale Twist bald erahnen lässt. Das liegt auch an den Zeichnungen von Herb Trimpe, der die übernatürlichen Kontrahenten zwischendurch im XL-Format ansprechend präsentiert. Leider hat Trimpe ausgerechnet beim ersten Auftritt von Wolverine dessen Kostüm bzw. Marke ziemlich verbockt.

 

Eine Berechtigung hat fraglos auch Der verwunderte Wolf (Classic X-Men #25) aus dem Jahr 1986 von Chris Claremont und Barry Windsor-Smith. Die Geschichte etabliert nicht nur die Antagonistin Lady Deathstrike, sondern beleuchtet auch Wolverines Charakter. Dazu gibt es eine spannende Story – auf die es später noch Bezüge gibt – und packende Fights. Barry Windsor-Smith liefert atmosphärisches Schneetreiben und teilweise toll detaillierte Panels. Die Hauptfigur gerät ihm aber aus heutiger Sicht etwas dunkel und haarig. Zudem wirken einige Hintergründe zu trist.

 

Schau ihm bloss nicht in die Augen (1988) (Classic X-Men #25) von Ann Nocenti und John Bolton ist so etwas wie der zeitlose Konflikt zwischen Mensch und Tier sowie Jäger und Beute. Die kleine Story veranschaulicht die Wildheit von Wolverine und punktet mit starken Bildern.

 

Die 1989 entstandene Story 24 Stunden (Wolverine #10) zeigt Sabretooth als Erzfeind von Wolverine und lebt von dem Konflikt zwischen den beiden. Chris Claremont liefert eine bis heute packende Hatz auf mehreren Zeitebenen. John Buscema liefert dazu dynamische Panels.

 

Mit Blut, Sand und Krallen!, … Deine Stunde schlägt! und Rückzug & Angriff (Wolverine #35 bis #37) folgt der Blut und Krallen-Dreiteiler. Die unglaubwürdige Zeitreise-Story von Larry Hama wirkt heute allerdings etwas albern. Sie ist in etwa so subtil wie der Name des Bösewichts: Hauptmann Horst Schlachter. Zudem trübt eine aufgesetzt wirkende Pseudo-Coolness den Lesespaß. Immerhin zitiert Hama im sonst misslungenen Dreiteiler die Wurzeln von Wolverine – wenngleich etwas unmotiviert. Die Zeichnungen von Marc Silvestri mit eher langweiligen Hintergründen reißen die drei Comics dann auch nicht aus typischer Durchschnittsware heraus. Viel zu selten zeigt der Zeichner, was er kann; etwa beim (zu kurzen) Kampf von Wolverine und Lady Deathstrike. Auch wenn die Trilogie nicht untypisch für den Krallenschwinger ist, wirkt der sperrige Dreiteiler aus heutiger Sicht in dieser Anthologie etwas verschenkt. Weniger davon und mehr – bzw. überhaupt etwas – von Old Man Logan wäre hier wünschenswert gewesen.

 

Zum Glück präsentiert sich der Rest der Anthologie deutlich stärker. Sehenswert ist dabei etwa Manhattan der Nacht (Wolverine #95), was vor allem am herrlich überzeichneten Stil von Adam Kubert liegt. Karikaturhaft zeigt der Zeichner seine Kunst auch immer wieder in großen Panels. Das gefällt zwar damals wie heute nicht allen, liefert aber Schauwerte. Punkten kann dabei auch die Story, für die wiederum Larry Hama verantwortlich ist und einen coolen wie animalischen Wolverine zeigt.

 

Bis demnächst, Frankie (Wolverine #186) von Frank Tieri und Terry Dodson beschreibt die Auseinandersetzung von Wolverine und dem Punisher. Historisch ist das jedoch eher Kapitel zwei. Denn Garth Ennis hatte Wolverine in The Punisher zuvor als ziemlichen Idioten dargestellt. Tieri lässt hier den Vielfraß zurückschlagen, bleibt dabei aber insgesamt etwas zu verhalten. Dazu liefert Terry Dodson passable und actionreiche Bilder, die allerdings zu clean wirken.

 

In Träume (Wolverine #12) zeigt Autor Greg Rucka Splitter der Wolverine-Geschichte rätselhaft, surreal und traumhaft, aber dennoch in überzeugender Manier. Darick Robertson findet dafür ansprechende und oft stimmig-düstere Bilder, die schön plastisch wirken.

 

Ein Highlight der Anthologie ist Gefangener Nummer Null (Wolverine #32) für die Star-Autor Mark Millar verantwortlich ist. Die Geschichte über ein KZ im Zweiten Weltkrieg mag kleinere Logikprobleme haben. Sie ist aber packend und berührend erzählt. Zur schaurigen Stimmung passen die farbig teils zurückgenommenen, dann wieder knalligen Panels von Darick Robertson mit einem starken Abschlussbild.

 

Für das Doppelfeature In seiner Haut stecken Teil 1 und 2 (Wolverine #73 und #74) darf noch einmal Andy Kubert den Zeichenstift schwingen. Der nimmt sich zugunsten von etwas mehr Realismus zurück und liefert zahlreiche schön anzusehende sowie detailreiche Zeichnungen. Die Story von Jason Aaron liefert zunächst nur Schlaglichter, offenbart aber dann einen interessanten Blick in Wolverines Seele.

 

Den Abschluss bildet Der alte Mutant und das Meer von Benjamin Percy und Javi Fernandez. Die Story ist etwas melancholisch und liest sich fast wie ein Abgesang, passt aber definitiv zur Figur. Zeichnerisch bietet sie zwar kein ganz großes Kino, schmeckt aber immerhin nach solider Hausmannskost.

Fazit

Bei »Mutant mit Klauen: Die Wolverine-Anthologie« gibt es zum günstigen Preis reichlich Informatives und bis heute Lesenswertes über unseren Lieblings-Vielfraß inklusive einiger Highlights. Perfekt wäre die Zusammenstellung mit einer kleinen Prise »Old Man Logan« gewesen – gerne zugunsten des einzigen echten Ausfalls in der Sammlung, nämlich des »Blut und Krallen«-Dreiteilers.

 

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Comic:

Mutant mit Klauen: Die Wolverine-Anthologie

Autoren: Chris Claremont, Larry Hama und Mark Millar, Greg Rucka

Zeichner: John Buscema, Andy Kubert, Darick Robertson und Herb Trimpe

Gebundene Ausgabe, 348 Seiten

Panini Verlag, 07/2024

 

ISBN-10: 3741636800

ISBN-13: 978-3741636806

 

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Erstellt: 11.09.2024, zuletzt aktualisiert: 19.09.2024 16:49, 23561