Mutant Zero: Road To Eden
Rezension von Cronn
Vorsichtig schleichen wir auf das Camp der Ghule zu, das am Rand des Sumpfes liegt. Dahinter fließt der Fluss vorbei. Das Mondlicht schimmert wunderschön auf den Fluten. Auch auf den Pfützen glänzt es silbern. Bodennebel schmiegt sich um die Bäume. Er kriecht auch über die verstreuten Habseligkeiten ehemaliger Camper, die nun als Skelette an Felsbrocken lehnen. Ihr Wohnwagen ist schon lange von Moos überwuchert. Gras wächst an seinen Flanken empor. Wieder einmal frage ich mich, was die Menschen mit diesen seltsamen Gerätschaften anfangen wollten…
Der Geruch der Ghule dringt in meine feinsinnige Wildschweinnase. Er riecht scharf, zudem unangenehm käsig, und noch dazu mit einem Hauch von Fäulnis behaftet. Nur im Notfall würde ich einen von denen fressen!
Der Anführer des Klans steht mit dem Rücken zu uns. Mein Freund Dux zieht schon seine leise Armbrust, aber ich halte ihn zurück.
»Warte noch bis wir in einer besseren Position sind!«, zische ich ihm leise zu. Er zieht eine Erpelschnute und zuckt mit den Schultern. Er war noch nie der geduldige Typ.
Ich weise ihm einen Platz hinter einem Baum an, der perfekte Deckung bietet. Ich selbst kauere mich hinter den Campingwagen. Dann leite ich den Angriff mit dem Wurf eines Molotowcocktails ein, das den Schamanen voll auf die zwölf trifft. Das Feuer frisst sich an ihm fest und fügt pro Runde Schaden zu.
Dann ist Dux an der Reihe. Seine Armbrust fegt direkt den ersten Ghul von den Beinen und ins Nirvana. Fertig ist der Lachs! Ich klatsche geistig Applaus.
Anschließend sind die Ghule am Zug. Der Schamane bringt sich hinter der alten Holzhütte in Sicherheit, während sein Kumpel hinter einem alten Boiler Schutz sucht und einen mehr oder weniger ungezielten Schuss auf mich abgibt. Dieser trifft mich aber nicht und so mache ich mich auf den Weg, ihm in die Flanke zu fallen. Ich renne hinüber zur anderen Seite des Boilers und feuere eine Salve aus meiner Shotgun ab. Der Typ kippt aus den Latschen und ist damit nichts weiter mehr als lootfähiges Material.
Der Schamane zieht seine Pistole und schießt aus der Deckung heraus auf Dux. Er trifft meinen Freund aber nicht voll. Die Hälfte des Schadens schluckt der Baum. Endlich bin ich wieder am Zug. Ich renne hinüber zum Schamanen und schieße volle Kanne aus dem Laufen heraus meine Schrotflinte ab. Ich treffe den Typen voll in die Brust. Er wird nach hinten katapultiert und verliert seine letzten Lebenspunkt.
Geschafft!
Das Loot ist unser! Viel Schrott gibt es zu holen und sicherlich auch eine weitere Info über den Verleib unseres Chef-Ingenieurs der Arche. Dux und ich werden sicherlich noch weitere Abenteuer erleben.
Mutant Zero: Road To Eden heißt der Titel des neu gegründeten The Bearded Ladies-Studios. Die Entwickler haben vorher an so prominenten Titeln wie Hitman oder Payday mitgearbeitet. Mit ihrem ersten Spiel betreten sie ein Terrain, das bereits eine Vorgeschichte aufweist.
Hintergrund:
»Mutant Zero: Road To Eden« basiert auf dem Pen-And-Paper-Rollenspiel Mutant Zero, das besonders in Skandinavien erfolgreich ist. Die Vorlage ist hierzulande eher unbekannt.
Die Welt von »Mutant Zero« ist aufgrund von Umweltverschmutzung und einem Atomkrieg im Chaos versunken. Die Menschen haben nur als Splittergruppe überlebt, die in einem zusammengeschraubtem Gebäudekomplex namens »Die Arche« zusammengepfercht hausen. Sie können nur überleben, wenn sogenannte Stalker auf die Erde hinabfahren und Proviant und Schrott besorgen, was die Menschen benötigen, um sich zu ernähren und ihre Arche zu reparieren. Ihr Anführer hat aber ein schwerwiegendes Problem: Der Hauptingenieur ist verschwunden und so sollte er nicht mehr auffindbar sein, würde es schwierig, die Arche zu reparieren.
Hier kommen die Mutanten und Stalker ins Spiel. Sie bekommen den Auftrag, mehr über das Verschwinden des Ingenieurs in Erfahrung zu bringen.
Gameplay:
Man spielt eine Gruppe von Stalkern, die aus einem Wildschwein, einem Erpel, einer Füchsin und einer Söldnerin besteht. Die Tiere sind Mutanten, können sprechen und gehen aufrecht. Im Laufe des Spiels kann man seine Truppe aufleveln und so neue Fähigkeiten freischalten.
Gespielt wird in der Außenperspektive, d.h. man schaut auf seine Figuren herab.
Die Welt ist in Areale eingeteilt, die frei erkundet werden dürfen. Allerdings sind hier und da Höherlevel-Gegner postiert, die nicht besiegt werden können.
Die Welt ist atmosphärisch gestaltet. Überall trifft man auf Überbleibsel der Menschen, auf die sich die Mutanten einen eigenen Reim machen. So fragen sie sich, was wohl die Menschen einst dazu antrieb, diese seltsame »Boom-Box« zu konstruieren und vermuten schon aufgrund des Namens, dass es wohl einst eine Bombe gewesen war. Diese Texte sind das heimliche Highlight des Spiels.
Die Gegner sind Ghule, welche sich wiederum in unterschiedliche Abarten unterteilen. So gibt es beispielsweise Schamanen, die Verstärkung herbeirufen, u. a. Auch Medi-Bots gibt es. Diese reanimieren die toten Gegner und sollten daher stets zuerst bekämpft werden.
Obgleich man zunächst in Echtzeit sich durch die Welt bewegt, spielen die Kämpfe selbst in Runden. Sofern man unentdeckt ist, kann man jederzeit entscheiden, in einen Kampf einzusteigen. Diese Rundenkämpfe erinnern stark an die X-Com-Spiele und sind gelungen designt. Jeder Charakter hat mehrere Züge, die er pro Runde unternehmen kann. Anschließend sind die Gegner dran. Deren Züge lassen sich vorspulen. Eine sehr gute Idee für ungeduldige Spieler.
Die Kämpfe fordern selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad den Intellekt des Spielers heraus, sprich: sie sind schwer, z. T. bockschwer! Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Züge fühlen sich Kämpfe in »Mutant Zero: Road To Eden« teilweise wie Schach an. Muss man mögen.
Wer sich darauf einlässt, erhält eine sehr gelungene Gameplay-Erfahrung, die zudem bugfrei und stimmungsvoll durchdesignt ist.
Grafik und Sound:
Die Grafik basiert auf der Unreal-4-Engine, einem der modernsten Grafikmotoren auf dem Markt. Doch das sagt erst einmal wenig aus. Wichtig ist, was die Grafiker von den Bearded Ladies daraus gemacht haben. Und das ist sehr gut.
Die Lichtstimmung in den nächtlichen Wäldern mit den Lagerfeuern, den Pfützen im Mondlicht, den Reflektionen der Taschenlampen auf Oberflächen, etc. sieht supergut aus. Auch die Animationen sind aufwändig gestaltet. Gerade das Trefferfeedback macht Laune. Das macht »Mutant Zero: Road To Eden« insgesamt zu einem Spiel, das einen stimmigen Look in guter Grafik aufweist.
Auch der Sound passt. Die Musik schmiegt sich atmosphärisch an das Geschehen an und die Soundeffekte wirken treffend. Es sind keine unstimmigen Geräusche oder fehlende Soundquellen aufgefallen.
Fazit:
»Mutant Zero: Road To Eden« ist für Rundenspielfans ein spielgewordener Traum. Eine interessante Spielwelt, atmosphärisch ausgeleuchtet und stimmig designt, gepaart mit einem ausgeklügelten Rundenstrategie-Regelwerk mit vielen Upgrade-Möglichkeiten ergibt zusammengenommen ein sehr gutes Spiel für Freunde des Genres.
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