Nach dem Sommer von Maggie Stiefvater
Hörbuch
Rezension von Christel Scheja
Viele Romane von Maggie Stiefvater drehen sich um die Berührung der Menschen- mit der Anderswelt. Mit „Nach dem Sommer“ zeigt sie nun, dass sie auch mit beiden Beinen auf der Erde bleiben kann, auch wenn der Grundtenor der Geschichten gleich bleibt.
Der bei Skript5 erschienene Roman wurde nun auch in ein Hörbuch umgesetzt, vorgetragen von Annina Braunmiller und Max Felder, den deutschen Stimmen von Bella und Jacob aus „Twilight“. Die Lesung umfasst ca. 390 min auf 6 CD’s.
Grace ist fasziniert von den Wölfen, die die Gegend unsicher machen und sich sogar manchmal in die Nähe ihres Elternhauses wagen, auch wenn sie eigentlich Angst vor ihnen haben müsste. Denn als kleines Mädchen wurde sie an einem kalten Wintertag von dem Rudel überfallen und in den Wald gezerrt. Nur der Tatsache, dass sich damals ein junger Wolf mit leuchtenden gelben Augen vor die anderen stellte und dafür sorgte, dass sie sicher nach Hause gehen konnte, rettete ihr damals das Leben.
Seither beobachtet sie die Tiere und vor allem ihren Lebensretter und hat schon viele Fotos gemacht. Dabei spürt sie, dass diese Wölfe etwas ganz besonderes sind – vor allem der eine, der sie beschützt hat. Mit den Jahren wächst das Vertrauen zwischen ihnen, so dass er sich ihr sogar nähert und sich streicheln lässt.
Doch dann wird einer ihrer Mitschüler ganz offensichtlich von den Wölfen totgebissen, und die Erwachsenen geraten in Panik. Die Männer organisieren eine Jagd und Grace beginnt sich um ihren Freund zu sorgen.
Dann, eines Tages findet sie einen jungen Mann nackt auf ihrer Türschwelle. Er wurde angeschossen. Sie kümmert sich selbst um ihn, da er ihr seltsam vertraut ist – und richtig: Schon bald erfährt sie, das „Sam“ Mensch und Wolf zugleich ist. Noch kann er sich verwandeln und auch humanoide Gestalt annehmen, doch das wird bald ein Ende finden und er dann nur noch Wolf sein können.
Deshalb müsste er sich und ihr eigentlich versagen einander zu lieben, doch die Gefühle, die sie schon lange miteinander teilen, lassen sich weder leugnen noch betrügen. Doch kann es überhaupt eine Zukunft für sie geben, zumal auch die menschlichen Jäger und die Rudelmitglieder immer mehr von dem erfahren, was sie zu verbergen versuchen?
„Nach dem Sommer“ ist eine romantische Geschichte zwischen zwei unterschiedlichen Wesen, die auch dem Werwolf-Mythos interessante Facetten abgewinnt, zumal die Verwandlung nicht unbedingt nur durch den Mond, sondern auch die Temperatur gesteuert wird und das Rudel wirklich auch die entsprechenden Eigenschaften zeigt und nicht all zu menschlich ist.
Dazu kommen zwei interessante Charaktere, die immer wieder neue Seiten ihres Wesens zeigen und sich im Verlauf der Geschichte weiter entwickeln. Grace ist eine erschreckend normale Schülerin – guter Durchschnitt, ein wenig verträumt, aber auch sehr selbstbewusst und stark wenn es sein muss. Sam erweist sich ebenso wenig als Superheld wie als Bestie und hat neben einem ausgeprägten Beschützerinstinkt auch sehr sanfte Seiten.
Die Geschichte entwickelt sich stetig und glaubwürdig bis zum dramatischen Höhepunkt. Der Autorin gelingt es, das Schicksal der beiden nachvollziehbar zu machen, irgendwann bangt und fühlt man mit den beiden mit und hofft, dass sie wirklich eine Chance bekommen, sich zu finden.
Besonderen Reiz gewinnt natürlich die Lesung, da man bei den Sprechern gleich zwei bestimmte Figuren im Kopf hat, und damit Grace und Sam gleich auch irgendwie ein Gesicht geben und schnell in die Geschichte finden kann. Allerdings ist Grace ganz anders als Bella und auch Sam hat nicht viel von Jacob.
Die Geschichte gewinnt schnell ein Eigenleben, gerade durch die wechselseitig gelesenen Kapitel, die so ganz deutlich machen, aus welcher Sicht das ganze erzählt wird. Die beiden Sprecher geben ihren Figuren sehr schnell Profil und wissen die passenden Bilder zu erzeugen, so dass man sich entspannt zurücklehnen und einfach nur zuhören kann. Man bedauert es schon fast, wenn die Geschichte ihr Ende findet, denn sie bleibt bis zum Schluss sehr spannend, lebendig und einfühlsam.
Auch spricht die warmherzige Lesung durchaus auch erfahrenere Leser an, die sonst vielleicht nicht ganz so viel mit romantischen Geschichten am Hut haben. Angesprochen werden aber trotzdem in erster Linie Teenager und Twens, die sich in vielen Gedanken und Gefühlen wiederfinden können.
„Nach dem Sommer“ ist eine interessant umgesetzte Liebesgeschichte zwischen Mensch und Werwolf, die nicht nur der „Twilight“-Zielgruppe gefallen dürfte, sondern auch denen, die es nicht ganz so kitschig mögen. Denn gerade dieses Hörbuch zeigt, dass man eine romantische Geschichte auch realistisch erzählen kann – da es einfach nur auf die Charaktere und ihre Entwicklung ankommt.