Schattenfall (Autor: R. Scott Bakker; Der Krieg der Propheten Bd.1)
 
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Schattenfall von R. Scott Bakker

Reihe: Der Krieg der Propheten Bd. 1

Rezension von Carmen Huber

 

Mit „Schattenfall“ legt R. Scott Bakker den Auftakt zu seiner ersten Trilogie „Der Krieg der Propheten“ vor, die in den USA, Kanada und Großbritannien von Fantasylesern und Presse schon begeistert aufgenommen wurde. Die beiden Fortsetzungen – im Original unter den Titeln „The Warrior-Prophet“ und „The Thousandfold Thought“ bereits erschienen – sollen im Deutschen in einem halbjährigen Rhythmus folgen.

 

Das einst mächtige Eärwa ist inzwischen in viele kleinere Reiche zersplittert und von Zwistigkeiten zerrüttelt. Fürsten und Könige kämpfen um die Macht, religiöse Orden bekriegen sich untereinander und alle versuchen ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Als dann der Aufruf zu einem Heiligen Krieg gegen die Heiden im Süden ergeht, brandet das Echo wie eine Woge durch das ganze Land. Fürsten und Prinzen, Magier und Gläubige, berühmte Krieger und das einfache Volk – sie alle folgen dem Ruf und vereinen sich so zu einem gigantischen Heer, das das ganze Land mit dem drohenden Schatten eines gewaltigen Krieges überzieht ... Und zugleich versuchen Herrscher und Orden, sich des Heiligen Krieges zu bemächtigen und ihn für ihre eigenen Zwecke zu nutzen ...

 

Währendessen führt das Schicksal drei völlig unterschiedliche Männer unaufhaltsam aufeinander zu – sie alle spielen eine Rolle im Heiligen Krieg, von der sie anfangs noch nicht das geringste ahnen ... Und dann zeigt sich, dass dieser Krieg mehr als nur ein Feldzug gegen die Heiden ist – und dass weitaus größere Mächte dabei ihre Finger im Spiel haben ...

 

Druchas Achamian ist Hexenmeister vom Orden der Mandati. Die Mandati führen ihren eigenen Krieg gegen die Rathgeber, eine Gruppe von Magiern und Generälen, die die Welt mit einer zweiten Apokalypse überziehen wollen – nur dass die Rahtgeber schon vor langer Zeit verschwunden und seit damals nicht mehr auffindbar sind und dass außer den Mandati niemand mehr überhaupt an deren Existenz glaubt. Als Kundschafter seines Ordens ist es Achamians Aufgabe, die anderen Orden zu beobachten und ausspionieren, doch er ist innerlich zerfressen von Selbstzweifel – schon zu oft musste er für seinen Orden Opfer bringen. Und einmal mehr fordern die Mandati von ihm das höchste ein ...

 

Anasûrimbor Kellhus ist ein Dûnyain und damit Mitglied einer im Verborgenen existierenden Gruppe, die sich selbst über Jahrhunderte hinweg auf perfekte Körperbeherrschung und intellektuellen Scharfsinn trainiert hat. Doch zugleich ist Kellhus der letzte Erbe einer schon lange untergegangenen, aber einst sehr mächtigen Königsfamilie. Seine Fähigkeiten sowohl im Kampf als auch darin, andere Menschen zu manipulieren und zu täuschen, sind unglaublich, seine Ignoranz und Überheblichkeit anderen gegenüber aber nicht minder. Als sein Vater ihn in einem Traum ruft, verlässt er die seinen und bewegt sich zum ersten Mal in seinem Leben unter normalen Menschen ...

 

Cnaiür ist der stolze und stets unbesiegbare Häuptling der nomadischen Scylvendi, wild und unberechenbar wie alle seines Volkes – und sogar noch mehr als alle anderen. Doch auch er wird verfolgt von seiner Vergangenheit – seit dem Tod seines Vaters wird er angetrieben von Hass und dem Wunsch nach Rache ...

 

 

Gleich auf den ersten Blick besticht der Roman – wie man es bei Klett-Cotta gewöhnt ist – durch seine herausragende Gestaltung: „Schattenfall“ ist ein beeindruckendes Hardcover mit edlem Schutzumschlag und Lesebändchen. Und auch im Inneren kann sich die Ausstattung sehen lassen: Zwei Karten erleichtern die Orientierung, eine zeigt das Land Eärwa, die zweite stellt eine Detailansicht des wichtigsten Gebietes dar. Zusätzlich gibt es auch noch einen umfangreichen Anhang, der ein Verzeichnis der Hauptpersonen, Völker und Orden sowie eine Übersicht über die wichtigsten Sprachen und Dialekte von Eärwa und Achamias Schema beinhaltet.

 

Und so wie auch das Buch durch eine umfangreiche Gestaltung besticht, so beeindruckt „Schattenfall“ von Anfang an durch seine wunderbar ausgebaute Welt. Alles wirkt real und lebendig, ist weder alten Klischees nachempfunden noch ein idyllisches Paradies. Und vor allem der Detailreichtum der Geschichte kann begeistern: Es gibt unglaublich viele politische und religiöse Gruppen, die untereinander um die Macht kämpfen, unglaublich viele geschichtliche Details und Einzelheiten aus dem Alltag – das Leben der Menschen wird derart realistisch und glaubwürdig beschrieben, wie man es nur selten vorfindet, ohne den Versuch eine „Heile Welt“ zu erschaffen, aber zugleich fehlt auch nicht der Hauch von Magie, die teils sehr wirklich und teils recht ungreifbar ist. Die Geschichte pulsiert regelrecht vor Leben, und zugleich verliert „Schattenfall“ durch dieser Realitätsbezogenheit trotzdem nicht seine Faszination.

 

Aber gerade diese Fülle an Details bedeutet anfangs auch ein wenig ein Problem: Gleich von Beginn an wird man überhäuft mit Namen, geschichtlichen Details, religiöser Gruppen, verschiedenen Völkern und Herrschern – und die meisten davon agieren gegeneinander. Dadurch ist es zum einen schwer, einen Einstieg in die Geschichte zu finden bzw. den Überblick zu bewahren, andererseits weiß man bei den vielen Personen nicht, auf wessen Seite man denn jetzt eigentlich steht – was vor allem daran liegt, dass der Autor sich keineswegs bemüht, seine Protagonisten dem Leser sympathisch erscheinen zu lassen. Manche von ihnen hinterlassen sogar einen relativ schlechten ersten Eindruck, der sich erst nach einer gewissen Zeit revidiert. Gerade aber auch dadurch, dass der Autor nicht versucht, dem Leser seine „Helden“ aufzudrängen, lässt er jedem für sich Zeit, selbst zu entscheiden und seinen Favoriten zu wählen. Und auch wenn die Protagonisten auf den ersten Blick nicht wirklich sympathisch sind, sind sie dafür umso ungewöhnlicher und absolut einzigartig. Sie sind keine strahlenden Helden, selbstbewusst und unfehlbar, sondern haben zeitweise ganz schöne Macken und eine Menge Ecken und Kanten – was sie umso realer wirken lässt. Bakker versteckt seine Personen nicht hinter schönen Masken, sondern beschreibt Menschen mit all ihren Fehlern und Eigenheiten, lässt sie aber zugleich auch oft undurchschaubar und voller Geheimnisse sein. Zwar dauert es so ein wenig, bis man mit einer Seite wirklich warm wird und mit ihr mitzufühlen beginnt, andererseits lernt man aber auch die Gegenspieler kennen und kann ihre Motivation und ihre Beweggründe nachvollziehen. Bakker verzichtet auf die standardmäßige Schwarz-Weiß-Malerei bei der Persönlichkeit seiner Charaktere und bewegt sich in vielen Graustufen, was einen großen Reiz seiner Geschichte ausmacht.

 

Und Durchhalten lohnt sich, denn gegen Ende hin wird die Geschichte immer besser – was vor allem daran liegt, dass man sich an das komplexe Umfeld gewöhnt hat und auch endlich mit den Protagonisten mitzufiebern beginnt. Das letzte Drittel wird dann immer spannender, und am liebsten würde man gar nicht mit dem Lesen aufhören und sofort mit dem zweiten Band weitermachen – nur dass das noch ein wenig dauern wird. Auf die Fortsetzung darf man aber bereits gespannt sein, denn vieles bleibt noch im Dunkeln und viele Andeutungen beginnt man gerade erst halbwegs zu verstehen.

 

Fazit:

„Schattenfall“ ist ein anspruchsvoller Fantasieroman und zugleich auch ein wirklich gelungener Auftakt, der schon neugierig auf die Fortsetzung macht – und der absolut lesenswert ist!

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240426114333c3967a3f
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Schattenfall

Reihe: Der Krieg der Propheten Bd. 1

Autor: R. Scott Bakker

Gebundene Ausgabe: 650 Seiten

Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1 (Juli 2006)

ISBN: 3608937838

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 09.09.2006, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 15:55, 2739