Sherlock Holmes und die Legende von Greystoke von Philip José Farmer
Rezension von Christel Scheja
Heute ist es fast schon üblich, große Figuren der Literatur, populären Kultur und sogar des realen Lebens zusammenzubringen und miteinander agieren zu lassen. Diese Art von Crossover erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, und es trifft dabei sehr oft einen der großen Helden aus dem ausgehenden viktorianischen Zeitalter.
Allerdings erlaubte sich Philip José Farmer, der vor allem durch seinen Flusswelt-Zyklus bekannt wurde, in seinem Roman „Sherlock Holmes und die Legende von Greystoke“ bereits 1974, den Meisterdetektiv Sherlock Holmes mit einer anderen illustren Figur zusammen zu bringen – Tarzan. Und es soll nicht die einzige Begegnung der besonderen Art in diesem Roman bleiben.
Im Jahre 1916, der erste Weltkrieg ist gerade in vollem Gange, werden Sherlock Holmes und Dr. Watson von Mycroft Holmes gebeten, sich um eine keine aber delikate Angelegenheit zu kümmern, die kriegsentscheidend sein könnte.
Obwohl die beiden längst im Ruhestand sind, nehmen sie als treue Patrioten doch an und begeben sich auf eine lange Reise durch Europa. Es gilt, dem durchtriebenen deutschen Agenten von Bork eine Waffe abzujagen, deren Wirkung verheerend auf die Moral der anderen Völker sein dürfte.
Um den Widersacher zu stellen, der ihnen bereits in früheren Jahren zu schaffen gemacht haben, durchstreifen sie die kriegsgeschüttelte alte Welt und landen schließlich in den Dschungeln Afrikas, wo sie nicht nur auf von Bork und seine perfiden Pläne treffen, sondern es auch mit Lord Greystoke zu tun bekommen, den hier alle nur als Tarzan, den Herrn des Dschungels, kennen.
Doch ist nicht unbedingt klar, ob er wirklich auf ihrer Seite steht, hat er doch einiges zu verbergen, was nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen soll...
Wie in den Pulp-Romanen der guten alten Zeit, so erweisen sich auch hier die Helden und Schurken auf den ersten Blick als klar definierte Archetypen. Allerdings erlaubt sich Farmer, die Figuren doch ein wenig ambivalenter darzustellen als man sie aus den Originalgeschichten kennt – auf der einen Seite sind Sherlock Holmes und Dr. Watson nicht ganz so über alles erhaben, wie man sie kennt und müssen auch schon einmal kapitulieren.
Vor allem Tarzan ist durch und durch zwielichtig, ein Mann, der eine Menge zu verbergen hat, wie die beiden Helden mit der Zeit herausfinden. Natürlich zieht der Meisterdetektiv auch in diesem Fall schnell die richtigen Schlüsse. Alles in allem bleibt die Handluch aber überschaubar, Actionmomente sorgen für die notwendige Spannung, während der Hintergrund eher oberflächlich bleibt.
Auch einige der Nebenfiguren können mit kleinen Geheimnissen und den daraus resultierenden Überraschungen punkten. Allein die Schurken, allen voran der deutsche Bösewicht, bleiben eindimensional.
Spannend ist hierbei, dass nun endlich wieder die Urfassung aus dem Jahre 1974 auf Deutsch vorliegt, die Farmer in den 1980er Jahren wegen Copyright-Problemen umschreiben und Tarzan durch Mowgli ersetzen musste. Dass macht das Buch noch ein wenig interessanter, vor allem für den Fan.
Alles in allem sollte man in „Sherlock Holmes und die Legende von Greystoke“ vielleicht nicht unbedingt ein Meisterwerk der Literatur sehen, sondern eher ein früher Beitrag zu einem Genre der Unterhaltungsliteratur, das erst in den letzten Jahren richtig in Mode gekommen ist. Vor allem Fans kerniger Abenteuergeschichten werden ihre Freude an dem Titel haben.
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