Rezension von Björn Backes
Bereits im vergangenen Jahr erstellten die Entwickler von Tilted Mill eine weitere Variante des bereits seit zwei Dekaden marktführend bekannten Aufbausimulationsspiels „Sim City“. In „Sim City Societies“ ging es dabei in erster Linie darum, die Ressourcen noch schonender zu nutzen, die eigene Kreativität noch freizügiger spielen zu lassen, gleichzeitig aber auch den vielen Gefahren des Städtebaus noch konsequenter entgegenzutreten. Für die Designer war dieses Resultat aber scheinbar noch nicht ausreichend. Einen knappen Umlauf später folgt nämlich nun die Deluxe-Ausgabe des Spiels, die um das Add-on „Reisewelten“ aufgeputscht wurde und somit gerade quantitativ noch einmal eine ganze Spur ansprechender ausgefallen ist.
Das Spiel:
Das Spielprinzip von „Sim City“ ist beinahe schon so alt wie der Intel-Chip, wurde aber vor allem grafisch und organisatorisch über die Jahre ständig verbessert, Eine immer intensivere Schwerpunktverlagerung sowie die immens großzügige Aufgabenverteilung zeichnen die neueste Generation der Serie und wurden folgerichtig auch für die „Societies“-Variante verwendet..
Dabei beginnt alles gewohntermaßen und standesgemäß: Schritt für Schritt baut man die Infrastruktur der virtuellen Stadt auf, errichtet Gewerbe und Industrie, sucht nach lukrativen Wohnvierteln, muss aber auch sehen, dass Kultur, Umwelt und Naherholungsgebiete ins Programm mit aufgenommen werden, um die Stadt wohnlich zu machen. Wo man sich nun austobt, ist jedem Spieler bei der ersten Kartenvorauswahl schon einmal selber überlassen. Selbst Wüsten- und Berglandschaften können angesteuert werden, bedürfen aber natürlich einer noch taktischeren Vorgehensweise, da die räumlichen Begrenzungen sich partiell als enorm nachteilig herausstellen können.
Hat man aus der breiten Kartenpalette nun eine ausgewählt, geht es sofort ans Eingemachte. Versorgungswege wollen errichtet, Stormversorgungszentren gebaut und erste grobe räumliche Separierungen vorgenommen werden, um der wachsenden Stadt auch eine ordentliche Struktur zu geben. Dabei sind die üblichen Spielregeln zu beachten, wie zum Beispiel die klare Trennung von Industrie und Wohnfläche, eine pro Kopf-Aufteilung von Schulen und Krankenhäusern, sowie natürlich auch die Anordnung von religiösen Einrichtungen, denn insgesamt sind die Bewohner der „Sim City“ sehr gläubig und spirituell.
Auf einer klaren Werteskala werden dann auch die wichtigsten Bedürfnisse der Einwohner aufgelistet, als da wären Spiritualität, Wissen, Kreativität, Wohlstand, Arbeit und Autorität – alles Dinge, deren Erfolg sich in den jeweiligen Einrichtungen nach einem Punktesystem messen lässt.
Ist die allgemeine Infrastruktur nun in ihren ersten Grundzügen erstellt, tauchen auch schon die ersten Probleme auf. Die Polizei kämpft gegen die ersten kriminellen Machenschaften, das Stromnetzwerk bricht zusammen, der Bildungsstand lässt zu wünschen übrig, die kulturellen Bedürfnisse erfahren keine Befriedigung, der Glaube kann nicht adäquat ausgelebt werden, und so weiter, und so fort. Erst nun wird klar, was es bedeutet, den Bürgermeisterposten innezuhaben, denn wenn man die sozialen Normen nicht respektiert, die nach besagtem Wertungssystem aufeinander aufbauen, wird man relativ bald in einer Katastrophe enden und die Stadt in den Ruin treiben. Und dies passiert an dieser Stelle in der Tat schneller als erwartet.
Die Spielstruktur bedient sich allerdings einer recht angenehmen Dynamik, bei der ein solcher Overkill an Schwierigkeiten nicht so schnell eintreten sollte. Zunächst sind die meisten Probleme eher banaler Art und schnell gelöst, sofern man sie sofort ihre Bewältigung in Angriff nimmt. Zudem kommt man auch nicht in die Verlegenheit, mit seinem Geld zu protzen und die Stadt mit Riesengebäuden vollzupflanzen, da hierzu einerseits die Finanzen, andererseits aber auch das Wissen fehlt. Bestimmte Einrichtungen muss man sich erst erarbeiten, bevor man sie dann auch bauen darf, und gerade dadurch bleibt das Spiel in seiner Chronologie immerzu übersichtlich und kontrolliert. Wirklich gravierende Fehler passieren dementsprechend selten, werden aber umso heftiger bestraft.
Die Spielmodi sind nun unterteilt in das klassische Kampagnenspiel, welches im beschriebenen, kontinuierlichen Ablauf gespielt wird, oder eben in der freizügigen All Inclusive-Fassung, bei der man auf unendliche finanzielle Ressourcen zurückgreifen darf und auch schon alle Gebäudetypen verwenden darf. Beides hat seinen Reiz, wobei der wirkliche Anspruch sich natürlich im reinen Aufbauspiel verbirgt.
Die Zusatzvariante ist schließlich vergleichbar mit „Theme Park“ und wohl ein perfektes Beispiel dafür, wie man die Erlebniswelten eines Freizeitparks perfekt inszeniert. Allerdings ist der Begriff hier sehr weitläufig, denn neben den klassischen Vergnügungsparks darf man sich auch an Wintersportgebieten und sommerlichen Strandressorts versuchen. Alles, was Spaß macht, ist gefragt, und wie gehabt sind die Möglichkeiten auch im Reise-Special des Spiels schier unerschöpflich – ebenso wie die Schwierigkeiten, die sich zwangsläufig ergeben. Demnach ist die eigentliche Ergänzung eigentlich schon als unabhängiger Titel umfassend und erfüllend genug, um einen separaten Release zu rechtfertigen. Wer also bislang noch nicht zugegriffen hat, wird für seine Geduld reichlich beschenkt.
Technik/Grafik:
Erwartungsgemäß ist die aktuelle Version von „Sim City“ die grafisch hochwertigste, was vor allem in der Darstellung der Gebäude, vor allem aber bei den schönen Landschafts- und Vegetationsanimationen ersichtlich ist. Der stete Wandel wurde sehr schön adaptiert und mit einer für diesen Spieltypen richtig feinen Präsentation ausgestattet.
Technisch ist weiterhin alles im grünen Bereich; „Sim City Societies“ besitzt zwar nur zwei echte Spielmodi, bedient sich innerhalb derer aber einer unheimlich breiten Auswahl, die gerade hinsichtlich der Länge der Kampagnen für schier unerschöpfliches Spielvergnügen sorgt. Dazu ist auch die Handhabung absolut problemlos, vor allem dank des schönen Tutorials und der übersichtlichen Oberfläche. Auch wenn wesentliche Veränderungen des Spielsystems nicht vorgenommen wurden, reduziert sich die Kritik in diesem Bereich auf ein gesundes Mindestmaß.
Spielspaß:
Wie lange man sich mit einem Spiel wie „Sim City“ beschäftigen kann, muss wohl nicht mehr näher erläutert werden, und eben daran hat sich mit dem Release von „Societies“ sicher nichts geändert. Alleine schon die riesige Kartenauswahl, die einen Zugriff auf alle nur erdenklichen Vegetationsbilder ermöglicht, spricht für sich und ist Herausforderung genug, um sich dem virtuellen Städtebau monatelang zu widmen. Dazu kommt ein Zusammenschluss völlig neuer Gegebenheiten, bedingt durch das Wertesystem, welches dem Spiel eine noch konkretere Struktur verschafft. Bautechniken lassen sich fortan in Sachen Sinnhaftigkeit messen, und wo manche Anordnung in vorherigen Edition vorwiegend auf Intuition und Vorahnung beruhte, geht es in der aktuellen Variante nur noch um konsequente Logik, die sich nur durch die gewohnten unerwünschten Zwischenfälle aushebeln lässt. Da der Härtegrad aber hier gar nicht zu unterschätzen ist und somit für entsprechenden Anspruch gesorgt wird, wird einem mit der Grundversion des Spiels sicher nicht langweilig. Alternativ wählt man einfach die No Limit-Option und testet erst einmal, was das Spiel so alles an Material hergibt und wie man seine Stadt am besten konstituiert. Und auch bei diesen Experimenten und Versuchen geht eine Menge Zeit drauf, die man jedoch immer wieder gerne zu investieren bereit ist.
Die Krönung ist schließlich das vor allem grafisch sehr attraktive, in der Deluxe Edition angefügte Add-on um die Freizweitwelten. Sehr schön ausgearbeitet, abhängig von der Landschaft zudem unheimlich individuell gestaltet und gerade wegen der recht innovativen Gestaltungsmöglichkeiten eine echte Erweiterung des inhaltlich dann doch leicht festgefahrenen Spielsystems. Dies ist schließlich auch das einzige Problem, welches hier durch die Zusatzoption geschickt ausgehebelt wurde. „Sim City“ hat sich nämlich konzeptionel kaum verändert und öffnet sich auch kaum mehr bewusst neuen Ideen. Das Spielprinzip wirkt zwar noch nicht veraltet, könnte aber hier und dort sicher ein paar frische Ideen gebrauchen, damit auch langjährige Anhänger sich wieder einem neuen Reiz ausgesetzt fühlen. Letzterer ist zweifelsohne auch in „Sim City Societies“ in großem Ausmaße vorhanden, könnte aber ungleich größer sein, würde man sich an vielen Stellen nicht ständig selbst zitieren. In diesem Sinne kann man den Deluxe-Anstrich auch als reaktionären Paukenschlag werten. Dort nämlich, wo dem Spaß zumindest durch die sehr geringen Wesensveränderungen ein wenig der Rahmen genommen wurde, steht mit dem Reise-Special eine Alternative im Raume, die endlich die gewünschten Innovationen verspricht. Ob allerdings der Spore-Labor-Kreaturen-Designer als zweites Special als wertvolle Ergänzung betrachtet werden darf, kann man stark anzweifeln. Witzig ist’s vielleicht, im Vergleich zum Spaß, den die Aufbausimulation in ihren kritischsten Phasen bringt, aber nur ein netter Beieffekt.
Fazit:
„Sim Citiy Societies“ ist insgesamt nur ein geringer Fortschritt zu seinen bisherigen Vorfängern, überzeugt aber trotzdem mit den Grundlagen des neuen Wertesystems, welches die einzige nennenswerte Innovation des Spiels beschreibt. Die nun aufgelegte Deluxe-Ausgabe verdient aber dennoch reichlich Zuspruch, da das kombinierte Gesamtpaket mitunter das Beste ist, was in dieser Serie bislang veröffentlicht wurde.