Ungekürzte Lesung von Monica Bleibtreu
Rezension von Tanja Thome
Rezension:
Die Novelle, die Hörbuch Hamburg im September 2007 als von Monica Bleibtreu gelesenes Hörbuch veröffentlichte, schrieb der österreichische Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler bereits 1892.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Felix und Marie, ein innig verbundenes Paar, das durch eine ärztliche Prognose auf eine harte Probe gestellt wird: Ein Jahr hat Felix nur noch zu leben, so sagt man es ihm, und beide, Felix wie Marie, können mit dieser Aussicht nicht umgehen. Die Novelle beschreibt die beiden und ihr Erleben im Verlauf des Jahres von der Prognose an.
Felix wirkt zunächst gefasst, Marie kurzzeitig aufgelöst, dann jedoch sehr aufgeräumt. Spontan beschließt sie, das letzte Lebensjahr von Felix mit ihm zusammen zu verbringen und zugleich, es auch zu ihrem eigenen letzten Lebensjahr zu machen. Wenn es mit Felix zu Ende geht, so verkündet sie, dann will sie selbst sich das Leben nehmen und mit ihm zusammen sterben.
Diese klassisch romantisierte Sicht vom Tod ist jedoch nur der Anfang der knapp 140-seitigen Novelle, die in Hörbuchform ungekürzt vorgelesen wird. Schnitzler hat diese Geschichte im weiteren Verlauf zu etwas ganz anderem verwoben. Nach und nach wird immer deutlicher, welche inneren Konflikte in den beiden Figuren toben. Sie versuchen beide, an ihren Zusagen festzuhalten, doch immer größer wird die Angst. Felix versucht zunächst, Marie dieses Leid zu ersparen und sie loszuwerden, doch diesem Großmut kann er nicht lang treu bleiben und Misstrauen und Missgunst machen sich in ihm breit. Wird sie ihr Wort halten und ebenfalls sterben? Oder macht sie ihm nur etwas vor und genießt nach seinem Tod das Leben? Die Tatsache, dass sie die Wahl hat und er nicht, lastet schwer auf Felix. Umgekehrt will Marie ihrer großen Liebe und ihrem Wort treu bleiben, spürt jedoch mit der Zeit immer deutlicher den Drang zu leben, nimmt – zunächst peinlich berührt und aus den Augenwinkeln – andere Männer wahr …
„Sterben“ erzählt nicht die Geschichte des Sterbens selbst, sondern eine Geschichte über die Auswirkungen des Todes vor Augen – aus der Sicht dessen, für den er unweigerlich vor der Tür steht, und aus der Sicht derer, die sich noch gegen ihn entscheiden könnte. Die Novelle mutet wie eine Studie an, ist durchweg nachvollziehbar und realistisch, leidenschaftlich und kühl zugleich.
Sicherlich spielt es eine Rolle, dass „Sterben“ autobiografische Züge enthält. Schnitzler selbst war einmal mit der Diagnose Tuberkulose konfrontiert und erholte sich in Meran davon – in dem Ort, in dem auch Felix und Marie schließlich Erholung suchen.
Fazit:
„Sterben“ ist ein wirklich gelungenes Werk, ein nachdenklich machendes und aufwühlendes. Etwas schwierig für den Hörer könnte der Ausdruck des Ganzen sein, denn die Novelle wird nicht in modernisierter Form gelesen und enthält viele entsprechend altbacken wirkende Formulierungen aus der Jahrhundertwende. Die ausgezeichnete Sprecherin Monica Bleibtreu liest das Buch souverän, betont allerdings – vermutlich ungewollt – den dramatischen Einschlag des Ganzen ein wenig zu sehr, so dass der Hörer ein wenig Geduld mitbringen sollte. Gerade zu Anfang ist das zahlreich vorkommende „Felix! Oh, Felix!“, ebenso verzweifelt klingend wie gelesen, recht anstrengend und nicht allzu unterhaltsam.