Strizz (Klassiker der Comicliteratur Bd. 6)
 
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Strizz

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 6

Rezension von Christian Endres

 

Volker Reiches Strizz erscheint seit 2002 immer werktags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist damit offenkundig so etwas wie der Eigenbeitrag der FAZ zu ihrer auf zwanzig Bände ausgelegten Klassiker der Comicliteratur-Reihe. Strizz nun ist ein klassischer Zeitungscomicstrip, der täglich in wenigen Panels satirische, oftmals das Zeitgeschehen kommentierende Geschichten erzählt und bei der Leserschaft (und wie das Vorwort verrät, auch den Redakteuren der FAZ selbst) stets großen Anklang findet. Im sechsten Band der Klassiker-Bibliothek schicken die FAZ und Volker Reiche die gesammelten Strips aus vier Jahren ins Rennen – Strips im Übrigen, die nie auf Vorrat produziert und daher tagesaktuell bewegende oder auch für die Berichterstattung der Zeitungsschreiber relevante Themen verarbeiten können und damit eine gesonderte Stellung innerhalb der Riege der Zeitungscomicstrips einnehmen.

 

Querdenker Strizz denkt, diskutiert und debattiert viel und gerne – mit seinem Chef, seinem Neffen, seiner Freundin, dem Rest seiner Umwelt und natürlich auch mit sich selbst. Diese Diskussion und Debatten, von Volker Reiche typisch für die Zeitung, wo sie ihren Ursprung haben, in schlichtem Schwarzweiß, aber ab und dann auch in Farbe zu Papier gebracht, teilen sich im vorliegenden sechsten Band der Klassiker-Bibliothek in folgende Themen aus den Jahren 2002-2005 auf:

 

Strizz – Strizz und sein Chef

Strizz – Strizz und Irmi

Strizz – Tassilo, Müller und Herr Paul

Strizz – Rafael und Omi

Strizz – Strizz und seine Feldsteine

Strizz – Strizz und Berres

Strizz – Rafael und seine Philosophen

Strizz – Strizz und die Literatur

Strizz – Sommerfortsetzungsroman „Die Suche“

Strizz – Hotel Strizz

Strizz – Der Rausschmiß

 

Zeichnerisch bietet Strizz keine großen Überraschungen und auch keine großartigen Innovationen – dafür ist er ein handwerklich solide gemachter Comicstrip, der den Ansprüchen einer täglich erscheinenden, manchmal sicher auch unter Zeitdruck entstehenden Reihe im Rahmen einer seriösen Zeitung mit politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Schwerpunkt vollauf gerecht wird. Hervorzuheben sind die farbigen Zeichnungen an den Kapitelanfängen und die colorierten Geschichten, die deutlich machen, dass Volker Reiche auch das Handwerk des Coloristen gut beherrscht. Auch sein händisches Lettering lässt sich sehr nett anschauen und passt zum Charakter der Strips und seiner schrulligen Figuren.

 

Die technische Komponente des Bandes weist bis auf die übliche Wellung des Papiers keinen Makel auf. Das schön gestaltete und wieder einmal sehr gut geschriebene Vorwort – diesmal wieder von Andreas Platthaus verfasst – meint es mit Reiche und seinem Strizz manchmal zwar fast schon ein bisschen zu gut, doch kann man das im Austausch gegen die vielen Informationen, die einem über Künstler, Figur und Serie gegeben werden, gerade noch so verkraften. Auch die gestalterische Aufmachung des Taschenbuchs bietet wieder Grund zur Freude, sowohl was die Einzelgestaltung, als auch die Eingliederung in das Gesamtbild der Reihe betrifft. Selbst die Eigenwerbung am Ende des Bandes für die täglichen Strizz-Strips in der Zeitung sowie die Sammelbände in Buchform sind hübsch zu betrachten – und wo findet man heutzutage denn bitte noch vom Künstler erstelle Anzeigen?

 

Fazit: Erwartungen schüren, das ist nicht schwer – sie in jeder Hinsicht zu erfüllen manchmal dagegen sehr. Ich möchte Volker Reiche nichts von dem absprechen, was einen Comicautor und -zeichner definiert oder auszeichnet – also weder sein erzählerisches Talent, noch sein Zeichenvermögen oder sein glückliches Händchen, routiniert Situationskomik und pointierten, satirischen Humor in charmant knappen Bildern einzufangen. Nein, Strizz ist völlig zurecht ein bei der Leserschaft der Frankfurter Allgemeinen (egal ob in gedruckter oder digitaler Form) ziemlich beliebter, mehrfach ausgezeichneter und vor allem täglich erscheinender Comicstrip, der von Lesern und Kritikern stets wohlwollend aufgenommen wird und dessen seltenes Fehlen in der entsprechenden Ausgabe der Zeitung sofort ein großes Geschrei nach sich zieht ...

 

Dennoch hat der vorliegende Band ein großes, wenn nicht sogar unüberwindbares Manko, für das weder Strizz, noch sein Schöpfer wirklich etwas können: Der Strip wird bereits im Vorwort mit den Peanuts und Calvin and Hobbes verglichen, und er reiht sich in physischer Hinsicht direkt zwischen Donald Duck und Batman und ferner einer Vielzahl (neunzehn, um genau zu sein) anderer Klassiker der Comicliteratur ein. Und ist es da nun nicht vielleicht ein wenig vermessen, einen hauseigenen, erst seit weniger als vier Jahren erscheinenden Comicstrip der Zeitung, die hinter dieser Klassiker-Bibliothek steht, in einem Atemzug mit Tarzan, Spider-Man, Lucky Luke, Blueberry und den Fantastischen Vier zu nennen? Selbst die Simpsons und Hägar, mit denen ich in dieser Reihe so meine Probleme habe (dazu mehr bei Erscheinen der jeweiligen Bände), haben schon mehr Jahre auf dem Buckel als Strizz, zumal zumindest Wikinger-Chef Hägar (in den frühen 80ern ersonnen) außerdem den Vorteil hat, keine hauseigene Serie zu sein – und damit letztlich schon in einem viel objektiveren Licht erscheint als sein Kollege Strizz samt Anhang.

 

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Strizz ist zweifellos ein guter bis sehr guter Comicstrip, und es steht außer Frage, dass er – als einziger mir bekannter, täglich erscheinender Strip in einer der großen deutschen Zeitungen, die da gegenüber dem Rest der (Zeitungs-)Welt noch einiges an Aufholbedarf zu bewältigen haben – viel für die deutsche Comiclandschaft getan hat und sicherlich auch noch tun wird. Ich lasse mich nach der Lektüre dieses Bandes ja auch gerne davon überzeugen, dass Strizz eines Tages einmal als ein echter Klassiker gelten wird. Doch hier und jetzt, zu diesem Zeitpunkt und in dieser Reihe, da hat er, so leid´s mir tut, einfach (noch) nichts verloren. Man kann in vier Jahren kein Klassiker werden, und schon gar nicht, wenn man in solcher Konkurrenz bestehen muss, die in der Regel zehnmal länger Leser begeistern und fesseln als der 2002 geschaffene Strizz.

 

Dennoch gilt: Wer sich für Politik und das turbulente Weltgeschehen, wie er es aus der Tagesschau oder seiner Morgenzeitung kennt und schätzt, die Tücken des (Arbeitnehmer-, Familien-, Steinsammler-, Hunde-) Alltags, ein wenig Lokalkolorit und einige Anspielungen sowie (im zeichnerischen Sinne) einfache, geradlinige Comicunterhaltung begeistern kann, dazu noch ein Faible für anspruchsvolle, gut verständliche Satire hat und sich obendrein dann auch noch von der oben genannten Problematik zwecks des Klassiker-Anspruchs nicht abschrecken lässt, der kann hier selbstverständlich bedenkenlos zugreifen. Mir hat Strizz nämlich trotz aller Bedenken hinsichtlich seines momentanen Klassiker-Anspruchs sehr gut gefallen und gehörig Spaß gemacht. Schade nur, dass er nicht ins Gesamtbild der Reihe passt und daher einen schweren Stand hat und – was man einfach mal so sagen muss – teilweise auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Das haben Reiche und sein Strizz eigentlich nicht vedient. Denn Klassiker-Frage hin oder her: Die beiden haben dank dieses 256 Seiten starken Bändchens einen neuen Fan gewonnen.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032820152884923969
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Comic:

Strizz

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 6

Autor: Volker Reiche

Verlag: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Format: Softcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3899810872

Anzahl Seiten: 256

Erhältlich bei Amazon

weitere Infos:


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Erstellt: 11.10.2005, zuletzt aktualisiert: 31.12.2023 11:30, 1346