The Fountain (Vertigo Select Bd. 2)
 
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The Fountain

Reihe: Vertigo Select Bd. 2

Rezension von Christian Endres

 

 

Comic oder Kunst? Das ist hier die Frage ...

 

Im Grunde erzählt Darren Aronofsky mit »The Fountain« die Geschichte einer Liebe. Allerdings ist in den brutalen Kämpfen zwischen den Maya und den spanischen Eroberern um den ehrgeizigen Konquistador Tomas zu Beginn dieses außergewöhnlichen Comics nicht viel Platz für Romantik, wenn das Blut von spanischen Rittern wie amerikanischen Indianern zum Dröhnen der Trommeln auf die Stufen eines Tempels im Dschungel spritzt. Diesen Kampf verlassen wir schließlich an seinem Höhepunkt, um uns buchstäblich zu den Sternen zu begeben – einem ganz besonderen Stern, genau genommen, der den Baum des Lebens und ein futuristisches Liebespaar beheimatet. Nachdem wir einen ersten Blick auf dessen Schicksal in den endlosen Weiten des Alls geworfen haben, sehen wir in der Gegenwart den Arzt Thomas, der nach und nach den Kampf um seine große Liebe verliert – denn seine Frau hat Krebs, und trotz der Tatsache, dass er wie ein Besessener arbeitet und alles versucht, scheint er sie nicht retten zu können. Doch er kann ihr Buch, ihr Vermächtnis und letztes Geschenk ihrer Liebe an ihn, lesen, in dem Isabel die Geschichte des spanischen Eroberers Tomas und seiner Liebe zu seiner Königin erzählt. Damit scheint sich der Kreis von Liebe, Sünde, Sühne, Leid und Buße sowie ewiger Liebe zu schließen – oder beginnt er damit doch erst von Neuem...?

 

»The Fountain« ist eine vielschichtige, komplexe Odyssee durch die Jahrhunderte einer Liebe. Zwei Menschen in verschiedenen Zeiten und Leben, von verschiedenen Schicksalen heimgesucht, streben nach der Liebe, vielleicht aber auch – oder eben just damit – dem Sinn des menschlichen Seins. Wenn es »The Fountain« nicht an einem mangelt, dann an Möglichkeiten zur Interpretation dieser anrührenden, emotionalen Geschichte, die von Darren Aronofsky mit viel Feingefühl und Mut erzählt wird. Seine Story über »Tommy und seine Isabel« ist jedoch unabhängig von der Interpretation definitiv grausam, genauso wie sie wunderschön ist. Ihre Motive und Charaktere sind edel und weise wie die Geschichte und ihre mal sternenklaren, mal gut verborgenen Aussagen selbst – und dennoch allesamt auch dumm, eitel und unvernünftig. Ja, Aronofskys »The Fountain« ist wirklich ein vielschichtiges Werk, das zudem klar polarisiert – man kann und wird es auch nach dem zehnten Lesen nie ganz verstanden oder durchschaut und alle Nuancen dieser Geschichte erfasst haben, aber man kann bereits nach der ersten Lektüre sagen, ob man diesen Comic von ganzem Herzen liebt oder hasst.

 

Film und Comic stehen dabei übrigens beide für sich, sind aber dennoch eng miteinander verwandt und können, ja müssen vielleicht sogar ohne Probleme gemeinsam existieren, um das Spektrum dieser phantastischen Liebesgeschichte so auszudrücken, wie sie es verdient hat. Genauso wenig wie der Film mit Hugh Jackman eine Adaption im klassischen Sinne ist, ist der Comic – wie auf dem Backcover des im Übrigen sehr schön gestalteten und mit einem Nachwort von Aronofsky versehenen Tradepaperbacks mit einer edlen Klappenbroschur und einem wunderschönen Cover zu lesen – der schlichte Director’s Cut der Leinwand-Interpretation. Um mit solch profanen Begriffen bedacht zu werden, ist »The Fountain« einfach zu vielseitig und schwierig, ja vielleicht sogar zu elitär ...

 

Comic-Kunst. Spontan fällt mir kein Comic der letzten Jahre ein, dessen Artwork besser zur Definition dieses Begriffes gepasst hätte, als »The Fountain«. Der Künstler (!) Kent Williams legt hier eine abwechslungsreiche, spannungsvolle Komposition an kleinen Miniatur-Bildern vor, die wirklich ihres gleichen suchen und selbst für das Vertigo-Label ziemlich hochgestochen sind. Williams Bilder sind dabei jedoch keine Spinnereien der Marke Sienkiewicz, sondern wirklich phantastische, emotionsgeladene, kunstvolle, poetische Bilder, denen es fast immer gelingt, die Emotionen und surrealen Zwischentöne dieser komplexen Geschichte visuell festzuhalten und auf Papier zu verewigen, während sie sich von Abschnitt zu Abschnitt verändern, als seien sie lebendig; beständig entwickeln sie sich weiter und scheinen niemals still zu stehen – wie ein Herz, das immerzu in einem Körper schlägt, der mal gemütlich geht, mal rennt, mal schläft, mal liest oder weint. Natürlich wird dieses kunstvolle Artwork nicht jedem gefallen, und natürlich ist es alles andere leichte Kost oder in dem Sinne typisch für einen Comic – doch das ist dieses ganze Projekt ja nicht, mit keiner einzigen seiner unendlichen Facetten. Warum sollte sich also das Artwork einer Beschränkung unterordnen? So steht es der Geschichte in keiner Weise nach – und das ist auch gut so.

 

»The Fountain« ist eine wunderschöne, vielleicht einmalige Glorifizierung der großen, der echten, der einzig wahren, ja der ewigen Liebe, fängt gleichzeitig aber auch all den Schmerz, all das Leid und all die Sehnsüchte und Ängste ein, die mit dieser einhergehen können. Und auch wenn das bittersüße Loblied auf den heißen Kern des menschlichen Seins und all sein Streben nach Leben und Liebe von zeitloser Ästhetik und kunstvoller Finesse geprägt ist, so ist »The Fountain« gleichzeitig doch auch ein sehr schwieriges, keinesfalls zeitloses und zuweilen über alle Maße trauriges und verstörendes Werk, das aufgrund seines eigenen, an sich selbst gestellten Anspruchs durchaus seine Tücken und Fallstricke hat.

 

Wer sich die Mühe macht, den Wirrungen der Story zu folgen, der hört Dank eines überragenden Mittelteils, der das eigentliche Bindeglied und Herzstück des Bandes, gleichzeitig aber auch sein traurigstes und emotionalstes, tränenreichstes Kapitel ist, fraglos das Herz dieser poetisch-komplexen Liebesgeschichte schlagen. Doch man muss sich auch darauf einlassen und akzeptieren, dass es ein unregelmäßiges Pochen sein könnte, das man hört, wenn man sein Ohr an die Brust dieses Comics drückt – mal innig verliebt und wild klopfend und springend, mal von Traurigkeit fast erstickt und leise wie das Geräusch von fallendem Schnee, mal aber auch einfach nur zu futuristisch distanziert.

 

Jedes Mal, wenn man diesen Comic liest und diese Geschichte auf sich wirken lässt, entdeckt man etwas Neues, erschließt sich ein Stück mehr von ihrer Symbolik und ihrer wahren Bedeutung, ihrem Charakter und ihrer Seele.

 

Worauf warten Sie also? Lesen sie dieses metaphysische Comic-Kunstwerk.

 

Immer und immer wieder.

 

 

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329083405bceae7d3
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Comic:

The Fountain

Reihe: Vertigo Select Bd. 2

Autor: Darren Aronofsky

Zeichnungen: Kent Williams

Paperback, Klappenbroschur

172 Seiten

Panini, Januar 2007

ISBN: 3866073372

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 09.06.2007, zuletzt aktualisiert: 31.12.2023 11:30, 4023