Tochter der Mondgöttin (Autorin: Johanne Hildebrandt)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Tochter der Mondgöttin von Johanne Hildebrandt

Rezension von Christel Scheja

 

Noch immer stammen 95 % der fremdsprachigen Fantasy aus dem englischen Sprachraum und nur selten finden phantastische Romane aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland, vor allem solche aus dem hohen Norden.

„Tochter der Mondgöttin“ gehört zu den wenigen Ausnahmen. Die Autorin Johanne Hildebrandt bedient sich ureigener Mythen und schöpft mit vollen Händen aus den nordischen Sagenstoffen, um sie auf ihre Ursprünge in der Bronzezeit zurück zu führen.

 

In jenen fernen Zeiten beherrschen die Frauen des Volkes der Vanen das Nordland. Sie folgen archaischen Riten und dienen mit Hingabe ihren Göttern, die dem Land und den Menschen Fruchtbarkeit schenken, so dass keiner Not leiden muss. Kein Kind wird um seiner Abstammung willen verstoßen, denn sie tragen den Namen der Mutter. Und die von den Göttern verlangten Opfer an Leben von Mensch und Tier werden gerne und vor allem freiwillig gegeben.

Auch Freya, die Tochter der Königin Ase, so auf. Da ihre Mutter sie nicht als Erbin des Throns anerkennen will, dient sie als Priesterin in den Hallen der Götter. Die junge Frau ist selbstbewusst und stark, das zeigt sich in dem Moment, als ein wilder und kriegerischer Stamm in das Land eindringt. Odin und sein Sohn Thor kennen andere Gesetze. Bei ihnen müssen sich die Frauen den Männern unterordnen, diese entscheiden, was richtig und falsch ist. Doch sie sind erfüllt von der Entschlossenheit und Kraft des Kriegsgottes und drohen das Land zu überrennen. Freya zeigt ihnen bei einem ersten Aufeinandertreffen, dass sie sich sehr wohl zu verteidigen weiß und ganz und gar nicht klein beigeben will.

Um Frieden zu halten beschließt Königin Ase Freya Odin zum Weib zu geben, damit verwandtschaftliche Bande ihn davon abhalten, größeren Schaden anzurichten. Die Tochter weigert sich, weil sie spürt, dass das Verhängnis auch nicht aufzuhalten sein wird – aber sie muss sich schließlich fügen.

Freya ist verzweifelt, denn sie hat noch einen anderen Grund, die Ehe zu verweigern. Schon bei ihrer ersten Begegnung ist ihr Thor aufgefallen, der trotz seines groben Verhaltens noch der Freundlichste und auch gegenüber den Frauen der Ehrenhafteste der Männer zu sein scheint.

Ihre leidenschaftlichen Gefühle werden erwidert. Doch ihre Verantwortung gegenüber den Völkern verwandelt ihre Liebe in einen lange währenden Kampf. Freya kehrt nach Hause zurück und wird die neue Hohepriesterin, Thor meidet von nun an die Nähe der mächtigen Hexe.

Viele Jahre vergehen. Freya bringt Idun, ihre Tochter von Thor, und noch andere Kinder zur Welt und verlässt die Pfade der Mondgöttin, als sie die Umstände dazu zwingen. Sie verpflichtet sich Hel, der Herrin der Unterwelt. Sie gewinnt das mächtige magische Halsband Brinsingamen und kann doch nicht verhindern, dass Idun an einen grausamen Mann verheiratet wird und bei der Geburt ihrer Tochter Saga stirbt. Es scheint, als seien die großen Tage der Vanen vorbei, denn die von Odins Stamm eingeführte neue Ordnung scheint immer weitere Kreise zu ziehen. Die alternde Freya weiß, dass sie nicht mehr die Kraft hat, etwas zu ändern Nun ruht ihre Hoffnung allein auf dem Kind Saga, ihrer Erbin.

 

„Tochter der Mondgöttin“ gehört zu den Romanen, die die klassischen Mythen und Sagen auf ihre irdischen Wurzeln zurückzuführen versuchen. Indem sie aus Asen und Vanen bronzezeitliche Stämme macht, nimmt sie den nordischen Göttergeschlechtern den Hauch des Überirdischen und macht sie zu normalen Menschen, mit Schwächen, Fehlern und Leidenschaften.

Obwohl ihre Hauptfiguren Thor und Freya sind, treten diese beiden doch immer wieder für andere Helden wie Freyas Bruder Freyr zurück, so dass man bald einer unüberschaubaren Zahl an Figuren gegenüber steht. Zwar sind deren Schicksale miteinander verwoben, aber man muss doch schon genau aufpassen, um mitzubekommen, wer jetzt mit wem zu tun hat. Leider fehlt den Charakteren Tiefe – man verfolgt ihr Schicksal eher distanziert als mitfühlend.

Anders als in den Sagas steht in dem Buch nicht der Kampf im Vordergrund, Johanne Hildebrandt räumt ihren Figuren sehr viele Seiten für Dialoge ein und beschreibt ausführlich alltägliches Leben und magische Riten. Das führt regelmäßig zu Längen und der Versuchung, die nächsten Seiten einfach zu überblättern.

Der Roman bemüht sich, die Kulturen der Bronzezeit glaubwürdig und plastisch darzustellen. Stilistisch wird das durch eine etwas derbere Sprache und einige „rustikale“ Szenen verdeutlicht. Sex wird nicht verschämt verschwiegen, sondern hemmungslos und manchmal vor Publikum ausgelebt.

Das Buch kommt fast ohne übernatürliche Inhalte aus, nur durch das Auftauchen der Göttinnen und die magischen Auswirkungen der Riten wird deutlich, dass man es nicht mit einem historischen Roman zu tun hat.

 

Alles in allem erinnert „Tochter der Mondgöttin“ eher an Jean M. Auels „Ayla“ Romane als an typische Fantasy. Der über 1200 Seiten dicke Wälzer richtet sich vor allem an Leser, die an der Frühgeschichte und ausufernden Beschreibungen alter Kulturen und Völker oder tragischer Liebesgeschichten Interesse haben, nicht aber denjenigen, der dynamische Abenteuer vor exotischer Kulisse vorzieht.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404241017395a776eaf
Platzhalter

Tochter der Mondgöttin

Autorin: Johanne Hildebrandt

broschiert, 1216 Seiten

Heyne, erschienen Oktober 2006

ISBN 3-453-52249-4

Übersetzung aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs

Ornamentale Umschlaggestaltung von Nele Schütz Design

Erhältlich bei: Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 10.11.2006, zuletzt aktualisiert: 31.03.2024 20:18, 3036