Tokyo Marble Chocolate Collectors Box

Filmkritik von Christel Scheja

 

Oft müssen es nicht die großen Liebesdramen sein, die Menschen fesseln und berühren, manchmal reichen auch die kleinen alltäglichen Geschichten aus, um alt und jung zu verzaubern.

Das dachten sich vielleicht auch die Macher von „Tokyo Marble Chocolate“, die von Production IG anlässlich ihres zwanzigjährigen Firmenjubiläums produziert wurde und nun als 2 DVD Collectors Box bei Anime Video erscheint.

Man wollte eine berührende und gleichzeitig heitere Romanze erzählen, in der nur ein Wesen phantastisch ist und auf seine Weise Liebesbote spielt, die Geschehnisse aber ansonsten jedermann und jederzeit passieren könnten.

 

Der junge Yuudai hält sich selbst für einen schwachen Feigling, der unfähig dazu ist, Beziehungen lange aufrecht zu erhalten. Denn er traut sich nicht wie viele andere normale Menschen, zu seinen Gefühlen zu stehen und sie so offen auszusprechen, wie er sie auch in sich fühlt. Dadurch hat er schon so manche Partnerin verloren, weil die jungen Frauen sich von ihm hingehalten fühlten. Und auch jetzt steht wieder eine Freundschaft auf dem Spiel, denn Chizuru, seine derzeitige Geliebte hat ihm klar gemacht, dass er endlich Klartext reden oder aus ihrem Leben verschwinden soll.

Deshalb hat er sich vorgenommen, nun endlich über seinen Schatten zu springen und offen zu sein. Um seine Erklärung zu unterstreichen, geht er vorher extra in eine Tierhandlung. Er hofft mit einem niedlichen kleinen Tier seine Worte unterstreichen zu können.

Doch das Gespräch läuft anders als erwartet ab, denn er trifft Chizuru noch auf der Straße. Diese wimmelt ihn ab und behauptet, sie habe es eilig und noch eine ganze Menge zu tun und könne jetzt nicht mit ihm reden. Sein Geschenk nimmt sie erst einmal an, auch wenn sie spürt, dass das vielleicht ein Fehler war.

In Wahrheit hat das Mädchen für sich längst entschlossen, mit Yuudai Schluss zu machen, weil sie nicht schon wieder eine Enttäuschung erleben will und genug von Beziehungen ohne Zukunftsaussichten, und so zickigen wie anstrengenden Kerlen hat. Sie will ihren Kummer nicht schon wieder im Alkohol ertränken.

Doch noch ahnt keiner von den beiden, dass sie einen turbulenten Tag vor sich haben, an dem ein vertauschter Karton, ein verlorenes Handy, eine ehemalige Freundin, die selbst Beziehungsprobleme hat, und nicht zuletzt ein höchst eigenwilliger wie ungewöhnlicher Liebesbote eine große Rolle spielen werden...

 

Die Geschichte von „Tokio Marble Chocolate“ wird zwar sehr geradlinig und einfach, aber nicht unbedingt auf die übliche Weise erzählt, denn in den beiden Episoden konzentriert man sich bewusst auf die Gedanken und Erlebnisse jeweils einer Figur und bekommt nur das mit, was er oder sie sehen und hören.

So handelt die erste Episode von Yuudai, der sich an einem schönen Tag das Herz nimmt, seine Liebe zu gestehen, aber noch nicht ahnt, dass er dabei noch so einiges erleben wird. Es geht schief, was schief gehen kann, denn nicht nur, dass ihm Chizuru im Stich lässt und keine Chance gibt – auch die Tierhandlung meldet sich plötzlich, weil sie einen Fehler gemacht hat.

In der zweiten erfährt man hingegen mehr über die junge Frau, die ebenso mit ihren Gefühlen ringt, wie ihr Freund und genau so unentschlossen ist, wie dieser. Doch wie er bekommt er an diesem Tag die Gelegenheit, alles zu überdenken, dafür sorgt schon der freche Liebesbote – ein boshafter kleiner Zwergesel, der aber das Herz auf dem rechten Fleck hat und nicht zuletzt der Finder des Handys, der seinerseits an einem flüchtigen Liebesabenteuer mit der jungen Frau hat.

Gerade weil die Episoden nur einen Blickwinkel schildern, lernt man die Figuren um so besser kennen. Zum Vergleich kann man sich auch den Zusammenschnitt auf der Bonus-DVD ansehen und erkennt so leicht wie geschickt beides ineinander gefügt ist.

Die Geschichte ist harmlos und charmant, was vor allem an den liebenswert gezeichneten und normalen Charakteren liegt, die man aus Mangas oder Animes gar nicht gewohnt ist. Durch ihre Fehler und Schwächen wirken sie wie ganz normale und vorstellbare Menschen. Man kann sich unter Umständen selbst in dem jungen Mann und seiner Freundin wiederfinden, denn Chizuru und Yuudai stehen als Beispiel für viele andere Teens und Twens, denen es ähnlich schwer fällt, zu ihren Gefühlen zu stehen.

Das macht den Film für die ganze Familie interessant, auch wenn sicherlich das Thema erst für bereits schwärmerisch veranlagte Mädchen auf der Schwelle zur Pubertät und ältere Zuschauer interessant wird.

Action und Dramatik sollte man deshalb nicht erwarten, auch wenn es zum Ende hin ein wenig turbulent wird. Der Anime setzt dafür ganz auf die Darstellung von echten Gefühlen, lebendigen Menschen und liebenswertem Humor der einen immer wieder zu freundlichem Schmunzeln verleitet.

Zu der ruhigen Stimmung passt auch der etwas altertümlich wirkende Zeichenstil, der an die Werke von vor zwanzig Jahren erinnert, ohne jedoch von deren technischer Qualität zu sein. Die melancholisch-romantische Atmosphäre wird durch die unaufdringliche Farbwahl in Pastelltönen zudem gesteigert, auch die Musik wurde gelungen gewählt.

Die beiden Scheiben befinden sich in einem anziehend gestalteten Display, der sich sehen lassen kann. Auch die Extras sind nicht ohne durch die Bonus DVD und das zusätzliche Booklet, dass vor allem Konzeptskizzen beinhaltet.

 

„Tokio Marble Chocolate“ ist ein nettes Geschenk für alle verliebten Anime-Fans, die die heitere und romantische aber sehr ruhige Atmosphäre des Films zu schätzen wissen. Nur wer vor allem Action und Abenteuer oder eine rasant erzählte Geschichte erwartet, sollte besser die Finger von dem Film lassen.

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