Traumland (Autor: Neil Gaiman; Sandman 3)
 
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Traumland

Reihe: Sandman Bd. 3

Rezension von Christian Endres

 

Neil Gaimans Sandman-Comics zählen zu den bedeutensten und hochwertigsten Vertretern des Mediums. In ihnen verquickte der smarte, inzwischen mit Preisen schier überhäufte Brite sein Gespür für großartige Geschichten und perfektes Storytelling mit seinem Faible für außergewöhnliche Settings und Figuren - und schuf am Ende einen zeitlosen Comic-Bestseller, der auch über 20 Jahre nach seinem ersten Erscheinen in Heftform bei DC nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.

 

Den Anfang im Kurzgeschichtenband zum vermeintlichen Luftholen zwischen »Das Puppenhaus« und »Die Zeit der Nebel« macht Kalliope, eine Geschichte über Kreativität und Musen, Egoismus, Macht und Gier, Verfehlungen und, natürlich, Dream, den Sandmann, der einer verflossenen Geliebten zur Hilfe eilen muss, nachdem diese von selbstsüchtigen Schriftstellern durch die Dekaden gequält und in mehrerlei Hinsicht vergewaltigt wird. Auch das Schicksal der Katzen in Der Traum von 1000 Katzen ist, einmal mehr bedingt durch das eher grausame und gedankenlose Handeln der Menschen, ein ziemlich trauriges. Kein Wunder, dass eines Tages eine mutige Katze ins Traumland wandert, um Rat und Unterstützung beim Traumkönig zu suchen. Nach dieser schicksalhaften Begegnung hat die kleine tapfere Katze nicht nur eine Vision, sondern auch ein neues Ziel und eine Aufgabe. Danach warten Gaiman und Charles Vess, die nur wenige Jahre später zusammen den »Sternwanderer« auf den Weg bringen sollten, mit einer modernen Aufbereitung des Sommernachtstraums auf. Den Abschluss macht schließlich eine exemplarische Geschichte, die Gaimans Vorliebe für obskure, längst vergessene DC-Figuren Tribut zollt und nach einem etwas schleppenden Beginn ein schönes Ende mit Dreams kleiner Schwester Death hat.

 

In ihrer Qualität und abgedeckten Bandbreite sind die vier Geschichten dieses Intermezzos zwischen den epischen Teilen der eigentlichen Sandman-Saga wohl unerreicht. Nicht umsonst haben z. B. Vess und Gaiman mit ihrer interpretationsfreudigen, aber auch etwas trockenen Adaption des Shakespear’schen Sommernachttraums 1991 als erste und bisher einzige Comic-Künstler den World Fantasy Award für die beste Kurzgeschichte erhalten (obwohl die intellektuelle Comic-Aufbereitung und Übertragung in den Sandman-Kosmos nicht zwingend die beste Geschichte des Bandes ist). Denn auch die drei anderen, unprämierten Storys sind, so unterschiedlich sie sich auch präsentieren, starke, kluge Geschichten, die eine ganz eigene Atmosphäre haben, wobei gerade die ersten beiden, etwas leichter zugänglichen Storys begeistern und während der Lektüre ein ganz eigenes Gefühl hervorrufen. Und sei es nur Neid und Staunen ob des großen Erzählers Gaiman...

 

»Traumland« ist mit ziemlicher Sicherheit das »unepischste« der Sandman-Tradepaperbacks. Trotzdem - oder gerade deshalb - zeigt dieser dünne Sammelband alle Stärken (und Schwächen) von Gaimans einmaligem Comic-Kosmos um die Ewigen. Neben Bill Willinghams spätem Sandman-Kurzgeschichtenband »Was Sie schon immer über Träume wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten« (Speed, 2004) wahrscheinlich eine der besten und zugleich anspruchvollsten Sammlungen phantastischer Comic-Kurzgeschichten.

 

Der drachenhafte Wächter vor der Höhle des Traumkönigs warnt die kleine Katze in der zweiten Story davor, dass Träume stets einen Preis haben. Der Preis von »Traumland« und insbesondere den ersten beiden Storys ist zweifellos, dass nach dieser Lektüre viele Comics ihren Reiz verloren, viel von ihrer Faszination eingebüßt haben. Denn Geschichten wie Kalliope sind auch nach 20 Jahren nur schwer zu toppen.

 

 

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Comic:

Traumland

Reihe: Sandman Bd. 3

Autor: Neil Gaiman

Zeichner: Charles Vess, Malcom Jones III, u. a.

Panini, Oktober 2007

ISBN: 3866073577

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 10.12.2007, zuletzt aktualisiert: 16.05.2024 18:40, 5466