Unter dunklen Schwingen hrsg. von Alisha Bionda
Anthologie
Rezension von Cronn
In regelmäßigen Abständen wird von den Verlagshäusern eine Form der Publikation auf den Markt gebracht, die oftmals bei den Lesern fälschlicherweise als „Kurzgeschichten-Sammlung“ bezeichnet wird.
Sie beinhaltet eine ganze Reihe von Kurzgeschichten, somit könnte die Bezeichnung richtig sein, aber die enthaltenen Erzählungen stammen von unterschiedlichen Autoren, nicht von einem Autor allein. Somit ist der Titel „Kurzgeschichten-Sammlung“ irreführend. Man muss hier von einer Anthologie sprechen.
Dies wird im vorliegenden Fall auch für „Unter dunklen Schwingen“ gelten, einer Anthologie von Kurzgeschichten, herausgegeben von Alisha Bionda.
Inhalt:
Alisha Bionda ist Kennern der deutschen Phantastik-Szene keine Unbekannte. Seit vielen Jahren arbeitet die Exil-Deutsche und Wahl-Mallorquinerin in sehr vielen unterschiedlichen Verlagen, unter anderem bei vbt, Schreiblust, dem BLITZ-Verlag und nun auch beim Otherworld- und Sieben-Verlag. Dort gibt sie z.T. mit anderen Herausgebern zusammen Anthologien heraus. Aber auch ihre eigenen Werke sind noch erhältlich, u.a. die Serie „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“ bei BLITZ.
Nun hat Alisha Bionda beim Otherworld Verlag die vorliegende Anthologie „Unter dunklen Schwingen“ herausgegeben. Es findet sich darin eine Auswahl an Autoren, die mal bekannt, mal (noch) unbekannter Natur sind.
Den Anfang macht kein geringerer als Andreas Gruber, nicht nur Szenegängern seit Jahren gut bekannt für seine stilistisch und inhaltlich hervorragenden Storys. Seine Geschichte „Unter dunklen Schwingen – nimmt der Wahnsinn seinen Lauf“ ist auch hier keine Ausnahme und zeigt den Autoren von seiner besten Seite, macht klar, dass selbst ein Puzzle in den Augen eines Schriftstellers zu einer horriblen Angelegenheit werden kann.
Zugleich macht der Titel die Bauweise aller Titel deutlich: Dem möglicherweise von der Herausgeberin gewählten Halbsatz „Unter dunklen Schwingen“ folgt eine vom Autor ausgewählte Ergänzung. Das wird durch den gesamten Band beibehalten und stellt eine schöne Idee dar.
Es folgen Geschichten, die mal mehr, mal weniger gelungen sind. Oftmals ist erkennbar, dass die Storys sich in pseudo-literarischen Schreibergüssen ergehen, ohne Spannung zu erzeugen. So wird Literatur zum Selbstzweck, der lediglich dem Autor und nicht dem Leser dient.
Gehoben wird das Niveau von Erzählungen wie die von Mark Freier, in welchem er die Ergebnisse eines vor langer Zeit geschlossenen Dämonenpaktes beschreibt. Dies geschieht mit einer geschliffenen Sprache.
Enttäuschend ist der Beitrag von Christoph Hardebusch. Der Autor, vor allem bekannt für seine Langwerke „Die Trolle“, „Die Schlacht der Trolle“, oder „Sturmwelten“ erzählt eine altbacken wirkende Vampirgeschichte ohne rechten Biss. Ohne einen Hauch Originalität wird die Geschichte abgespult bis zum vorhersehbaren Plot. Schade.
Etwas besser gelingt es Barbara Büchner, ihre Erzählung aufzubauen. Diese hat schon nahezu Novellencharakter, zumindest vom Umfang her, und erzählt von der Heimsuchung einer Burg durch eine Vampir-Gräfin. Stilistisch nicht immer sicher, da die Autorin in einen archaisierenden Sprachstil bei den Dialogen verfällt, ist die Story dennoch spannend geschrieben, obgleich viele Klischees der Schwarzen Romantik bedient werden.
Fazit:
„Unter dunklen Schwingen“ ist eine Anthologie wie viele andere auch. Es mischen sich gelungene mit weniger gelungenen Erzählungen, und es sind auch leider einige Fehlschläge dabei. Erfreulich sind die vielen Illustrationen, die von Mark Freier stammen und kongenial die Stimmung der Erzählung einfangen. Auch das Titelbild stammt von Mark Freier, wirkt wie ein durchgewetzter Gobelin – sehr gelungen!
Für Sammler deutscher Phantastik ein Muss – alle anderen sollten ihren Kauf gut abwägen.
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