Valkyria Chronicles (PS3)
 
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Valkyria Chronicles (PS3)

Rezension von Björn Backes

 

Was ist eigentlich mit all den RPG-Klassikern geschehen, die seinerzeit auf Sonys Konsolen einen zweiten und dritten Frühling erlebten und vor allem die Liebhaber der ersten Gehversuche von „Final Fantasy“ und Co. auf den Nintendo-Konsolen über Jahre bei der Stange hielten? In der neuesten Videospiel-Generation haben sich die Prioritäten deutlich verschoben. Massenhaft Arcade- und Action-Games sind an der Tagesordnung, dazu Shooter-Programme, eine neue Welle von Sportspielen und der gute alte Konsolenrennsport. Aber wohin sind die meisterlichen Juwelen verschwunden, die Square Enix und Konsorten in der vergangenen Dekade zur Referenz hochschraubten und gerade im PS2-Bereich zu Pflichtveranstaltungen machten? Antworten auf diese Fragen gibt es leider nicht. Dennoch wurde in letzter Zeit wieder fleißig an neuer Kost gewerkelt. Bevor im kommenden Jahr endlich der erste „Final Fantasy“-Ableger den NextGen-Himmel erreicht, legt Vorzeigeentwickler Sega dieser Tage schon mal richtig deftig vor: „Valkyria Chronicles“ heißt der Titel, der den Nachholbedarf nicht bloß sättigen, sondern die Zielgruppe auch überrollen soll. Ersten Meinungen zufolge sollte diese auch tatsächlich gelingen…

 

Die Story:

Europa im zweiten entscheidenden Krieg des 20. Jahrhunderts, jedoch in einem fiktiven Szenario: Das östliche Imperium und die westliche Föderation geraten im Jahr 1935 ein zweites Mal aneinander, nachdem der Streit um den begehrten Treibstoff Ragnite endgültig die Grenzen der Vernunft überschritten hat. Lediglich die kleine Landschaft Gallia, deren Volk seit jeher in Reichtum und gut situiert lebt, will sich nicht am aggressiven Treiben der beiden Weltmächte beteiligen und wird schließlich vom angriffslustigen Imperium zum Ziel einer waghalsigen Eroberungsmission auserkoren. Der Krieg geht in die entscheidenden Phase – und ausgerechnet das friedliche Volk Gallias, das über all die Zeit nie im Zentrum der Konflikte stand, ist nun der Schlüssel zum Sieg für die eine oder die andere Weltmacht.

Inmitten des sich anbahnenden Chaos’ steht der gerade erst 22-jährige Welkin, ein friedliebender Pazifist, der durch die jüngste Bedrohung seine einfachen, natürlichen Vorlieben fürs Erste ad acta legen muss, um sich und sein Volk zu beschützen. Gemeinsam mit einigen auserwählten Freunden setzt er sich gegen die Truppen des Imperiums zur Wehr, um der Ungerechtigkeit und dem radikalen Völkermord alsbald ein Ende zu bereiten. Allerdings haben Welkin und seine Gefährten bislang nie eine Waffe in ihren Händen gehalten – was ihre Startbedingungen für den plötzlichen Ernstfall nachhaltig erschwert.

 

Das Spiel:

Nachdem man sich mit den Eckpunkten der Story vertraut gemacht hat, taucht man nun in die verzwickte Welt der „Valkyria Chronicles“ ein, die man getrost als eine Mischung als klassischem RPG, moderner Echtzeitstrategie und einer bezaubernden Anime-Handlung bezeichnen darf. Bevor man nun gegen die Truppen des Imperiums in die Schlacht zieht, gilt es zunächst einmal, seine Armee aus einer ganzen Reihe sehr individueller Charaktere zusammenzustellen. Die Wahl fällt auf fünf verschiedene Einheitentypen, die allesamt ihre Vorzüge haben, individuell aber nicht immer gut miteinander harmonieren müssen. Da gibt es einerseits den Typus, der sich nicht gut mit dem weiblichen Geschlecht verträgt, dann denjenigen, bei dem die Diskrepanzen zwischen Fernkampf und Nahkampf beträchtlich sind, den klassischen Draufgänger, den Taktiker, usw. All dies wird schließlich noch einmal in die fünf Unterbereiche Scout, Lancer, Schocktrooper, Scharfschützen und Ingenieure unterteilt, die sich untereinander in bestimmten Konstellationen prima ergänzen, je nach Kombination aber auch Schwächen aufwerfen, die ausschließlich auf die Teamaufteilung zurückzuführen sind. Zwangsläufig wird man ein bisschen experimentieren müssen, wobei natürlich keine Gruppe die richtige oder die falsche sein kann.

Ist dieser erste Schritt getan, steigt man auch relativ zügig ins Geschehen ein, welches sich parallel zur Story wie ein Buch zusammensetzt. Alle Episoden des Spiels werden auf den Missionsseiten eines riesigen Romans festgehalten, so dass man bestimmte Szenen anhand der bereits gespielten Passagen noch einmal nachempfinden und nachbessern kann. Ziel ist es natürlich in erster Linie, die Besatzungstruppen auszuschalten und ihre aggressiven Inkarnationen zu besiegen, um sich langsam aber sicher Luft zu verschaffen und das eigene Hauptquartier wieder in Besitz zu nehmen. Erst jetzt beginnt die eigentliche Action, denn gesteuert werden die meisten Aufgaben von der eigenen Kommandozentrale ausgehend. Hier werden Rüstungen und Waffen verbessert, hier kann man im Training Erfahrungspunkte aufwerten und in neue Fertigkeiten ummünzen, und auch hier findet das Team erst seine Stärke und wird immer und immer wieder für die neuen Aufgaben vorbereitet.

Gewisse Voraussetzungen werden also erst nach einigen Schulungen in der eigenen Basis geschaffen, zumal die Action in „Valkyria Chronicles“ definitiv ohne ist. Dies liegt unter anderem auch daran, dass das Kampfsystem relativ ungewöhnlich ist. Zwar ist das Spiel vollständig rundenbasiert, jedoch wechselt es nach der Aufteilung der sogenannten Kommandopunkte, sprich der taktischen Züge pro beteiligter Figur, sofort in den Third-Person-Modus und wird nicht nur grafisch um einiges spektakulärer aufbereitet als die typischen Vertretungen dieser Spezies. Nun werden die Offensiv- und Defensivaktionen gewählt, taktische Finten ausgehoben, riskante Manöver gestartet und so mancher Hinterhalt gelegt. Das Außergewöhnliche hierbei ist auf jeden Fall die Vermischung von Action, Taktik und RPG: Man hat vergleichsweise größeren Einfluss auf die Bewegungen der Protagonisten, muss aber auch gleichermaßen mit einer wesentlich besser ausgereiften KI der gegnerischen Armeen rechnen. Wer sich beispielsweise zu nah an einen eigentliche Gefechtspunkt heranwagt, wird bereits vor dem eigentlichen Face-to-Face-Duell angegriffen, was man selber natürlich auch nutzen kann, um beispielsweise Scharfschützen auf ungeschickt agierende Feinde anzusetzen. Das Repertoire der Möglichkeiten überschreitet die Möglichkeiten von Referenz-Exemplaren wie „Final Fantasy Tactics“ maßgeblich, steigert auch den Anspruch an den Spieler, bedarf aber auch einer gewissen Eingewöhnung, da die innovativen Konzeptionen nicht immer sofort greifbar sind. Aber genau das ist es ja eigentlich, was man von einem Vertreter der nächsten Generation auch erwarten sollte.

 

Insgesamt ist das Gameplay durchaus vielschichtiger als in den gängigen Modulen aus dem weitläufigen RPG-Segment. Dies mag zwar die Gefahr beinhalten, dass einige Erwartungshaltungen enttäuscht werden, doch da die Vermischung der Genre-Konzepte hier in jeglicher Hinsicht aufgeht und das rundenbasierte Strategiesystem hier mit komplett erneuerten Mechanismen rundum aufgefrischt wird, darf sich „Valkyria Chronicles“ rein inhaltlich schon revolutionär schimpfen.

 

Technik/Grafik:

Aufgrund des eigenwilligen Spielsystems steht die Technik zu Segas neuem Hoffnungsträger natürlich unter besonders skeptischer Betrachtung. Und tatsächlich krankt es bei der Umsetzung der vielen guten Ideen in vielen kleinen Details, die sich in ihrer Masse schon summieren, wenngleich sie auch nicht das Spielvergnügen wesentlich einzuschränken vermögen. So ist beispielsweise die Spielübersicht nicht ganz so prickelnd und manchmal sogar irreführend, speziell wenn man noch in den ersten Gehversuchen im Tutorial gefangen ist. Der ständige Perspektivenwechsel mag zwar spektakulär anmuten, bedarf aber gezielter Übung, da man anfangs immer wieder dazu neigt, Kommandopunkte zu verschwenden, da man Distanzen und Situationen aufgrund der ungenauen Gesamtübersicht falsch einschätzt. Ferner ist auch das Fehlen eines Multiplayer-Systems in einem solchen Game eine deutliche Einschränkung, zumal hier sicherlich einiges machbar gewesen wäre. Eine letzte Schwäche ist der unlogische Aufbau mancher Szenarien. So kann man beispielsweise hinter Kleinstgegenständen wie Sandsäcken in Deckung gehen. Naheliegende Optionen wie große Häuser dienen hingegen nicht als Schutz und zum Aufbau von Hinterhalten – ziemlich strange!

Andererseits ist das eigentliche Spielsystem wirklich super, nicht nur wegen der fantastisch aufbereiteten Background-Story, sondern auch aufgrund des sehr erfrischenden Updates des Rundensystems. Zudem ist die Grafik wirklich prächtig und in einem etwas eigensinnigen Anime-Stil sehr in individuell gestaltet. Dies soll aber keinesfalls heißen, dass die emotionale Story und die vielen bewegenden Dramen, die man während des Spiels miterlebt, nicht ernsthaft genug transferiert werden. Ganz im Gegenteil: Hier wachsen Philosophie, Fiktion, Beklemmung und Action zu einem kinoreifen Spektakel zusammen, welches Freunde des japanischen Zeichentricks auf Anhieb begeistern sollte – und welches über die kleinen Fehlleistungen von „Valkyria Chronicles“ wieder spielerisch hinwegtröstet.

 

Spielspaß:

Auch wenn der Einstieg –trotz ausführlichem Tutorial – nicht sonderlich leicht ist und man ein wenig zäh in den Mechanismus von „Valkyria Chronicles“ eingeführt wird, entwickelt sich der neue Sega-Titel alsbald zu einem echten Kracher, dem der Crossover verschiedenster Action-Sparten sehr überzeugend gelingt. Die Dialoge sind spitze, die Story einladend und der Background umwerfend – alleine die Voraussetzungen für die Etablierung eines beständigen Rahmens könnten besser kaum sein. Hinzu kommt das bereits mehrfach angesprochene, neue Strategiesystem, welches selbst Shooter-Fans daurhaft ansprechen sollte, weil Genre-übliche Elemente integriert werden und sich gekonnt mit den Inhalten der traditionellen RPG-Kost verbinden. Das ist außergewöhnlich, das setzt Akzente, das macht einfach nur eine Menge Spaß. Zuletzt überzeugt auch der Anspruch von „Valkyria Chronicles“: Die Story birgt Potenzial für mehr als 30 Stunden, ohne dass man dabei alle Details des Spiels erforscht haben muss. Durch die unterschiedlichen Armee-Konstellationen und die Möglichkeit, einzelne Kapitel komplett neu zu starten, ist auch im Hintergrund noch einiges möglich und erweitert die starke Qualität um eine entsprechende Quantität.

 

Fazit:

„Valkyria Chronicles“ ist zwar kein klassisches RPG, in diesem Segment aber dennoch eine bleibende Größe, die es mit den klassischen Vorgängern ebenso aufnehmen kann wie mit rundenbasierter Echtzeitstrategie und Action-fokussierten Schlagern im Allgemeinen. Auch wenn Segas neuer Schützling ziemlich unkonventionell arrangiert ist: Das Spielsystem mit seiner ganzen Detailverliebtheit ist wirklich genial!

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404190947237036ee28
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Valkyria Chronicles

System: Playstation 3

Publisher: Sega

VÖ: 31.10.2008

USK-Einstufung: Freigegeben ab 16 Jahren gem. 14. JuSchG

ASIN: B001E8LIMG

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 24.11.2008, zuletzt aktualisiert: 24.01.2015 07:26, 7825