Whiteout: Melt
 
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Whiteout: Melt

Rezension von Björn Backes

 

Inhalt:

US-Marshal Carrie Stretko wird ziemlich unsanft aus ihrem Urlaub in der Wärme Neuseelands gerissen: Ein Vorfall internationalen Ausmaßes hat vor wenigen Stunden die amerikanische Regierung in Panik versetzt, und dies ausgerechnet auf Stretkos gewöhnlicher Spielwiese, der Antarktis. Eine unerklärliche Explosion hat dort eine große russische Forschungsstation zerstört und 14 Menschen in den Tod gerissen. Im Auftrag der Regierung soll Carrie herausfinden, welche Ursache das ungewöhnliche Ereignis gehabt haben könnte, bekommt aber in Aussicht gestellt, bei erfolgreicher Mission zurück in die Heimat versetzt zu werden. Mürrisch, aber dennoch zufrieden macht sich der weibliche Marshal vor Ort ein Bild und entdeckt dabei, dass die Russen in der Station tatsächlich Waffen und Atomsprengköpfe versteckt hielten. Ohne langes Zögern nimmt sie die Verfolgung auf, wohl wissend, dass sich kaum jemand so gut in der Arktis auskennt wie Carrie selbst. Allerdings folgt ihr ein merkwürdiger, russischer Agent auf Schritt und Tritt und bringt das ungleiche Duo gleich mehrfach in Schwierigkeiten.

 

 

Rezension:

Als Greg Rucka vor ziemlich genau einer Dekade seinen ersten „Whiteout“-Band verfasste, schlug der nunmehr sehr erfolgreiche Comic-Autor mit seiner intelligenten Story in eine Kerbe, die in den vorherigen Jahren deutlich vernachlässigt wurde. Richtige Autoren-Storys waren wieder gefragt, nachdem die pompösen Pomp- und Glanzzeichnungen langsam aber sicher den amerikanischen Mainstream-Comic in den Abgrund getrieben hatten. Und es waren eben Autoren wie Ellis, Morrison und Rucka, die mit starken Geschichten und dezenten Effekten das Genre wieder dort hinbrachte, wo es auch vor dem Boom der DC- und Marvel-Universen hingehörte.

Aus heutiger Sicht sind die revolutionären Akte dieser beispiellosen Schreiber zwar immer noch greifbar, aber bei weitem nicht mehr so sensationell wie einst am Tiefpunkt der Comic-Historie, was jedoch löblicherweise damit zu begründen ist, dass der Pool der wirklich großen Autoren über die Jahre wieder stark gewachsen ist. Dennoch sticht besagtes „Whiteout“, welches mittlerweile auch hierzulande mit einem Nachfolgeband bedacht wurde, aus der Reihe jener Autoren-Comics heraus, und dies in erster Linie dank Ruckas unkonventioneller, innovativer Arbeitsweise.

Ein wichtiger Schritt war diesbezüglich sicherlich die Zusammenarbeit mit seinem alten Kollegen Steve Lieber, dem Rucka in „Melt“ sehr viele Freiheiten gewährte, was Lieber wiederum nutzte, um die unkonventionellen Schreibmethoden seines ‚Vorgesetzten’ mit einer nicht minder außergewöhnlichen illustrativen Stilistik zu vermengen. Lieber setzt sich stellenweise über ungeschriebene Gesetze hinweg, verwendet zum Beispiel oftmals mehr als zehn Panels pro Seite oder wechselt auch seinen Stil zwischen den einzelnen Grafiken, harmoniert aber gerade deswegen so gut mit seinem Gedankengeber – und diese Harmonie ist auch in der zweiten Geschichte um Carrie Stretko eine Art Geheimwaffe, die das Buch vor jeglicher verheerender Kritik beschützt.

 

Nichtsdestotrotz entwickelt sich die Story nur behäbig voran und ist besonders in der zweiten Hälfte sehr sperrig. Nach rasantem Einstieg, währenddessen sich schon ein spektakulärer Thriller anbahnt, sind die einzelnen Personenschicksale im Vordergrund und nehmen der Geschichte ein wenig vom Tempo, jedoch nichts von der fortwährend steigenden Spannung. Besonders das gespannte Verhältnis zwischen Carrie und ihrem russischen Begleiter Alex bürgt für anhaltende Brisanz, die sich zwischenzeitlich zu entladen droht, dann jedoch plötzlich unermesslich heftig wird.

Gleichzeitig ist auch das Themengebiet recht eigenwillig aufgearbeitet. Die Bedrohung durch Atomwaffen soll von einer unberechenbaren Jägerin abgewendet und ausgelöscht werden, was angesichts der teils beängstigenden Entwicklungen der Story schon fast wieder paradox scheint – ohne dass dabei jedoch in irgendeiner Form die Authentizität der drohenden Fiaskos aus den Fugen gerät. Dass sich hinter der Fassade eines teils subtil aufbreiteten s/w-Comics dabei das Potenzial für einen richtig starken Hollywood-Reißer verbirgt, vermutet man zwar anfangs noch nicht, doch je tiefer man unter diese Fassade hindurch gleitet, desto intensiver manifestiert sich nachher das Bewusstsein, dass „Melt“ samt all seiner dezenten, zurückhaltenden Inszenierung ein stilles Feuerwerk des intelligenten Action-Comics ist, auch wenn es das womöglich gar nicht sein will. Oder anders gesagt: Das ist der Stoff, aus dem versteckte Meisterwerke gemacht sind!

 

 

Fazit:

Greg Rucka und Steve Lieber bleiben auch im zweiten Teil von „Whiteout“ ihren Qualitätsmaximen treu. „Melt“ ist ein intelligenter, inhaltlich recht vielschichtiger, aber dennoch straighter spannender Comic, der ohne wirkliche Bombast-Effekte und pompöse Ausschmückungen genau das aufbietet, was dem Gros der Superhelden-Geschichten leider abgeht. Wer anspruchsvolle, tiefgründige Thriller-Kost sucht, ist mit „Whiteout: Melt“ bestens bedient!

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404262152107a23a3af
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Whiteout: Melt

von Greg Rucka

Gebundene Ausgabe: 124 Seiten

Verlag: Cross Cult; Auflage: 1 (21. März 2008)

ISBN-10: 3936480818

ISBN-13: 978-3936480818

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 21.04.2008, zuletzt aktualisiert: 28.12.2022 16:07, 6331