Wolverine: Saudade
 
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Wolverine: Saudade von Morvan und Buchet

Marvel Graphic Novel Bd. 10

Rezension von Christian Endres

 

Der neueste Clou der Zusammenarbeit zwischen Marvel und Panini: Europäische Top-Künstler nehmen sich Marvels größten Helden an und schreiben und zeichnen Wolverine, Spider-Man und Co. ihr ganz persönliches Abenteuer »Made in Europe« auf den Leib. Jean-David Morvan und Philippe Buchet, die in der Vergangenheit mit Sillage eine stattliche Anzahl an Lesern wie Kritikern begeisterten, nahmen sich so beispielsweise Mutant Wolverine an und führten ihn in einem kurzweiligen Abenteuer in den wenig erholsamen, dafür aber um so actionreicheren Urlaub nach Brasilien ...

 

Ein idyllischer Urlaub passt nicht zu Wolverine, und so legt sich der furchtlose kleine Kanadier mit den tödlichen Krallen und den Selbstheilungskräften, wie es eben seine Art ist, schnell mit skrupellosen einheimischen Gangstern sowie einem beängstigend mächtigen Mutanten an, der für die breite Masse und das einfache Volk ein wahrer Segen, für viele unschuldige Mutanten allerdings ein arroganter und vor allem brandgefährlicher Fluch ist, der in seiner Verblendung und Selbstherrlichkeit am Ende sogar dem guten Wolverine nach dem Leben zu trachten scheint ...

 

Jean-David Morvans Story überzeugt: Auf eher knapp bemessenen 52 Seiten bringt er unverschämt viel unter: Massig Action, schöne Dialoge, guten Humor, genau die richtig getimete Spannung und Dramaturgie, ein oder zwei eher phantastisch angehauchte Szenen und – nicht zuletzt – sogar etwas Philosophie und Sprachkunde – in diesem Fall die »Lehre« (bzw. Leere, um den Sinn des Wortes von einer anderen, etwas schwermütigeren Seite anzugehen ...) hinter dem Wörtchen Saudade.

 

Dabei überzeugt vor allem Morvans Charakterisierung des kleinen Kanadiers als grimmigen, aber auch lebensfrohen, bodenständigen und letztlich nur seiner eigenen Moral verpflichteten Charakter, der in dieser Geschichte weder ganz Held, noch ganz Antiheld ist. Diese gelungen ambivalente Darstellung der Figur ist für die Kürze der Story ein echter Leckerbissen und zeugt von großem Können. Lediglich der etwas harte Schnitt zwischen den Originalseiten 11 und 12 stört ein bisschen in der rasanten Geschichte um Wolverines ereignisreichen Besuch in Brasilien, doch akklimatisiert man sich nach diesem schroffen Übergang wieder recht flott, sodass man den Rest der actionreichen Story bis zum philosophisch angehauchten Schluss genießen kann.

 

Philosophischer Schluss? Aber ja! Wenn Wolverine der schönen Jean erklärt, was sich hinter Saudade verbirgt, dann hat das durchaus einen sehr hintergründigen Anspruch; einen, der umso schöner ist, da es sich um eine typisch portugiesische – und damit typisch europäische – Redensart handelt, was wiederum perfekt in das Konzept mit den amerikanischen – pardon, Logan, ich meine natürlich kanadischen – Marvel-Helden und den europäischen Kreativteams passt.

 

»Saudade ... man kann es nicht beschreiben ... es ist so eine Art Wehmut ... Nach den Dingen, die man hätte erleben können! Die Brasilianer nennen das ... Saudade.«

 

Wirklich sehr schön. Ein netter, atmosphärischer Schlussakkord, der von der Tiefsinnigkeit her nicht unbedingt zum manchmal ziemlich gewalttätigen und sogar blutigen Rest des Bandes passt – und diesen damit definitiv um eine weitere Facette bereichert.

 

Das Artwork von Philippe Buchet ist mit Sicherheit reichlich ungewohnt für einen Comic mit dem Einzelgänger schlechthin unter den X-Men, an dem sich sonst eher Künstler wie Leinil Francis Yu oder John Romita jr. versuchen, aber auch schon Zeichner wie Frank Miller oder Steve Dillon verlustiert haben. Dennoch wissen Buchets Zeichnungen zu gefallen. Sie passen perfekt zum Touch der temporeichen, aber dennoch eher »unamerikanischen« Story und überzeugen sowohl in den ruhigen, fröhlichen Momenten, wie auch in den blutigen, von Kampf oder gar Tod geprägten Szenen der Geschichte. Unterstützt werden die dynamischen Zeichnungen mit dem ausdrucksvollen Minenspiel obendrein durch die Farbgebung von Walter Pelazzi, der ebenfalls ganze Arbeit geleistet und Wolverine eine eindeutig persönliche – oder eindeutig »europäische«, um ausnahmsweise bei der Schublade zu bleiben – Note gegeben hat.

 

Auch die Aufmachung von Wolverine: Saudade überzeugt: Das wirklich ausladende Hardcover-Album (satte 33x23 cm!) macht einiges her und wird zur perfekten Bühne, um das (in Bezug auf Wolverine) gelungen andersartige Artwork von Buchet zu präsentieren. Einzig das Cover trifft nicht ganz meinen Geschmack – das Motiv der Rückseite hätte mir deutlich besser für die Front des Albums gefallen, zumal es auch eher mit den Zeichnungen im Innenteil konform geht.

 

Fazit: Wolverine: Saudade ist ein kurzweiliger, knackiger Comic im ungewohnt großzügigen Albenformat. Ohne sich um Continuity oder aktuelle Ereignisse aus Logans Heftserie scheren zu müssen, liefern Morvan und Buchet ein rundum gelungenes Abenteuer über Marvels beliebtesten und berühmtesten Mutanten. Deshalb gilt nicht nur für eingefleischte Wolverine-Fans: Zugreifen! Andernfalls blüht einem vielleicht die persönliche Saudade – also die Trauer um eine verpasste Gelegenheit ...

 

Krallen hoch für den zehnten Marvel Graphic Novel von Panini.

 

 

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042700094050cc9978
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Comic:

Wolverine Saudade

Reihe: Marvel Graphic Novel Bd. 10

Autor: Jean-David Morvan

Zeichner: Philippe Buchet

Panini, Januar 2007

Albukformat, Hardcover

Seiten: 52

ISBN-Code: 3866072740

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 31.01.2007, zuletzt aktualisiert: 26.08.2023 14:41, 3429