Rezension von Björn Backes
Poker – einst verruchte Freizeitbeschäftigung der Mafia, heute in allerlei Ländern Trendsport Nummer eins. Seit einigen Jahren nun schon ist es beinahe verpflichtend, zumindest einen kleinen Koffer mit Chips und einem schnittigen Deck im Haus zu haben, ganz unabhängig davon, ob man sich mit dem Kartenspiel nur die Zeit vertreiben möchte oder eben doch zur Riege der erbarmungslosen Zocker gehört. Damit ist wohl auch kein weiteres Spiel im laufenden Jahrzehnt so übermäßig populär geworden wie die klassische Texas Hold `Em-Variante.
Während sich zahlreiche erfahrene Spieler nunmehr in Casinos, Kneipen und vor allem online mit dem neuen Volkssport bereichern, haben die Entwickler und Designer des Konsolenspiels das Marketing-Potenzial des Spiels natürlich nicht übersehen. Ergo tummeln sich auch auf den maschinellen Spielgeräten diverse Titel, die für sich beanspruchen, der beste Trainer für die professionelle, heimische Pokerrunde sein. Einer hievon hört auf den Namen „World Championship Poker“ und gehört sogar zu den Urhebern der digitalen Variante. Um einige Nuancen verarbeitet geht dieses Spiel nun bereits in die zweite Runde und feiert gleichzeitig das Debüt auf der 360er XBox. Doch ist das Feeling am virtuellen Tisch tatsächlich so prickelnd wie in Echtzeit?
Das Spiel:
Im zweiten Teil von „World Championship Poker All In“ hat der interessierte Zocker die Wahl aus 19 unterschiedlichen Pokervarianten, wobei die beliebte texanische Version natürlich die markanteste ist. Aber auch Omaha oder das hier lange Zeit bevorzugte 5 Card Draw gehören zur Auswahlmöglichkeit des üppigen Kartenvergnügens.
Bevor man nun aber seine Einsätze nennt, muss man sich erst einmal zwischen dreierlei Modi entscheiden. Man kann entweder in einer flotten Solorunde erste Erfahrungen mit der KI der Gegner machen oder sich für die etwas umfassenderen Szenario- oder Karrieremenüs entscheiden. In den Szenarien trifft man sich schon mit einigen weltbekannten Spielern, holt sich Tipps ein, lernt, sie auszubluffen und vor allem ihr Spiel zu durchschauen. Und da die Szene-Prominenz auch wirklich anspruchsvolle Züge ausarbeitet, könnte es sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene kein besseres Training geben.
Am interessantesten ist aber rein äußerlich sicher der Karrieremodus. Hier reist man mit seinem Spieler um die ganze Welt, hangelt sich von anrüchigen Bars bis hin in die Top-Casinos, spielt gegen Landeier und Profis und lernt so die große weite Welt des Pokers kennen. Die Koffer werden allerdings erst gepackt, nachdem man sich seinen Spieler, ähnlich wie in einem Rollenspiel, mit verschiedenen Attributen geformt hat. Hierzu gehört natürlich auch die Kleiderwahl, bei der man vergnüglich über manch schillerndes Outfit stolpern wird. Aber gerade visuell sind dem Erscheinungsbild des Zockers ja auch in der Realität keine Grenzen gesetzt.
Das eigentliche Spielgeschehen präsentiert sich indes recht eintönig. Die Spielstärke und Glaubwürdigkeit der gegnerischen Aktionen ist zumeist transparent, soll heißen man bekommt schnell ein Händchen dafür, wann man mitgehen sollte bzw. wann man besser aussteigt. Gerade zu Beginn versuchen die Mitspieler durch scheinbar riskante All-In-Manöver das Spiel an sich zu reißen, wobei man spätestens beim dritten Flop herausbekommen hat, dass derartige Züge sehr, sehr selten geblufft sind. Von einer ausgesprochen hohen KI kann also nicht die Rede sein.
Die eigenen Bluffs hingegen kommen auch nicht richtig zum Zuge. Mit einigen kleinen Zwischenspielchen hat man die Möglichkeit, seine Ausstrahlung zu beeinflussen und die eigene Authentizität bei den Täuschungsmanövern zu gewährleisten, jedoch lockern derartige Sequenzen das Spiel nicht wirklich auf.
Hinzu kommt, dass das Spiel im Prinzip immer einfacher wird. Mit entsprechenden Erfolgen greift auch wieder das Rollenspiel-Element, denn nun bekommt man einzelne Fähigkeitspunkte geschenkt, mit denen man die individuellen Aktionsmöglichkeiten des aktiven Spielers noch besser lenken kann. Nun kommen nicht mehr bloß die Tipps der Profispieler zur Geltung sondern auch prozentuale Auswertungen über die Wahrscheinlichkeit eines Sieges beim aktuellen Blatt. Dies mag zwar für den Einsteiger ein hilfreicher Modus sein, nimmt dem Spiel aber langfristig die Spannung. Denn wie interessant ist schon ein Pokerspiel, wenn das Risiko weitestgehend kalkulierbar ist? Insgesamt scheinen die grundsätzlichen Mechanismen also nicht ganz so gut ausgereift, was scheinbar jedoch eine Krankheit ist, welche die meisten Poker-Simulationen für die PC- und Konsolenwelt befallen hat.
Technik/Grafik:
Die Präsentation des Spiels lässt an gegebenen Stellen leider auch ein wenig zu wünschen übrig. Den Figuren fehlt es an Charisma und Ausstrahlung, den Szenarien und Behausungen der Pokertische wiederum an Atmosphäre. Durch die geringe KI, dem wohl größten Kritikpunkt des Spiels, will sich Letztere auch gar nicht wirklich einstellen. Zwar mag es angenehm sein, dass die einzelnen Runden im Karrieremodus nicht über Stunden gehen, weil es hierfür einfach zu viele All Ins hagelt. Da hierdurch jedoch immerzu die Rechtschaffenheit der Mitspieler bewiesen und von schmierigen Tricks und gekonnte Bluffs Abstand genommen wird, stellt sich langfristig Monotonie ein, die in erster Linie auf einige technische Mängel zurückzuführen ist.
Dafür glänzt „World Championship Poker 2 All In“ allerdings mit einem breiten Optionsmenü, welches Poker-Liebhaber jedweder Coleur ansprechen sollte. 19 Varianten sind selbst für die Möglichkeiten einer Konsole recht üppig und grundsätzlich eine ansprechende Einladung, seine Kenntnisse abseits vom bekannten Texas Hold `Em zu erweitern. Und da die einzelnen Fassungen auch anfangs ziemlich gut erklärt werden und man mit einzelnen Tipps einen guten Start in die jeweilige Pokerart bekommt, gehören an diese Stelle einige lobende Worte. Die Langatmigkeit der Turniere und Szenarien kann aber selbst diese gehörige Flexibilität nicht gänzlich kompensieren.
Grafisch bleibt das Spiel seiner Durchschnittlichkeit leider auch treu. Die Texturen sind ein wenig ruppig, und auch von Detailverliebtheit kann nicht die Rede sein. Natürlich stellt man an ein Poker-Game nicht die höchsten grafischen Anforderungen. Aber zumindest ein gewisses Mindestmaß an Atmosphäre, welches aus der Präsentation hervorgeht, gehört wohl für jeden dazu – und ist hier nur sehr eingeschränkt ausgeprägt.
Spielspaß:
Pokerrunden machen nur so lange Spaß wie die Gegner undurchschaubar bleiben. Es sei natürlich, es geht um die ganz großen Einsätze, bei denen man sich natürlich wünscht, mit komfortablen Kontrahenten am Tisch zu sitzen. Allerdings rührt der Spielreiz in erster Linie auf dem spielerischen Niveau und den Bluff-Fähigkeiten der Mitspieler. In diesem Fall hört dieser Aspekt auf den Namen künstliche Intelligenz und wird bisweilen eher abgehackt wiedergegeben. Die Züge sind nach einer Weile vorhersehbar, die Taktiken ebenfalls, und selbst wenn man mit den großen Namen, die dem Spiel ihren Namen geliehen haben, um die wertvollen Chips zockt, fehlt es an besonderem Anspruch. Dass der Spielspaß auf lange Sicht natürlich herbe Einbußen hinnehmen muss, ist dementsprechend klar und macht auch den zweiten Teil des „World Championship Poker“ zu einem zumindest spieltechnisch stark ausbaufähigen Konsolentitel.
Dem entgegen steht natürlich der enorme Umfang des Spiels. Man bekommt ausführliche Einblicke in die so umfassende Welt des Pokers, entdeckt womöglich die Vorzüge weniger populärer Varianten und lernt insgeheim auch einige neue Strategien, die man am realen Tisch bei echtem Einsatz wahrscheinlich nie erproben würde. Insofern hat das Spiel schon einen gewissen Reiz, obschon dieser auch beschränkt sein mag. Richtig attraktiv ist das Spiel aber nur in der Online-Version. Hier misst man sich dann wiederum mit den Cracks weltweit, erlebt aber natürlich im Vergleich mit den klassischen Online-Runden am PC kaum Spektakuläres oder gar Innovatives – zumal die Pokerhallen im XBox-Live-Modus häufig schlecht besetzt sind. Aber zumindest trifft man im Falle des Falles hier auf würdige Gegner, also Kontrahenten, die die KI keinesfalls ersetzen kann.
Fazit:
Es mag sicherlich schwierig sein, eine KI derart zu programmieren, dass sie authentische Bluffs und glaubwürdige Täuschungsmanöver vollzieht, ohne dass der aktive Spieler davon Wind bekommt. Aber „World Championship Poker 2 All In“ fehlt eben dieses entscheidende Element, welches den Bediener bei jeder Aktion wieder nachdenklich stimmt. Man muss gar nicht viele Risiken eingehen, da die Spielzüge und ihre Konsequenzen durchschaubar sind und man somit ein Vertrauen aufbaut, das hier völlig fehl am Platze ist. Als Poker-Simulation und Lernprogramm für neue Poker-Variationen mag der Titel daher zwar dennoch geeignet sein; als echte Challenge für erfahrene Spieler taugt er mangels tatsächlicher Spieltiefe aber nicht.