Zoo-Botanica Aventurica
 
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Zoo-Botanica Aventurica

Rezension von Karl-Georg Müller

 

Durch „Zoo-Botanica Aventurica“ wird das 1996 erschiene Regelwerk „Drachen, Greifen, Schwarzer Lotos“ ersetzt, das gemeinhin als „Kreaturenbox“ bekannt war (und damals die erste Version aus alten „Schmidt-Tagen“ ablöste). Box deshalb, weil noch eine Schachtel sich um die Bücher schmiegte, was im Zuge der Neugestaltung aller Quellenbücher überflüssig ist. Ich bin froh darüber, die schöne äußere Gestaltung der Bände macht sie fit für den Bücherschrank. Es fehlt im Grunde nur noch die vierfarbige Umsetzung des Innenteils, dann hat DSA auch vom Optischen D20-Niveau erreicht.

 

Auf 308 Seiten präsentiert uns ein vielköpfiges Autorenteam um den Redakteur Chris Gosse die Tier- und Pflanzenwelt Aventuriens. Im Vorwort wird gleich angemerkt, dass aus der oben genannten Kreaturenbox ein Großteil der „zeitlosen beschreibenden Texte“ übernommen wurde. Das ist für mich legitim, denn ein Bär bleibt ein Bär, auch wenn 10 Jahre Rollenspielleben zwischen zwei Regelwerken liegen. Viel wichtiger ist die Umwandlung von Kreaturen- und Pflanzen-Werten von einer älteren Regeledition auf eine neue, in diesem Fall die 4. Edition. Das alleine stellt schon einen vernünftigen Grund dar, sich von einem überholten Regelwerk zu verabschieden und eine Neuausgabe zu gestalten.

 

Es sei vorweg gesagt, dass für mich bei einem stichpunktweisen Abgleich keine Ungereimtheiten offenbar wurden; es mögen sich fehlerhafte Angaben in den Beiträgen verbergen, aber das sollte bei einem derart umfangreichen Band zu verschmerzen sein (und, gelinde gesagt, akzeptiere ich so etwas mit einem Schulterzucken, denn die Fehlerhäufigkeit bei gedruckten Rollenspiel-Werken ist im Vergleich zu den hochtechnisierten, tausendfach geprüften elektronischen Gerätschaften ruhig zu vernachlässigen. Ich sehe keinen großen Grund, unerträgliche Aufgeregtheit bei marginalen Fehlern wie einem falsch gesetzten Komma in Tabelle XIV oder einem ausgelassenen Buchstaben in die Luft zu pusten, wo sie dann doch nur sinnlos verpufft. Das passt aber zur üblichen besserwisserischen „Ich-weiß-was-Herr-Lehrer“-Mentalität, bei der man sich so richtig schön aufplustern kann.)

 

Das erste große Kapitel betitelt sich „Die Tierwelt Aventuriens“. Statt jedoch gleich in die Beschreibungen der erwarteten Tiere einzusteigen, werden erst einmal Aspekte wie „Kampf gegen Tiere“ (mit besonderen Kampfbedingungen: im Wasser, auf unsicherem Grund, in der Überzahl; aber auch Kriterien wie Rüstungsschutz oder Attacke und Parade), „Verhalten gegenüber Heiligen Tieren“ und „Tiere und Magie“ abgehandelt. Für die Spieler noch einen Deut interessanter dürfte aber der Abschnitt zum „Abrichten“ sein, wird dort sehr akkurat auf Dressur und Ausbildung von Tieren eingegangen (zu denen erwartungsgemäß Hunde, Pferde und Bären zählen, aber auch Flugechsen oder Wölfe).

 

Das ist alles sehr wichtig für diejenigen Spieler, denen ein tierischer Begleiter zur Seite steht, wichtiger wohl als das Folgende: „Reit-, Last- und Zugtiere“. Okay, das „kleine Wörterbuch der Pferdekunde“ ist als Infoschnipsel sehr gut zu gebrauchen, aber ob ich wirklich wissen will, welche ausgewogene Mischung ein Pferd benötigt (zwei Drittel Raufutter, ein Drittel Kraftfutter, wobei zu Raufutter Heu und Stroh zählen, zu Kraftfutter Mais, Hafer, Gerste, aber auch Rüben) – das ist mir dann doch einen Tick zu viel der Simulation. Gut, im Grunde sind das zusätzliche Informationen, die ich nicht einsetzen muss, aber genau an diesen Stellen ist die Materialfülle beinahe erschlagend, und es ist nicht immer einfach, die wesentlichen Informationen von den weniger wichtigen zu unterscheiden. Jedenfalls wirkt das dann nicht optimal überschaubar.

 

Dagegen sind Anmerkungen zur „Kriegsreiterei“ sinnvoll, wenn ich auch über einen Satz gestolpert bin, der eigenartig nachhallt: „Es ist jedoch ein eindrucksvolles Erlebnis, einen der berühmten Sichelwagen ... in voller Fahrt zu sehen, wie die drehenden Klingen der Räder Pferd und Mensch gleichermaßen zerfetzen ...“ Na ja, ich möchte gerne streiten, dass ein derart blutiges Intermezzo ein „Erlebnis“ darstellen mag, ähnlich dem hobbitschen Feuerwerk. Der Begriff „Erlebnis“ ist positiv besetzt, doch kann ich das mit einer Sichelmetzelei nicht in Einklang bringen.

 

Weiterhin begegnen wir übernatürlichen Kreaturen, zu denen sich in vorderster Linie Drachen zählen, aber auch Feenwesen oder Werwesen. Zu den Drachen hätte ich mir detailliertere und mit mehr Stimmung durchtränkte Beschreibungen gewünscht, manche Drachen kommen doch arg zu kurz.

 

Gleich danach erwartet uns die versammelte Tierwelt. Im Gegensatz zum Vorgänger sind die Wesen alphabetisch nach Oberbegriffen geordnet, unter „Adler“ scharen sich demnach „Bergadler“, „Seeadler“ und „Königsadler“. Ein Index im Anhang vereinfacht die Suche nach einem bestimmten Tier. Auf jede Tierbeschreibung wird man nach demselben Schema mit einem aventurischen Quellentext eingestimmt, danach werden in einem hervorgehobenen Kasten die Werte zusammengefasst. Dazu zählen Verbreitung, Auftreten, Größe und Gewicht, aber auch die für eine Konfrontation wichtigen Kampfwerte (Initiative, Parade, Rüstungsschutz und so weiter). Spielrelevant sind gleichfalls Aspekte wie Start-Loyalität (für den Fall, dass dieses Tier unter menschlicher Führung gehalten werden kann) oder Jagd (wie schwierig ist das Jagen des Tiers, und flüchtet es oder greift es an bei Bedrohung).

 

Von Seite 62 bis Seite 192 beschäftigt uns die Tierwelt, danach wechseln wir in die Pflanzenwelt. Zuerst einmal befassen wir uns mit Bäumen, Sträuchern, Kletter- Rank- und Schlingpflanzen oder Blumen und Kräutern. Ganz so „spannend“ wie die Tierwelt liest sich das naturgemäß nicht immer, aber dafür ist das Erstaunen umso größer, wie explizit die Welt Aventurien ausgestaltet ist. Man erhält das Gefühl, jedes noch so kleine Pflänzchen wurde mit einem eigenen Namen bedacht – wer dann nicht weiß, wie er seinen Abenteurern die Landschaft beschreiben soll, muss das Defizit bei sich selbst suchen: ihm mangelt es vielleicht doch ein ganz klein wenig an erzählerischem Geschick.

 

Mitten zwischen den Gartenblumen verstecken sich die Giftpflanzen, ein in jedem Fantasy-Rollenspiel sehr gern gesehenes Kapitel, träumt doch jeder halbwegs ehrbare Meuchelmörder von dem perfekten Giftattentat. Allzu viel erfährt man an dieser Stellte nicht, denn weitere Informationen sind dem folgenden Kapitel vorgehalten: „Herbarium Aventuricum.“ Ein gesondertes Kapitel zu den wichtigen Pflanzen im Spiel, eingeteilt nach Nutzpflanzen, Heilpflanzen, Giftpflanzen (aha, da sind sie wieder!), übernatürlichen Pflanzen und gefährlichen Pflanzen. Ähnlich wie bei den Tierbeschreibungen folgt einem erklärenden Text (oftmals eingeleitet von einem aventurischen Kommentar) ein Schema mit Name, Typ, Zubereitung, Verarbeitung, Dosis und Wirkung, Haltbarkeit, Preis und Besonderheiten.

 

Damit sind wir – abgesehen von den Anhängen mit Tabellen zu giftigen Tieren und Pflanzen oder den Landschaftstabellen – am Ende angelangt. Und wir lassen damit ein pralles Buch mit einer riesigen Fülle an Detailinformationen hinter uns, das durch seine durchdachte Gliederung gefällt. Die meisten wichtigen Informationen lassen sich schnell nachschlagen, zudem endlich alles gebündelt in einem Quellenbuch greifbar ist. Ich gebe einem dicken Buch gerne den Vorzug gegenüber mehreren dünneren Regelheften, obwohl diese leichter zu transportieren sein mögen, wenn man nur Exzerpte daraus benötigt. Aber das ist sicherlich eine Frage der eigenen Vorliebe und hat mit der inhaltlichen Qualität natürlich nichts gemein.

 

Die wiederum ist zu loben. Obwohl ich angemerkt habe, dass die Materialmenge auch belastend sein kann, so ist doch das meiste davon für eine abgestimmte DSA-Spielrunde nützlich. Und es ist besser, auf ein Zuviel an Informationen zurückgreifen zu können, denn verzichten auf Regelergänzungen kann man – sich selbst Regeln aus den Fingern saugen, das macht Arbeit.

 

Optisch gefällt der Band durch seine zahlreichen Illustrationen, die nicht alle speziell für diese Ausgabe angefertigt wurden, aber nicht von ihrer Güte verloren haben. Natürlich wurde nicht jedes Objekt durch eine Zeichnung untermalt, aber es sind immerhin so viele, dass nur die wenigsten Seiten unbebildert bleiben.

 

Ob ein Spieler „Zoo-Botanica Aventurica“ benötigt – wenn er gerne etwas mehr über die Welt Aventurien und insbesondere das, was dort kreucht und fleucht, erfahren will, selbst dann hat es seinen Nutzen. Doch für die Nur-Spieler ist es keineswegs ein Pflichtkauf.

Im Gegensatz dazu gehört ein solches Regelbuch für die Spielleiter zur Grundausstattung. Wie oft er es einsetzt, bleibt natürlich ihm überlassen: schreibt er selbst Abenteuer, zählt es zum Rüstzeug. Nimmt er vorgefertigte Szenarien, klärt das Buch aufkommende Fragen zu Tier und Pflanze.

 

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Hinweis:

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH,

www.fanpro.com und www.f-shop.de

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042007015246429a92
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Zoo-Botanica Aventurica

System: DSA

Autor: Gosse, Chris

Gebundene Ausgabe - Fantasy Production

Erscheinungsdatum: 2004

ISBN: 3890642888

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 16.07.2005, zuletzt aktualisiert: 07.02.2015 00:00, 620