Lockruf des Blutes von Jeanne C. Stein
Reihe: Anna Strong Bd. 2
Rezension von Christel Scheja
Mit Vampirthrillern verbindet man heutzutage vor allem leidenschaftliche Liebesgeschichten, die zwar meistens auch nicht wenig Action enthalten, aber in denen die Beziehung zwischen den Helden die Hauptrolle spielt. Oft genug dienen die Gefahren dazu, das am Anfang widerstrebende Pärchen ins Bett zu bringen.
Nur wenige Autoren und Autorinnen schaffen es daher, dem Begriff Thriller wirklich gerecht zu werden. Dazu gehört offensichtlich auch Jeanne C. Stein. „Lockruf des Blutes“ ist der zweite Band ihrer „Anna Strong“ Reihe.
Noch immer hat sich die ehemalige Lehrerin und jetzige Kopfgeldjägerin Anna Strong nicht so ganz daran gewöhnt ein Vampir zu sein. Sie versucht weiterhin menschlich zu denken und die Instinkte des übernatürlichen Wesens in sich zu unterdrücken. Blut trinkt sie aus der Notwendigkeit heraus, aber noch immer ist sie nicht dazu bereit ihr früheres Leben und ihre Familie aufzugeben.
Denn sie weiß, dass Vater und Mutter nach dem Tod ihres Bruders vor vierzehn Jahren sonst niemanden mehr haben. Und das macht ihr zu schaffen. Deshalb kommt es wie ein Geschenk des Himmels, als überraschend Carolyn, eine ehemalige Freundin ihres Bruders auftaucht und sie um Hilfe bittet. Ihre Tochter sei verschwunden, und sie wisse jetzt nicht, an wen sie sich wenden könnte. Die Polizei möchte sie nicht mit hinein ziehen.
Auch wenn Anna das seltsam vorkommt, so nimmt sie den Fall doch an. Denn in ihr erwachen verwandtschaftliche Gefühle. Es kann gut sein, dass die dreizehnjährige Trish ihre Nichte ist. Und da sie überraschenderweise auch noch auf die Schule geht, die ihre Mutter leitet, und an der bereits eine Schülerin vermisst wird, geht die Kopfgeldjägerin der Sache nach.
Unter Verdacht gerät zunächst ein Lehrer, mit dem Trish und das andere Mädchen viel zu tun hatten. Doch als sie sich diesen genauer ansieht, erlebt sie eine große Überraschung und entdeckt eine Spur, die auf eine ganz andere Fährte lockt.
Geschickt verbindet Jeanne K. Stein eine spannende Kriminalgeschichte mit phantastischen Elementen und einer leidenschaftlichen Romanze, ohne dabei einer Seite den Vorzug zu geben. Ihre Heldin grübelt zwar ausgiebig über ihren jetzigen Zustand und beginnt sich an den Gedanken zu gewöhnen, sich langsam aber sicher in eine andere Richtung orientieren zu müssen, aber sie ergeht sich auch nicht in Selbstmitleid.
Pragmatisch versucht sie das Beste aus ihrer Lage zu machen und die Chancen zu nutzen, auch wenn sie den Verlust ihrer Menschlichkeit bedauert. Vielleicht ist dabei auch die leidenschaftliche Affäre mit einem Gestaltwandler sehr hilfreich, der ihr wie die Vampire, die sie unter ihre Obhut genommen haben, immer wieder klar machen, dass sie eine Ausbildung durchlaufen muss, um in der Welt des Übersinnlichen länger überleben zu können. Sie bleibt zwar menschlich, merkt aber, das wilde, ungezügelte Instinkte in ihr brodeln, die sie zu unbedachten Ausbrüchen verleiten könnten. Zumindest gedanklich ist sie schon bereit, Grenzen der Moral und Ethik zu überschreiten. Das macht ihren Charakter sehr lebendig und vorstellbar.
Über all das wird aber auch nicht die Kriminalhandlung vergessen. Anna Strong muss sich wie alle anderen Privatermittler auch einmal mit staatlichen Behörden herum schlagen und folgt erst einmal der offensichtlichen Spur. Dann aber kommt sie einer schrecklichen Wahrheit auf die Spur, die selbst sie zurückschrecken lassen, denn Kindesmissbrauch und Pädophilie im Internet sind auch für eine Untote keine angenehmen Themen.
Nichts wird all zu lange ausgewalzt, alles folgt Schlag auf Schlag, so dass keine Längen entstehen. Und auch wenn gelegentlich auf den ersten Band Bezug genommen wird, so muss man den nicht kennen, um die Handlung zu verstehen.
Heraus kommt ein spannender und kurzweiliger Roman, der das Label „Vampirthriller“ endlich einmal verdient. Denn die Handlung hält was sie verspricht und bietet eine gesunde Mischung aus Action, Spannung, Phantastik und einem Schuss knisternder Erotik.
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