Rezension von Eileen Weinreich

Rezension:

Inhalt

Alle halten ihn für komplett verrückt oder traumatisiert, als der Mika Smith immer wieder betont, dass er nicht glauben wolle, dass seine Schwester Ellie tot ist. Sie lebe noch und sei nur verschwunden, das könne er spüren. Mika fühlt, dass etwas mit seiner Zwillingsschwester nicht in Ordnung ist und beschließt ihr zu helfen. Da kommt ihm der Wettbewerb einer Jugendorganisation gerade recht, an dem alle Kinder teilnehmen müssen. Es handelt sich um eine Flugsimulation, bei der diejenigen gewinnen, die die meisten gegnerischen Raumschiffe abschießen. Mika ist ganz weit vorne dabei und gelangt in die nächste Runde des Wettbewerbs. Dieser Wettbewerb jedoch wird zunehmend bizarrer und vor allem gefährlicher für die Kinder. Mika beschleicht der Verdacht, dass mit dem Wettbewerb besondere Kinder für eine besondere Aufgabe gefunden werden sollen. Doch er wird nicht aufgeben – denn er weiß, dass er Ellie nie wiedersehen wird, wenn er nicht gewinnt.

Einschätzung

Was zunächst wie ein normaler und vollkommen typischer Fantasyroman für Kinder im Alter von elf bis zwölf Jahren anmutet, entpuppt sich sehr bald zu einem spannenden Science – Fiction Abenteuer in einer fernen und sehr düsteren Zukunft. Düster wird die Atmosphäre vor allem durch das gesamte Setting des Romans. Denn die Erde ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Vor vielen Jahren ist eine Pest ausgebrochen, die von Tieren übertragen wurde und viele Menschen das Leben kostete. Nun leben die Menschen auf der ganzen Welt eingepfercht hinter einer gigantischen Mauer – die Armen unten in den Slums, in die kein Tageslicht dringt, die Reichen darüber in den goldenen Türmen. Tiere, Pflanzen und echtes Essen gibt es schon lange nicht mehr. Emma Clayton baut mit wenigen Worten und ohne viele Erklärungen eine dichte und vor allem glaubhafte Atmosphäre auf, in die man als Leser direkt eintauchen kann. Zu Beginn mag man vielleicht von den Science – Fiction Elementen etwas verwirrt sein, aber man gewöhnt sich recht schnell daran, auch als Nicht – Genrefan. „Die goldenen Türme“ weiß also alt und jung gleichermaßen zu überzeugen und vor allem zu unterhalten. Trotzdem wäre anzumerken, dass der Roman besonders gegen Ende hin etwas zu düster für die Zielgruppe sein könnte. Es gibt einige unschöne Szenen, es fließt Blut und wenn der wahre Hintergrund der Kinderwettbewerbe enthüllt wird, erscheint dies schon sehr bizarr und grausam.

Emma Claytons Figuren sind vollkommen gelungen und fügen sich sehr gut in die Geschichte und ihr Setting ein. Hauptfigur Mika Smith wirkt authentisch, ist sehr sympathisch und, was am wichtigsten ist, vorstellbar. Man fiebert mit dem durchschnittlichen Jungen mit, der plötzlich eine wilde Entschlossenheit entwickelt, um seine Schwester zu retten. Ihm zur Seiten stehen die ehrgeizige Audrey und der etwas merkwürdige Kobi. Alle zusammen bilden sie eine sehr gute Einheit vor dieser sehr düsteren Kulisse. Besonders die Zielgruppe dürfte sich wohl in ihnen wieder erkennen, da sie prinzipiell auch nur normale Schulkinder mit den üblichen Interessen sind.

Claytons Schreibstil ist sehr gut gelungen und passt zu der gesamten Geschichte. Sie beschreibt nie zu ausufernd, kratzt aber dennoch nicht nur an der Oberfläche. Die Autorin hat ein ausgewogenes Maß gefunden, das sowohl für Kinder nicht zu schwer ist, für Erwachsene aber auch nicht zu trivial. Dies bewirkt sie wohl auch durch ihre schnörkellose und präzise Sprache, die von Beginn an überzeugen kann.

Alles in allem ist „Die goldenen Türme“ ein gelungener Fantasyroman mit einigen Science – Fiction Elementen, der vor einer düsteren Zukunftsvision spielt. All dies wirkt glaubhaft und wird auch für Erwachsene zu keinem Zeitpunkt lächerlich, sondern ist spannend und sehr unterhaltsam.